Ausfuhr ohne die erforderliche, aber zu erteilende Genehmigung

Hat der Täter in Teil I Abschnitt A der Ausfuhrliste (Anlage AL zur Außenwirtschaftsverordnung) genannte Güter ohne die erforderliche Genehmigung ausgeführt, hätte diese indes erteilt werden müssen, so ist nicht der gesamte für die Güter eingenommene Kaufpreis das im Sinne des § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB aus der Tat Erlangte; vielmehr sind dies nur die durch das Unterbleiben des Genehmigungsverfahrens ersparten Aufwendungen.

Ausfuhr ohne die erforderliche, aber zu erteilende Genehmigung

§ 73 Abs. 1 StGB setzt für die Anordnung des Verfalls eine rechtswidrig begangene Tat voraus. Im Gegensatz zur Einziehung nach § 74 Abs. 1 StGB enthält die Norm keine Beschränkung auf vorsätzlich begangene Delikte. Die Anordnung des Verfalls kommt somit auch bei der Verwirklichung eines Fahrlässigkeitstatbestands in Betracht[1] 358/96, NStZ 1997, 554, 556)).

Die Frage, nach welchen Kriterien die Bestimmung des Erlangten im Sinne des § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB bei Straftaten vorzunehmen ist, die wie hier wesentlich dadurch geprägt werden, dass ein formeller Verstoß gegen einen Genehmigungsvorbehalt sanktioniert wird, die erforderliche Genehmigung indessen bei entsprechender Antragstellung hätte erteilt werden müssen, ist in der höchstrichterlichen Rechtsprechung bisher nicht entschieden[2]. Hierzu gilt:

Nach § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB unterliegt dem Verfall, was der Täter für die Tat oder aus der Tat erlangt hat. Maßgeblich ist deshalb die Bestimmung des wirtschaftlichen Wertes des Vorteils, den der Täter für oder durch die Tat erzielt hat[3]. Das erlangte Etwas im Sinne des § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB umfasst dabei die Gesamtheit des für oder aus der Tat materiell Erlangten. Nach dem gesetzlichen Bruttoprinzip sind wirtschaftliche Werte, die in irgendeiner Phase des Tatablaufs unmittelbar erlangt wurden, in ihrer Gesamtheit abzuschöpfen; Gegenleistungen oder Kosten des Täters bei der Tatdurchführung sind nicht in Abzug zu bringen[4].

Die Alternative „für die Tat erlangt“ scheidet hier aus; denn „für die Tat erlangt“ sind Vorteile nur dann, wenn sie dem Beteiligten als Gegenleistung für sein rechtswidriges Handeln gewährt werden, aber – wie etwa ein Lohn für die Tatbegehung oder eine Provision – nicht auf der Tatbestandsverwirklichung selbst beruhen[5]. Eine derartige Gegenleistung erhielt die Nebenbeteiligte vorliegend nicht. Die Abnehmer der Waffen leisteten ihr weder gesonderte Zahlungen noch erhöhte Kaufpreise dafür, dass sie – etwa zur Geheimhaltung der Geschäfte – keine Genehmigungen für die einzelnen Ausfuhren einholte.

In Betracht kommt deshalb lediglich die Alternative „aus der Tat erlangt“. Unter diese Tatbestandsvariante fallen alle Vermögenswerte, die dem Täter oder Teilnehmer unmittelbar aus der Verwirklichung des Tatbestands zufließen.

Bereits der Wortlaut des § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB belegt indes, dass nicht alles, was der Tatbeteiligte oder Dritte (§ 73 Abs. 3 StGB) in irgendeinem beliebigen Zusammenhang mit der Verwirklichung der rechtswidrigen Tat erlangt hat, dem Verfall unterliegt, sondern nur derjenige Vermögenszuwachs, den er gerade – gleichsam spiegelbildlich – aus der Tat erzielt hat[6]. Es werden daher nur solche Vorteile erfasst, die der Tatteilnehmer oder Dritte nach dem Schutzzweck der Strafnorm nicht erlangen und behalten dürfen soll, weil sie von der Rechtsordnung – einschließlich der verletzten Strafvorschrift – als Ergebnis einer rechtswidrigen Vermögensverschiebung bewertet werden[7].

