Deutsch-schweizerische Rheinkraftwerke – und das Aargauer Abkommen

Nach § 4 i.V. mit § 7 Abs. 2 des Aargauer Abkommens gelten für die Steuern von den Einkünften (Einkommen, Gewerbeertrag, Erwerb) folgende Grundsätze:

Deutsch-schweizerische Rheinkraftwerke – und das Aargauer Abkommen

Nach § 7 Abs. 2 des Aargauer Abkommens ist für die Ermittlung der (Gesamt-)Einkünfte der Kraftwerksbetreiberin in jedem der beiden Staaten die eigene Gesetzgebung maßgebend.

Bei der Ermittlung des auf den jeweiligen Vertragsstaat entfallenden Anteils wird zunächst gemäß § 4 Ziff. 1 des Aargauer Abkommens der Ertrag von Beteiligungen an Unternehmungen dem Sitzstaat zugewiesen. Im Streitfall findet diese Bestimmung keine Anwendung, da die Kraftwerksbetreiberin nicht an Unternehmungen beteiligt ist.

Sodann sind nach § 4 Ziff. 2 des Aargauer Abkommens 15 v.H. der Einkünfte der ausschließlichen Besteuerung in dem Staat zu überlassen, in dem sich der Sitz des Rheinkraftwerks befindet (sog. Vorausanteil für den Sitzstaat).

Im Übrigen werden nach § 4 Ziff. 3 des Aargauer Abkommens in jedem der beiden Staaten Steuern nur von dem Teil der Einkünfte erhoben, der nach dem in § 3 Ziff. 5 des Aargauer Abkommens für die Teilung der gemeinschaftlichen Vermögensgegenstände festgestellten Verhältnis auf jeden der beiden Staaten entfällt.

Die in der Praxis angewandte Berechnungsmethode des der deutschen Besteuerung unterliegenden Teils des Gesamtgewinns der Kraftwerksbetreiberin ermittelt dementsprechend zunächst den Verteilerschlüssel nach § 3 Ziff. 5 des Abkommens auf Grundlage der Gestehungswerte des Anlagevermögens (§ 7 Abs. 3 des Aargauer Abkommens), also das Verhältnis der Gestehungskosten der in Deutschland gelegenen Betriebsanlagen zu den Gestehungskosten der Gesamtbetriebsanlagen. Anschließend werden die nach deutschem Steuerrecht vorzunehmenden Korrekturen des nach Maßgabe des Schweizer Rechts ermittelten (Gesamt-)Reingewinns der Kraftwerksbetreiberin laut Handelsbilanz vorgenommen. Dabei handelt es sich um Korrekturen aufgrund von Feststellungen der Betriebsprüfung (Nachaktivierungen) und die Hinzurechnung von nach deutschem Recht nichtabzugsfähigen Betriebsausgaben. Hierzu rechnet die Kraftwerksbetreiberin auch Schweizer Steuern auf den Ertrag. Von der sich danach ergebenden „Zwischensumme vor Anwendung Aargauer Abkommens“ (d.h. des [Gesamt]Einkommens der Kraftwerksbetreiberin i.S. von § 8 Abs. 1 Satz 1 KStG) wird nach Abzug des Voraus in Höhe von 15 v.H. gemäß § 4 Ziff. 2 des Aargauer Abkommens (Zwischensumme vor Verteilerschlüssel) der auf Deutschland entfallende Anteil des Gewinns anhand des zuvor berechneten Verteilerschlüssels (§ 3 Ziff. 5 Aargauer Abkommen) ermittelt. Wegen der Einzelheiten wird auf die den Körperschaftsteuererklärungen für die Veranlagungszeiträume 2002 ff. jeweils beiliegenden Berechnungen Bezug genommen.

Für die Ermittlung des Gewerbeertrags i. S. von § 7 Abs. 1 Satz 1 GewStG werden auf das (Gesamt-)Einkommen i.S. von § 8 Abs. 1 KStG die nach § 8 Nr. 1a bis f GewStG vorzunehmenden Hinzurechnungen vorgenommen. Auf den sich danach ergebenden „Gewerbeertrag vor Kürzungen und Verteiler“ wird der nach Abzug des Voraus in Höhe von 15 v.H. gemäß § 4 Ziff. 2 des Aargauer Abkommens (Zwischensumme vor Verteilerschlüssel) der auf Deutschland entfallende Anteil des Gewerbeertrags anhand des zuvor berechneten Verteilerschlüssels (§ 3 Ziff. 5 Aargauer Abkommen) ermittelt. Wegen der Einzelheiten wird auf die den Gewerbesteuererklärungen für die Veranlagungszeiträume 2002 ff. jeweils beiliegenden Berechnungen Bezug genommen.

