Aufrechnung im UN-Kaufrecht

Das UN-Kaufrecht regelt die Aufrechnung zwar als solche nicht regelt, ihm sind insoweit aber bestimmte allgemeine Grundsätze über die wechselseitige Verrechnung konventionsinterner Forderungen immanent (Art. 7 Abs. 2 CISG).

Aufrechnung im UN-Kaufrecht

Soweit sich vorliegend Forderungen aus demselben Lieferverhältnis verrechenbar gegenüberstehen, gelten diese Grundsätze gemäß Art. 4 Satz 1 CISG unmittelbar. Soweit die gegen den einzelnen Kaufpreisanspruch jeweils zur Aufrechnung gestellten Gegenforderungen auf einem der weiteren vier Lieferverhältnisse beruhen (gestaffelte Aufrechnung), kommen diese Grundsätze hier gemäß Art. 32 Abs. 1 Nr. 4, Art. 27 Abs. 1 EGBGB (vgl. Art. 1 Nr. 4 des Gesetzes zur Anpassung der Vorschriften des internationalen Privatrechts an die Verordnung [EG] Nr. 593/2008 vom 25.06.2009 [BGBl. I, S. 1574]) zur Anwendung, weil sich die Parteien insoweit konkludent auf deren Anwendbarkeit geeinigt haben.

Die Aufrechnung unterläge zwar nach der – hier noch anwendbaren – Vorschrift des Art. 32 Abs. 1 Nr. 4 EGBGB grundsätzlich der für die Hauptforderung maßgeblichen Rechtsordnung, hier also dem unvereinheitlichten ungarischen Recht (Art. 28 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 EGBGB aF). Dieses Vertragsstatut der Hauptforderung entschiede deshalb an sich auch über die Voraussetzungen, das Zustandekommen und die Wirkungen der Aufrechnung[1]. Etwas anderes gilt jedoch, soweit – wie hier – das UN-Kaufrecht eine eigenständige und damit gemäß Art. 3 Abs. 2 EGBGB aF vorrangige Aufrechnungsregelung trifft oder soweit die Parteien wirksam ein abweichendes Aufrechnungsstatut vereinbart haben (Art. 27 Abs. 1 EGBGB).

Zum Verhältnis von Einheitsrecht und unvereinheitlichtem Recht hat der Bundesgerichtshof in diesem Zusammenhang bislang lediglich ausgesprochen, dass das UN-Kaufrecht jedenfalls nicht die Aufrechenbarkeit solcher Ansprüche regelt, die sich nicht ausschließlich aus einem ihm unterliegenden Vertragsverhältnis ergeben (sogenannte Aufrechnung mit konventionsfremden Forderungen)[2]. Hingegen ist die sich hier stellende Frage, ob die Aufrechnung dann den Regeln des UN-Kaufrechts unterworfen ist, wenn sich ausschließlich Ansprüche aus Vertragsverhältnissen gegenüberstehen, die dem Übereinkommen der Vereinten Nationen über Verträge über den internationalen Warenkauf originär unterliegen (Aufrechnung mit konventionsinternen Forderungen), höchstrichterlich noch nicht geklärt. Die Meinungen in der Instanzrechtsprechung und im Schrifttum sind hierzu geteilt.

Überwiegend wird – mangels ausdrücklicher Regelung im UN-Kaufrecht – auch in diesem Fall auf das nach dem Internationalen Privatrecht des Forumstaats anwendbare unvereinheitlichte (nationale) Aufrechnungsstatut abgestellt[3]. Nach anderer Ansicht soll die Aufrechnung stets nach in der Konvention angelegten Maßstäben zu beurteilen sein, wenn sich (Geld)Forderungen gegenüberstehen, die sämtlich auf dem UN-Kaufrecht beruhen, und zwar unabhängig davon, ob sie aus demselben oder unterschiedlichen Vertragsverhältnissen stammen[4]. Andere Stimmen ziehen das UN-Kaufrecht nur für die Aufrechnung von (Geld) Forderungen aus demselben Vertragsverhältnis heran, während sich die Aufrechnung im Übrigen nach dem jeweils anwendbaren unvereinheitlichten (nationalen) Recht beurteilen soll[5].