Gleiches folgt aus Sinn und Zweck des Verfalls. Dieser verfolgt selbst keinen Strafzweck, sondern dient als öffentlichrechtliche Maßnahme eigener Art der Abschöpfung des unrechtmäßig aus der Tat Erlangten und damit dem Ausgleich einer rechtswidrigen Vermögensverschiebung. Er stellt sich als Abschöpfung des illegitimen Vermögensvorteils dar, der als Entgelt für die Tat oder als Erlös aus ihr in das Vermögen eines an der Straftat Beteiligten oder durch dessen Handeln unmittelbar in das Vermögen eines tatunbeteiligten Dritten (§ 73 Abs. 3 StGB) gelangt ist. Dadurch soll dem Tatbeteiligten, aber auch der Allgemeinheit, vor Augen geführt werden, dass sich Verletzungen der Strafrechtsordnung über die eigentliche Ahndung der Tat durch eine entsprechende Sanktion hinaus auch finanziell nicht auszahlen. Auf diese Weise bezweckt der Verfall auf vermögensrechtlichem Gebiet auch die Wiederherstellung der verletzten Rechtsordnung. Dieser Normzweck gilt ebenfalls für die Anordnung des Verfalls gegen einen Drittbegünstigten nach § 73 Abs. 3 StGB[8].

Der dem Verfall unterliegende Vorteil ist deshalb danach zu bestimmen, was letztlich strafbewehrt ist. Hat sich der Tatbeteiligte im Zusammenhang mit einer wirtschaftlichen Tätigkeit – insbesondere dem Abschluss oder der Erfüllung eines Vertrages – strafbar gemacht, so ist demgemäß bei der Bestimmung dessen, was er aus der Tat erlangt hat, in den Blick zu nehmen, welchen geschäftlichen Vorgang die Vorschrift nach ihrem Zweck verhindern will; nur der aus diesem Vorgang gezogene Vorteil ist dem Täter im Sinne des § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB erwachsen. Soweit das Geschäft bzw. seine Abwicklung an sich verboten und strafbewehrt ist, unterliegt danach grundsätzlich der gesamte hieraus erlangte Erlös dem Verfall. Ist dagegen strafrechtlich nur die Art und Weise bemakelt, in der das Geschäft ausgeführt wird, so ist nur der hierauf entfallende Sondervorteil erlangt[9].

Diese Grundsätze gelten auch in den Fällen, in denen das geschäftliche Tätigwerden des Tatbeteiligten einem Genehmigungsvorbehalt unterliegt, den dieser in strafbarer Weise umgeht. Erreicht er hierdurch, dass er ein – gegebenenfalls auch nur nach dem Ermessen der Genehmigungsbehörde – nicht genehmigungsfähiges Geschäft abschließen und/oder erfüllen sowie daraus entsprechende Vermögenszuwächse erzielen kann, so sind diese in vollem Umfang erlangt im Sinne des § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB und unterliegen daher grundsätzlich uneingeschränkt dem Verfall. Hatte er dagegen einen Anspruch auf die Genehmigung, so bemakelt die Rechtsordnung nicht den Abschluss oder die Erfüllung des Vertrages; vielmehr soll durch die Strafbewehrung allein die Umgehung der Kontrollbefugnis der Genehmigungsbehörde sanktioniert werden. Erlangt ist somit nur der durch die Nichtdurchführung des Genehmigungsverfahrens erwachsene (Sonder-)Vorteil.

Dem steht das im Rahmen des § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB geltende Bruttoprinzip nicht entgegen. Dieses besagt lediglich, dass der erlangte wirtschaftliche Wert „brutto“, also ohne gewinnmindernde Abzüge anzusetzen ist. Im vorliegenden Fall geht es indessen nicht um die Anrechnung gewinnmindernder Abzüge, sondern um die Bestimmung des unmittelbar aus der Tat Erlangten unter Beachtung insbesondere von Wortlaut sowie Sinn und Zweck des § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB. Die dem Verfall unterliegenden Aufwendungen, welche die Nebenbeteiligte dadurch ersparte, dass sie die erforderlichen Genehmigungen nicht einholte, entsprechen nicht dem Bruttoerlös aus den getätigten Veräußerungsgeschäften abzüglich dabei entstandener Kosten; sie sind vielmehr qualitativ etwas anderes. Insoweit ist das Bruttoprinzip nicht beeinträchtigt; denn die Bestimmung des für die Abschöpfung überhaupt in Betracht kommenden Vorteils ist der Bestimmung seines Umfangs logisch vorgelagert[10].

