Bei einer Lieferung in das EU-Ausland kann eine Umsatzsteuerbefreiung auch trotz Ungültigkeit der Umsatzsteuer-Identifizierungsnummer des Empfängers gegeben sein, wie jetzt ein Urteil des Finanzgerichts Düsseldorf zeigt.

Kommt der Unternehmer seinen Nachweispflichten nicht nach, ist zwar grundsätzlich davon auszugehen, dass die Voraussetzungen einer innergemeinschaftlichen Lieferung (§ 6a Abs. 1 UStG) nicht erfüllt sind. Etwas anderes gilt ausnahmsweise nur dann, wenn trotz der Nichterfüllung der – formellen – Nachweispflichten aufgrund der objektiven Beweislage feststeht, dass die Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 UStG vorliegen. Dann ist jedoch die Steuerbefreiung zu gewähren, auch wenn der Unternehmer die nach § 6a Abs. 3 UStG erforderlichen Nachweise nicht erbrachte.
Nach dieser Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs[1] ging jetzt das Finanzgericht in einem von ihm entschiedenen Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes trotz Fehlens einer gültigen USt.-Id.-Nr. in der Buchführung und damit trotz insoweit unvollständigen Buchnachweises von der Steuerfreiheit der streitigen Exportgeschäfte aus.
In dem entschiedenen Düsseldorfer Fall wurden Getränkelieferungen von der deutschen Lieferantin in Form von Reihengeschäften an von der spanischen Firma „G“ zuvor mitgeteilte spanische Abnehmer mittels einer von der deutschen Lieferantin beauftragten Spedition durchgeführt und von ihr auch ein – bis auf die Aufzeichnung einer im Zeitpunkt der Lieferungen gültigen USt.-Id.-Nr. – vollständiger Buch- und Belegnachweis i.S. der Vorschriften der UStDV erbracht.
Damit handelt es sich nach Auffassung des Finanzgerichts Düsseldorf hierbei um Versendungslieferungen, da zwischen der deutschen Lieferantin und ihrer spanischen Abnehmerin – der Firma „G“ – Lieferungen „frei Haus“ vereinbart waren und nach den vorliegenden Unterlagen die Spedition offensichtlich auch von der deutschen Lieferantin beauftragt wurde.
Davon ausgehend, dass somit – mit Ausnahme der Aufzeichnung einer gültigen spanischen USt.-Id.-Nr. der Abnehmerfirma – sämtliche Voraussetzungen des Buch- und Belegnachweises gemäß §§ 17a und 17c UStDV für die Steuerfreiheit innergemeinschaftlicher Lieferungen bei dem hier zu beurteilenden Sachverhalt erfüllt sind, hatte das Finanzgericht Düsseldorf ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Versagung der Steuerfreiheit für diese Lieferungen durch das Finanzamt, da sämtliche Voraussetzungen des § 6a Abs.1 Nrn. 1 – 3 UStG für die Annahme steuerbefreiter innergemeinschaftlicher Lieferungen vorlagen:
Die Lieferungen erfolgten nachweislich im Wege der Versendung an einen anderen Unternehmer in einem EG-Mitgliedsland, die Lieferungen wurden seitens der Firma „G“ für ihre unternehmerische Betätigung – nämlich zum Weiterverkauf innerhalb Spaniens – bezogen und der Erwerb der gelieferten Gegenstände unterlag auch grundsätzlich der Erwerbsbesteuerung in Spanien.
Aus diesen Gründen dürfte hier der vom BFH in seinem Urteil [2] aufgezeigte Ausnahmefall, dass nämlich trotz Nichterfüllung der – formellen – Nachweispflichten aufgrund der objektiven Sachlage feststeht, dass die Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 UStG vorliegen, einschlägig sein. Deshalb dürfte hier die Steuerbefreiung zu gewähren sein, auch wenn die deutsche Lieferantin die nach § 6a Abs. 3 UStG erforderlichen Nachweise nicht vollständig erbracht hat.
