Anerkennung einer ausländischen Entscheidung – und die Aussage der Partei

Die Anerkennung einer ausländischen Entscheidung, die auf einer ausführlichen Beweisaufnahme und Beweiswürdigung beruht, widerspricht nicht deshalb dem ordre public, weil die ausländische Entscheidung auch eine negative Beweisregel berücksichtigt, dass die Aussage einer Partei zu ihren eigenen Gunsten keinen Beweis bilde.

Anerkennung einer ausländischen Entscheidung – und die Aussage der Partei

des Übereinkommens über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 30.10.2007 (Lugano-Übereinkommen, fortan: LugÜ) regelt die Voraussetzungen abschließend, unter denen die Vollstreckbarerklärung eines ausländischen (hier: schweizerischen) Urteils aufgehoben werden kann. Dabei kommt bei der vorliegend angewandten negativen Beweisregel allein der Versagungsgrund nach Art. 34 Nr. 1 LugÜ in Betracht kommt. Danach wird eine Entscheidung nicht anerkannt, wenn die Anerkennung der öffentlichen Ordnung (ordre public) des Staates, in dem sie geltend gemacht wird, offensichtlich widersprechen würde. Die Anforderungen an den ordre public sind geklärt. Eine Anwendung der Vorbehaltsklausel kommt nur in Betracht, wenn die Anerkennung oder Vollstreckung der in einem anderen Vertragsstaat erlassenen Entscheidung gegen einen wesentlichen Rechtsgrundsatz verstieße und deshalb in einem nicht hinnehmbaren Gegensatz zur Rechtsordnung des Vollstreckungsstaates stünde. Damit das Verbot der Nachprüfung der ausländischen Entscheidung auf ihre Gesetzmäßigkeit gewahrt bleibt, muss es sich bei diesem Verstoß um eine offensichtliche Verletzung einer in der Rechtsordnung des Vollstreckungsstaates als wesentlich geltenden Rechtsnorm oder eines dort als grundlegend anerkannten Rechts handeln[1].

Bei der Prüfung des Verfahrens des Urteilsstaates kann deshalb nicht schon dann die Anerkennung versagt werden, wenn die Entscheidung in einem Verfahren erlassen worden ist, das von zwingenden Vorschriften des deutschen Prozessrechts abweicht. Ein Versagungsgrund ist vielmehr nur dann gegeben, wenn die Entscheidung des ausländischen Gerichts aufgrund eines Verfahrens ergangen ist, das sich von den Grundprinzipien des deutschen Verfahrensrechts in einem solchen Maße entfernt, dass nach der deutschen Rechtsordnung das Urteil nicht als in einem geordneten, rechtsstaatlichen Verfahren ergangen angesehen werden kann. Nur dies und nicht die Frage, ob bei gleicher Verfahrensweise der deutsche Richter gegen tragende Grundsätze des deutschen Verfahrensrechts verstoßen hätte, bildet den Maßstab dafür, ob die Entscheidung des ausländischen Gerichts gegen den deutschen verfahrensrechtlichen ordre public international verstoßen hat[2]. Bei der Anwendung des verfahrensrechtlichen ordre public international ist auf die Grundsätze abzustellen, die Art. 103 Abs. 1 GG schützen will. Dies ist einmal das Prinzip der Rechtsstaatlichkeit, das grundsätzlich verbietet, eine Entscheidung zu treffen, bevor der Betroffene Gelegenheit zur Äußerung hatte. Ferner verlangt das Gebot der Achtung der Menschenwürde, dass ein Beteiligter in der Lage sein muss, auf den Verfahrensablauf aktiv Einfluss zu nehmen[3].

Im hier entschiedenen Fall bringt die verurteilte Patientin (Antragsgegnerin) vor, dass § 149 Abs. 3 ZPO/ZH einer Partei das Recht abschneide, ihre Sache durch die eigene Aussage zu präsentieren und sich eine Anhörung als Partei als sinnlos erweise. Dies verletze hinsichtlich der Frage, ob eine hypothetische Einwilligung in eine ärztliche Behandlung vorliege, den Grundsatz der Waffengleichheit. Der Arzt könne seiner Beweislast schon dadurch nachkommen, dass der Patient durch die Anhörung gezwungen sei, Beweis gegen sich selbst abzulegen. Schließlich führe die Anwendung von § 149 Abs. 3 ZPO/ZH auf einzelne Teile der Parteiaussage dazu, dass deren Sinngehalt verzerrt werde. Die beweismäßige Verwertung einer solchen verzerrten Aussage sei willkürlich und habe mit einem fairen Verfahren nichts zu tun. Die Entscheidungen der Schweizer Gerichte beruhten auf dieser Anwendung des § 149 Abs. 3 ZPO/ZH.