Der Bundesgerichtshof gibt der zuletzt genannten Auffassung den Vorzug. Das UN-Kaufrecht trifft zwar keine ausdrückliche Regelung über die Aufrechnung und ist auch in seinem sachlichen Geltungsbereich eingeschränkt. Es regelt ausschließlich den Abschluss des Kaufvertrages und die aus ihm erwachsenden Rechte und Pflichten des Verkäufers und des Käufers (Art. 4 Satz 1 CISG). Jedoch sieht Art. 7 Abs. 2 CISG vor, dass Fragen, die vom UN-Kaufrecht erfasste Gegenstände betreffen, aber nicht ausdrücklich im Übereinkommen geregelt sind, vorrangig nach den dem Übereinkommen zugrunde liegenden allgemeinen Grundsätzen und erst in zweiter Linie nach dem Recht zu beurteilen sind, das nach den Regeln des internationalen Rechts anzuwenden ist.

Ein solcher dem UN-Kaufrecht immanenter allgemeiner Grundsatz lässt sich aus einer Zusammenschau des den Regelungen in Art. 88 Abs. 3, Art. 84 Abs. 2 CISG zugrunde liegenden Rechtsgedankens und dem – unter anderem – in Art. 58 Abs. 1 Satz 2, Art. 81 Abs. 2 CISG verankerten Zugum-Zug-Grundsatz ableiten[6]. Darin kommt zum Ausdruck, dass das UN-Kaufrecht das Schicksal gegenseitiger, aus demselben Vertragsverhältnis (Art. 4 Satz 1 CISG) stammender Ansprüche eng miteinander verknüpft und – als Konsequenz dieser Verflechtung – eine Verrechnung solcher Ansprüche erlaubt, sofern sie ausschließlich dem CISG unterliegen und auf Geldzahlung gerichtet sind[7].

Das Erlöschen gegenseitiger Geldforderungen aus einem einheitlichen Kaufvertrag infolge einer Verrechnung ist etwa in Art. 88 Abs. 3 CISG ausdrücklich vorgesehen. Auch im Falle des Art. 84 Abs. 2 CISG wird eine Verrechnung des zurückzuzahlenden Kaufpreises mit den auszukehrenden Gebrauchsvorteilen ohne Weiteres zugelassen[8]. In diesen Vorschriften kommt – wenn auch auf bestimmte Fallgestaltungen zugeschnitten – zum Ausdruck, dass im UN-Kaufrecht anstelle der Begleichung von gegenseitigen, aus demselben Vertrag (Art. 4 Satz 1 CISG) entspringenden Geldforderungen eine geltend zu machende Verrechnung möglich ist.

Einer konventionsinternen Aufrechnung steht in den genannten Fällen auch nicht entgegen, dass deren Voraussetzungen nicht hinreichend bestimmbar wären[9]. Insbesondere kann nicht zweifelhaft sein, dass die Aufrechnung – ausdrücklich oder konkludent – zu erklären ist[10]. Dies lässt sich daraus ableiten, dass das UN-Kaufrecht an mehreren Stellen verallgemeinerungsfähig zum Ausdruck bringt, dass der Anspruchsgegner seinen Gegenanspruch geltend macht (vgl. Art. 81 Abs. 2, Art. 84 Abs. 2 CISG; siehe auch Art. 88 Abs. 3 CISG; zum Ganzen Staudinger/Magnus, aaO; Schlechtriem/Schwenzer/Fountoulakis, aaO). Weiter lässt sich den die Grundsätze des UN-Kaufrechts prägenden Vorschriften entnehmen, dass eine Aufrechnung nur bei gegenseitigen (vgl. Art. 4 Abs. 1 CISG) Geldforderungen in Betracht kommt; bei nicht gleichartigen Ansprüchen sieht auch das UN-Kaufrecht nur ein Zurückbehaltungsrecht vor (vgl. Art. 58 Abs. 2, 3, Art. 71 CISG).