Hiernach dürfte es auf die Frage des Vertrauensschutzes wegen Gutgläubigkeit gar nicht mehr ankommen. Selbst wenn man aber – aufgrund des Fehlens des vollständigen Buchnachweises – unter Berufung auf die inzwischen überholte[3] frühere Rechtsprechung des BFH[4] die Ansicht vertreten wollte, dass die in §§ 17a und 17c UStDV normierten Buch- und Belegnachweispflichten materielle Voraussetzungen für die Befreiung eines Umsatzes als innergemeinschaftliche Lieferung seien, so dürfte selbst dann der in § 6a Abs.4 UStG normierte Vertrauensschutzgedanke die Steuerfreiheit der hier streitigen Umsätze rechtfertigen:
Nach § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG ist eine Lieferung, die der Unternehmer als steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung behandelt hat, obwohl die Voraussetzungen nach § 6a Abs. 1 UStG nicht vorliegen, gleichwohl als steuerfrei anzusehen, wenn die Inanspruchnahme der Steuerbefreiung auf unrichtigen Angaben des Abnehmers beruht und der Unternehmer die Unrichtigkeit dieser Angaben auch bei Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nicht erkennen konnte. Diese Vorschrift dürfte hier – wenn man nicht schon die Voraussetzungen für die Umsatzsteuerbefreiung in diesem Sachverhalt ausnahmsweise auch ohne Aufzeichnung einer gültigen USt.-Id.-Nr. des Lieferungsempfängers als erfüllt betrachtet – einschlägig sein:
Zwar ist nach dem Sachverhalt davon auszugehen, dass die spanische Firma „G“ gegenüber der deutschen Lieferantin zu Beginn der Geschäftsbeziehungen keinerlei unrichtige Angaben bezüglich ihres Unternehmens und der Gültigkeit der ihr erteilten USt.-Id.-Nr. gemacht hat, auf der die Inanspruchnahme der Steuerbefreiung beruhen könnte. Unrichtige Angaben hinsichtlich der Gültigkeit der USt.-Id.-Nr. dürften der Firma „G“ hier aber deshalb vorzuwerfen sein, weil es diese Firma in der Folgezeit nach dem 9.11.2005, nachdem die zunächst erteilte USt.-Id.-Nr. ungültig geworden war, es unterlassen hat, ihre Geschäftspartnerin, die Antragstellerin, auf die Ungültigkeit dieser USt.-Id.-Nr. hinzuweisen. Die fortdauernde weitere Benutzung der mittlerweile ungültigen USt.-Id.-Nr. dürfte insoweit inzident die falsche Angabe der Firma „G“ beinhalten, die verwendete USt.-Id.-Nr. sei weiterhin gültig.
Entsprechend stellt sich die Frage, in welchem Umfang und mit welchem Aufwand die deutsche Lieferantin die ihr von ihrer Abnehmerin mitgeteilten Angaben – in diesem Fall zur Erteilung der USt.-Id.-Nr. – überprüfen musste, um ihrer kaufmännischen Sorgfaltspflicht Genüge zu tun.
Vertritt man, wie offensichtlich in dem entschiedenen Düsseldorfer Fall das Finanzamt, die Ansicht, bei innergemeinschaftlichen Lieferbeziehungen müsse der inländische Unternehmer im Rahmen seiner Sorgfaltspflicht sich vor jeder Lieferung von Neuem über die Gültigkeit der ihm von seinem Geschäftspartner mitgeteilten USt.-Id.-Nr. vergewissern, so spricht für diese Auffassung zwar, dass ein solches stetiges Abfrageerfordernis keinen besonderen zusätzlichen Aufwand erfordern würde, sondern in kürzester Zeit ohne weitere Kosten und Mühe durch Online-Abfrage beim Bundeszentralamtes für Steuern möglich ist.
Auf der anderen Seite ist jedoch auch zu berücksichtigen, dass im hier zu beurteilenden Fall für die deutsche Lieferantin im Hinblick auf die Regelung des § 27a UStG zur Erteilung einer deutschen USt.-Id.-Nr. keinerlei Anlass dafür bestanden haben dürfte, an der Unternehmereigenschaft der Firma „G“ in Spanien und damit an der einzigen hier maßgeblichen Voraussetzung für die Erteilung einer gültigen USt.-Id.-Nr. zu zweifeln. Denn alleine die Umsätze der Firma „G“ aus den Geschäften, welche sie im Streitzeitraum mit der deutschen Lieferantin einerseits und ihren eigenen Abnehmern in Spanien andererseits tätigte, weisen eindeutig auf die Unternehmereigenschaft der Firma „G“ hin. Sollte der Firma „G“ somit die Gültigkeit ihrer USt.-Id.-Nr. tatsächlich aufgrund der Nichterfüllung ihrer steuerlichen Pflichten entzogen worden sein und möglicherweise auch noch rückwirkend – so dürfte ein deutsches Unternehmen mit einer solchen Verwaltungspraxis in Anbetracht der deutschen Vorschrift des § 27a UStG zur Erteilung einer USt.-Id,.-Nr. und in Ansehung von Art. 22 Abs.1 c) Richtlinie 77/388/EWG wohl nicht rechnen müssen.