Im vorliegenden Fall hat das Bezirksgericht Meilen den Vortrag der Antragsgegnerin zur Kenntnis genommen und in seine Erwägungen einbezogen hat. Soweit es aus der Anwendung von Art. 149 ZPO/ZH keinen Verstoß gegen den ordre public herleitet, enthält diese Würdigung keinen Zulässigkeitsgrund. Diese Vorschrift lautete:

Die Parteien werden auf Antrag oder von Amtes wegen persönlich befragt.

Die Partei wird vor der Befragung unter Androhung disziplinarischer Ahndung zur Wahrheit ermahnt und darauf aufmerksam gemacht, dass sie zur Beweisaussage angehalten werden kann.

Aussagen, welche zugunsten der befragten Partei lauten, bilden keinen Beweis.

Dies zeigt für den Bundesgerichtshof zeigt nicht auf, dass das Bezirksgericht Meilen oder das Obergericht des Kantons Zürich die Beweisaufnahme oder die Beweiswürdigung in einer den ordre public verletzenden Art und Weise vorgenommen haben und dass das Beschwerdegericht bei seiner Würdigung der Schweizer Urteile das Verfahren der Schweizer Gerichte oder die Maßstäbe des ordre public verkannt hätte. Aus den Feststellungen des Beschwerdegerichts und den vorgelegten Entscheidungen der Schweizer Gerichte ergibt sich, dass die Schweizer Gerichte aufgrund einer Gesamtwürdigung zu ihrem Ergebnis gekommen sind und dabei die Anwendung des § 149 ZPO/ZH nur ein Mosaikstein gewesen ist. Bereits aus § 148 ZPO/ZH folgt, dass das Schweizer Gericht die Beweise nach freier Überzeugung zu würdigen hat. Das Bezirksgericht Meilen hat eine ausführliche Beweisaufnahme durchgeführt. In der Sache würdigt das Bezirksgericht die einzelnen Umstände der Beweisaufnahme, insbesondere der eingeholten Gutachten, der Zeugenaussagen und der Parteiangaben und kommt insgesamt zum Schluss, dass damit eine hypothetische Einwilligung bewiesen sei. Das Obergericht des Kantons Zürich hat dies mit seinem Berufungsurteil in vollem Umfang überprüft. Beide Entscheidungen folgen damit offensichtlich dem Grundsatz des § 148 ZPO/ZH. Die Rechtsbeschwerde zeigt weder auf, dass die Antragsgegnerin vor den Schweizer Gerichten keine Gelegenheit zur Äußerung hatte, noch dass sie gehindert gewesen ist, auf den Verfahrensablauf aktiv Einfluss zu nehmen. Vielmehr konnte die Antragsgegnerin ihre Sache durch ihre eigene Aussage darstellen und verteidigen.

Soweit nach Art. 149 Abs. 3 ZPO/ZH eine negative Beweisregel besteht, dass die Aussage einer Partei zu ihren Gunsten keinen Beweis bilde, und diese negative Beweisregel von den Schweizer Gerichten angewendet worden ist, gilt diese Beweisregel für beide Parteien gleichermaßen. Sie hindert eine Partei weder daran, mit ihren Aussagen Einfluss auf den Verfahrensablauf zu nehmen, noch einen Beweis für ihre Behauptungen zu führen. Dass der Beweiswert einer Parteiaussage durch die Beweisregel des Art. 149 Abs. 3 ZPO/ZH geschmälert wird, führt nicht dazu, dass sich das Verfahren vor dem Bezirksgericht von den Grundprinzipien des deutschen Verfahrensrechts in einem solchen Maße entfernt, dass nach der deutschen Rechtsordnung das Urteil nicht als in einem geordneten, rechtsstaatlichen Verfahren ergangen angesehen werden kann.

Bundesgerichtshof, Beschluss vom 6. April 2017 – IX ZB 19/16

  1. vgl. BGH, Beschluss vom 10.09.2015 – IX ZB 39/13, ZIP 2015, 2142 Rn. 11 mwN; Urteil vom 10.09.2015 – IX ZR 304/13, WM 2015, 2248 Rn. 10 mwN zu Art. 26 EuInsVO[]
  2. BGH, Beschluss vom 10.09.2015, aaO Rn. 12 mwN[]
  3. BGH, Beschluss vom 10.09.2015, aaO Rn. 13 mwN; vgl. auch BGH, Beschluss vom 20.05.2010 – IX ZB 121/07, WM 2010, 1522 Rn. 5 f[]