Folge der Aufrechnung nach konventionsautonomen Grundsätzen ist, dass die sich gegenüberstehenden, gegenseitigen Geldforderungen – sofern keine Aufrechnungsausschlüsse vereinbart worden sind – durch Verrechnung erlöschen, soweit sie betragsmäßig übereinstimmen und die Aufrechnung erklärt worden ist[11].

Die dargestellten Grundsätze gelten allerdings nur für eine Aufrechnung von Ansprüchen innerhalb eines einheitlichen Vertragsverhältnisses. Eine Aufrechnung von Ansprüchen aus unterschiedlichen, sämtlich dem UN-Kaufrecht unterliegenden Verträgen wird dagegen von den Regelungen des UN-Kaufrechts nicht erfasst. Regelungsmaterie des UN-Kaufrechts ist der jeweilige Kaufvertrag (Art. 4 Satz 1 CISG); auf allgemeine Konventionsgrundsätze kann gemäß Art. 7 Abs. 2 CISG nur zurückgegriffen werden, soweit der Anwendungsbereich des Übereinkommens reicht. Dies ist nicht der Fall, wenn die zur Aufrechnung gestellte Gegenforderung aus anderen UN-Kaufverträgen resultiert als die geltend gemachte Hauptforderung. Etwas anderes hat lediglich dann zu gelten, wenn die Parteien – was nach Art. 27 EGBGB aF möglich ist – vereinbaren, auch bei einer solchen Fallgestaltung die Aufrechnung den Grundsätzen des UN-Kaufrechts zu unterstellen[12].

Gemessen an diesen Grundsätzen ist die von der Beklagten erklärte Aufrechnung nach den konventionsinternen Maßstäben des UN-Kaufrechts und nicht nach dem kollisionsrechtlich anwendbaren unvereinheitlichten nationalen Recht zu beurteilen. Die Verkäuferin macht vorliegend eine Gesamtkaufpreisforderung (Art. 53 CISG) geltend, die sich aus Kaufpreisansprüchen aus mehreren Lieferverhältnissen zusammensetzt. Hiergegen rechnet die Käuferin mit – ebenfalls diesen einzelnen Lieferverhältnissen entspringenden – Schadensersatzansprüchen (Art. 45 Abs. 1 Buchst. b, Abs. 2, Art. 74 CISG) auf. Die jeweilige Kaufpreisforderung und die (primär) hiergegen jeweils geltend gemachte Gegenforderung resultieren also aus demselben Vertragsverhältnis.

Dies ist allerdings insoweit nicht (mehr) der Fall, als die auf die einzelnen Lieferverhältnisse gestützten Gegenforderungen der Käuferin die jeweiligen Kaufpreisanteile übersteigen und die Käuferin – entsprechend der von ihr aufgestellten Aufrechnungsreihenfolge – mit dem überschießenden Teil der jeweiligen Gegenforderung gegen Kaufpreisanteile aus den weiteren Lieferverhältnissen aufrechnet (gestafftelte Aufrechnung). Dennoch ist die Aufrechnung im Streitfall auch diesbezüglich einheitlich nach den Verrechnungsmaßstäben der Konvention zu beurteilen und nicht insoweit teilweise dem unvereinheitlichten ungarischen Aufrechnungsstatut unterworfen, als nach einer Verrechnung in den jeweiligen Vertragsverhältnissen noch beiderseitige Restzahlungsansprüche aus unterschiedlichen Vertragsverhältnissen verbleiben. Denn die Parteien haben durch ihr Verhalten im Prozess (konkludent; vgl. Art. 11 Abs. 1, 2 EG-BGB aF) zum Ausdruck gebracht, dass sie die einzelnen Lieferverträge als einheitliches dem UN-Kaufrecht unterworfenes (Gesamt)Rechtsverhältnis bewertet wissen wollen. Die Klägerin hat sämtliche Kaufpreisforderungen aus den einzelnen Lieferungen im vorliegenden Prozess zu einer einheitlichen Forderung zusammengefasst, und die Beklagte hat hiergegen mit sämtlichen aus diesen Lieferverträgen geltend gemachten Schadensersatzforderungen (sowie hinsichtlich des Vertrages mit der Nr. 40686 wegen angeblich vereinbarter Kaufpreisherabsetzung) die Aufrechnung erklärt. Infolge dieser nachträglichen (konkludenten) Vereinbarung stellt sich die Sach- und Rechtslage letztlich nicht anders dar, als hätten die Parteien von vornherein einen einheitlichen Vertrag über sämtliche Werkzeuglieferungen abgeschlossen.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 24. September 2014 – VIII ZR 394/12