Nach diesen Maßstäben ist in den Fällen, in denen wie hier die Verfallsanordnung auf einer Straftat nach § 34 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AWG beruht und die erforderliche Genehmigung durch das BAFA hätte erteilt werden müssen, auch unter Beachtung des Schutzzwecks der Strafvorschrift als dem Unwertgehalt der Tat entsprechender Sondervorteil lediglich die Ersparnis derjenigen Aufwendungen anzusehen, die für die Erteilung der Genehmigung hätten erbracht werden müssen. § 34 Abs. 1 Satz 1 AWG stellt das Ausführen (§ 4 Abs. 2 Nr. 4 AWG) oder Verbringen (§ 4 Abs. 2 Nr. 5 AWG) bestimmter Güter ohne Genehmigung unter Strafe. Die Vorschrift hat vor allem den Schutz des Allgemeinwohls im Blick, indem sie mit ihrer Strafdrohung den Genehmigungsvorbehalt im Außenwirtschaftsverkehr sicherstellt, mit dessen Hilfe der Staat den nach § 1 Abs. 1 Satz 1 AWG grundsätzlich freien Wirtschaftsverkehr mit dem Ausland aus übergeordneten Interessen des Gemeinwohls beschränken kann[11]. Der grundsätzlich freie Export ist nur insoweit genehmigungspflichtig, als er wegen überwiegender gesamtwirtschaftlicher Belange im Interesse der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland, ihrer auswärtigen Beziehungen und des friedlichen Zusammenlebens der Völker oder im Hinblick auf zwischenstaatliche Vereinbarungen der Kontrolle bedarf[12]. Danach handelt es sich bei einem Verstoß gegen § 34 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AWG, wenn die erforderliche Genehmigung vom BAFA zu erteilen gewesen wäre, nicht um eine primär gewinnorientierte Straftat, wie sie der Gesetzgeber im Rahmen der Regelung des § 73 StGB vor allem erfassen wollte[13]. Auch unter präventiven Gesichtspunkten ist die Abschöpfung des Verkaufserlöses folglich bei einem Verstoß gegen § 34 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AWG nicht angezeigt, wenn die Ausfuhr hätte genehmigt werden müssen; denn der Kern des strafbewehrten Tatunrechts liegt bei diesem rein formalen Verstoß gegen den Genehmigungsvorbehalt lediglich darin, dass die Angeklagte vor der Ausfuhr der Waren nicht die erforderliche Genehmigung eingeholt hat. Der Umstand, dass diese Genehmigung vom BAFA jeweils auf Antrag hätte erteilt werden müssen, belegt, dass der Abschluss der Veräußerungsgeschäfte sowie deren Erfüllung und die damit verbundene Ausfuhr aus dem Gemeinschaftsgebiet als solche den Prinzipien der Rechtsordnung gerade nicht widersprachen. Somit entfällt die Notwendigkeit, durch die Anordnung des Verfalls des gesamten Verkaufserlöses der verletzten Rechtsordnung wieder Geltung zu verschaffen. In diesem Punkt unterscheiden sich die Fälle der vorliegenden Art wesentlich von solchen, in denen gerade das Veräußerungsgeschäft als solches oder dessen Erfüllung den wesentlichen Gehalt des Tatunrechts bilden. Die Abschöpfung des gesamten Verkaufserlöses entspräche hier nicht spiegelbildlich dem bemakelten Vermögensvorteil, den der Täter oder Drittbeteiligte gerade aus der Tat gezogen hat.