Hinzu kommt, dass weder aus den Vorschriften des UStG (§ 18e UStG) noch aus der Richtlinie 77/388/EWG dem Unternehmer explizit die Pflicht auferlegt wird, sich vor jedem innergemeinschaftlichen Umsatz über die Gültigkeit der mitgeteilten USt.-Id.-Nr. des Geschäftspartners zu vergewissern. Es wäre insoweit sicherlich aus Sicht der deutschen Exportwirtschaft sinnvoll, in diesem Bereich den Unternehmern seitens der Finanzverwaltung oder des Gesetzgebers klare Vorgaben hinsichtlich des Erfordernisses einer Gültigkeitsabfrage i.S. des § 18e UStG an die Hand zu geben, soweit man eine laufende Abfrage vor jeder einzelnen innergemeinschaftlichen Lieferung für erforderlich erachtet.
Dagegen vertritt das Finanzgericht Düsseldorf in der vorliegenden Entscheidung die Auffassung, dass die deutsche Lieferantin ihre kaufmännische Sorgfaltspflicht bereits durch die zweifache qualifizierte Abfrage der Gültigkeit der ihr mitgeteilten USt.-Id.-Nr. der Firma „G“ zu Beginn der Geschäftsbeziehungen erfüllt hat. Hierdurch hat sie sich zu Beginn der Geschäftsbeziehung darüber vergewissert, dass ihr die spanische Abnehmerfirma zutreffend die ihr erteilte USt.-Id.-Nr. – und nicht z.B. die eines anderen Unternehmens – benannt hat. Hingegen gab es aus Sicht der Antragstellerin in Ansehung des deutschen Umsatzsteuerrechts und der Vorschriften der Richtlinie 77/388/EWG keinerlei Anhaltspunkte, in der Folgezeit an der weiteren Gültigkeit der mitgeteilten USt.-Id.-Nr. zu zweifeln, da das Fortbestehen der Unternehmereigenschaft der Firma „G“ – als grundsätzliche Voraussetzung für die Erteilung einer USt.-Id.-Nr. – schon aufgrund ihrer eigenen Geschäftsbeziehung zu dieser Firma eindeutig ´vorlag. Denn dass eine Firma, die in dem hier entscheidungserheblichen Streitzeitraum Warenein- und –verkäufe in Millionenhöhe tätigt, unternehmerisch handelt, dürfte auf der Hand liegen. Deshalb gab es aus Sicht der Antragstellerin keinerlei Hinweise darauf, dass ihrer spanischen Geschäftspartnerin in dem hier streitigen Zeitraum die einmal erteilte USt.-Id.-Nr. wieder entzogen werden könnte, obwohl sich an deren Unternehmereigenschaft eindeutig nichts geändert hatte.
Anders wäre der Fall möglicherweise zu beurteilen, wenn ein Unternehmer lediglich vereinzelt Lieferumsätze an einen innergemeinschaftlichen Abnehmer erbringen würde, die aus sich heraus nicht – wie hier der Fall – bereits dessen Unternehmereigenschaft implizieren. In diesem – hier nicht einschlägigen – Fall wäre der Steuerpflichtige sicherlich im Rahmen seiner Sorgfaltspflicht gehalten, sich jeweils über die Unternehmereigenschaft seines Geschäftspartners und die fortdauernde Gültigkeit der mitgeteilten USt.-Id.-Nr. zu vergewissern.
Das Finanzgericht Düsseldorf sieht somit die Voraussetzungen für die Annahme steuerbefreiter innergemeinschaftlicher Lieferungen in Anbetracht der oben zitierten BFH-Rechtsprechung als erfüllt an. Selbst wenn man in diesem Fall die jeweilige Aufzeichnung einer gültigen USt.-Id.-Nr. als materielle Voraussetzung für die Steuerbefreiung für erforderlich hielte, dürfte der Antragstellerin die Vertrauensschutzregelung des § 6a Abs.4 UStG zugute kommen.
Finanzgericht Düsseldorf, Beschluss vom 30. Januar 2009 -5 V 3471/08 A(U)