  1. vgl. BGH, Urteil vom 23.06.2010 – VIII ZR 135/08, WM 2010, 1712 Rn. 24 mwN[]
  2. BGH, Urteile vom 23.06.2010 – VIII ZR 135/08, aaO; vom 14.05.2014 – VIII ZR 266/13, WM 2014, 1509 Rn. 18; ebenso österreichischer OGH, IHR 2002, 24, 27; schweizerisches Bundesgericht, IHR 2004, 252, 253[]
  3. OLG Koblenz, RIW 1993, 934, 937; OLG Düsseldorf, NJW-RR 1997, 822, 823; LG Mönchengladbach, IHR 2003, 229 230; Schlechtriem/Schwenzer/Ferrari, aaO Art. 4 Rn. 39; Saenger in Ferrari/Kieninger/Mankowski, aaO, Art. 4 Rn.20; Soergel/Lüderitz/Fenge, aaO, Art. 4 Rn. 10; Saenger/Sauthoff, IHR 2005, 189, 191; Piltz, NJW 2000, 553, 556; ähnlich Münch-KommHGB/Benicke, aaO, Art. 4 CISG Rn. 15[]
  4. Staudinger/Magnus, aaO, Art. 4 Rn. 47; MünchKomm-BGB/Westermann, aaO, Art. 4 CISG Rn. 12[]
  5. OLG Hamburg, IHR 2001, 19, 22; AG Duisburg-Hamborn, IHR 2001, 114, 115; Schlechtriem/Schwenzer/Fountoulakis, aaO, Art. 81 Rn. 21 f. mwN; Djordjevic in Kröll/Mistelis/Viscasillas, UN-Convention on the International Sales of Goods, 2011, Art. 4 Rn. 40 f. mwN; Honsell/Siehr, aaO, Art. 4 Rn. 24 f.; ähnlich OLG Karlsruhe, IHR 2004, 246, 251; schweizerisches Bundesgericht, CISGonline Nr. 1426[]
  6. Schlechtriem/Schwenzer/Fountoulakis, aaO; Münch-KommBGB/Westermann, aaO; Staudinger/Magnus, aaO, Art. 4 Rn. 47; Art. 81 Rn. 15[]
  7. Schlechtriem/Schwenzer/Fountoulakis, aaO; MünchKomm-BGB/Westermann, aaO; vgl. auch – wenn auch mit weitergehenden Schlussfolgerungen – Staudinger/Magnus, aaO, Art. 4 Rn. 47[]
  8. Schlechtriem/Schwenzer/Fountoulakis, aaO, Art. 84 Rn. 9 mwN; Schlechtriem/Schwenzer/Ferrari, aaO, Art. 4 Rn. 39; Staudinger/Magnus, aaO; MünchKomm-HGB/Benicke, aaO[]
  9. so aber Schlechtriem/Schwenzer/Ferrari, aaO[]
  10. so auch Staudinger/Magnus, aaO; Schlechtriem/Schwenzer/Fountoulakis, aaO[]
  11. Staudinger/Magnus, aaO; Schlechtriem/Schwenzer/Fountoulakis, aaO[]
  12. Schlechtriem/Schwenzer/Fountoulakis, aaO Rn. 22[]