Somit ist der Umstand, dass die Ausfuhren jeweils vom BAFA hätten genehmigt werden müssen, nicht erst bei der Prüfung von Belang, ob die Verfallsanordnung für den Betroffenen eine unbillige Härte nach § 73c Abs. 1 Satz 1 StGB darstellt[14]. Damit wird schließlich auch dem Gesichtspunkt der Gleichmäßigkeit der Rechtsanwendung besser Genüge getan. Während der im Rahmen des § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB in Fällen der vorliegenden Art abzuschöpfende Sondervorteil regelmäßig berechenbar ist und das Erlangte daher beziffert werden kann, ist für den unbestimmten Rechtsbegriff der unbilligen Härte nach § 73c Abs. 1 Satz 1 StGB nach ständiger Rechtsprechung maßgebend, ob die Anordnung den Betroffenen empfindlich treffen und Grundsätze der Billigkeit sowie das Übermaßverbot verletzen und damit „schlechthin ungerecht“ erscheinen würde[15].

Bundesgerichtshof, Urteil vom 19. Januar 2012 – 3 StR 343 /11

  1. vgl. LK/Schmidt, StGB, 12. Aufl., § 73 Rn. 15; S/SEser, StGB, 28. Aufl., § 73 Rn. 4; zum Ordnungswidrigkeitenrecht vgl. BayObLG, Beschluss vom 27.04.2000 – 3 ObOWi 16/2000, wistra 2000, 395, 396; OLG Celle, Beschluss vom 16.05.1997 – 2 Ss ((OWi[]
  2. zur uneinheitlichen Rechtsprechung der Instanzgerichte vgl. etwa OLG Celle, Beschluss vom 30.08.2011 – 322 SsBs 175/11, DAR 2011, 642; OLG Koblenz, Beschluss vom 28.09.2006 – 1 Ss 247/06, ZfSch 2007, 108[]
  3. BGH, Urteile vom 21.03.2002 – 5 StR 138/01, BGHSt 47, 260, 268; vom 19.11.1993 – 2 StR 468/93, BGHR StGB § 73 Erlangtes 1[]
  4. BGH, Urteile vom 21.08.2002 – 1 StR 115/02, BGHSt 47, 369, 370; vom 16.05.2006 – 1 StR 46/06, BGHSt 51, 65, 66 f.; vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 07.07.2006 – 2 BvR 527/06, juris Rn. 4[]
  5. BGH, Urteile vom 02.12.2005 – 5 StR 119/05, BGHSt 50, 299, 309 f.; vom 22.10.2002 – 1 StR 169/02, BGHR StGB § 73 Erlangtes 4[]
  6. vgl. Kudlich/Noltensmeier, wistra 2007, 121, 124[]
  7. SK-StGB/Wolters/Horn, StGB, 110. Lfg., § 73 Rn. 9 [Stand: September 2007][]
  8. vgl. BGH, Urteile vom 28.10.2010 – 4 StR 215/10, NJW 2011, 624, 626; vom 21.08.2002 – 1 StR 115/02, BGHSt 47, 369, 373 f.; LK/Schmidt, StGB, 12. Aufl., § 73 Rn. 8[]
  9. BGH, Beschluss vom 27.01.2010 – 5 StR 224/09, NJW 2010, 882, 884 mwN[]
  10. vgl. auch BGH, Beschluss vom 27.01.2010 – 5 StR 224/09, NJW 2010, 882, 884; Urteil vom 21.03.2002 – 5 StR 138/01, BGHSt 47, 260, 269[]
  11. Erbs/Kohlhaas/Diemer, Strafrechtliche Nebengesetze, § 1 Rn. 1, § 34 Rn. 4 [Stand: Januar 2009][]
  12. BGH, Urteil vom 14.12.1994 – 5 StR 210/94, BGHSt 40, 378, 384[]
  13. BGH, Urteil vom 21.08.2002 – 1 StR 115/02, BGHSt 47, 369, 373 f., 375[]
  14. aA MünchKomm-StGB/Joecks, § 73c Rn. 12; Franzheim, wistra 1989, 87, 90[]
  15. BGH, Urteil vom 02.10.2008 – 4 StR 153/08, BGHR StGB § 73c Härte 13[]