Entsprechend wird bei der Berechnung des in der Schweiz zu versteuernden (anteiligen) Reingewinns bzw. des anteiligen Eigenkapitals verfahren. Insoweit geht die Kraftwerksbetreiberin von dem nach Maßgabe des Schweizer Rechts ermittelten (gesamten) Reingewinn bzw. (gesamten) Eigenkapital der Kraftwerksbetreiberin aus. Anschließend werden nach Schweizer Steuerrecht vorzunehmende (betragsmäßig sich ausgleichende) Aufrechnungen und Abzüge gemacht. Der in der Schweiz zu versteuernde Reingewinn errechnet sich durch Addition des der Schweiz zustehenden Voraus von 15 v.H. und des anhand des Verteilerschlüssels aufgeteilten Restbetrages. Bei der Ermittlung des anteiligen Eigenkapitals wird der auf den Kanton Aargau entfallende Anteil des steuerbaren Eigenkapitals der Kraftwerksbetreiberin ermittelt und besteuert.

Ein Vergleich der Berechnungen des der deutschen Besteuerung auf der einen und der Schweizer Besteuerung auf der anderen Seite zugrunde liegenden anteiligen Gewinns der Kraftwerksbetreiberin macht deutlich, dass -entsprechend der in § 7 Abs. 2 des Aargauer Abkommens getroffenen Regelung- Gegenstand der Aufteilung der nach den jeweiligen nationalen Vorschriften ermittelte Gesamtgewinn (Einkommen; Gewerbeertrag) der Kraftwerksbetreiberin ist. Folglich entspricht der in der Berechnung des in der Schweiz zu versteuernden Gewinnanteils der Kraftwerksbetreiberin als Anteil Deutschlands ausgewiesene Gewinn nicht dem in Deutschland auf Grundlage der deutschen steuerlichen Vorschriften ermittelten erklärten Gewinnanteils.

In Übereinstimmung mit dieser Praxis versteht das Finanzgericht die Bestimmungen des Aargauer Abkommens so, dass darin (nur) eine Vereinbarung zu der Frage getroffen wird, wie der Gesamtgewinn der Kraftwerksbetreiberin zwischen „Schweizer Stammhaus“ und „deutscher Betriebsstätte“ verteilt wird. Dabei vereinbarten die Vertragspartner in § 4 des Aargauer Abkommens im Grundsatz die Anwendung einer sog. „indirekten Gewinnzurechnungsmethode“ (vgl. auch Art. 7 Abs. 4 DBA-Schweiz, § 52 Abs. 3 Satz 1 des Bundesgesetzes über die direkten Steuern vom 14.12 1990[1] – DBG-) dahingehend, dass der Gesamtgewinn der Kraftwerksbetreiberin nach einem einheitlichen, in § 3 Ziff. 5 i.V. mit § 7 Abs. 3 des Aargauer Abkommens festgelegten Maßstab (dem Verhältnis des Wertes nach Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten der auf jeden Staat entfallenden Vermögensgegenstände) aufgeteilt wird. Dieser Aufteilungsmaßstab wird mit den dem Sitzstaat vorab zugewiesenen Beteiligungserträgen (§ 4 Ziff. 1 Aargauer Abkommen) und dem Vorausanteil in Höhe von 15 v.H. (§ 4 Ziff. 2 Aargauer Abkommen) durch direkte Elemente ergänzt.

Für den Fall der Anwendung einer indirekten Methode für die Aufteilung des Unternehmensgewinns zwischen Stammhaus und im anderen Staat befindlicher Betriebsstätte ist im internationalen Steuerrecht anerkannt, dass sowohl der Staat des Stammhauses wie auch der Staat der Betriebsstätte den (Gesamt-)Gewinn des Unternehmens nach ihrem jeweiligen innerstaatlichen Steuerrecht ermitteln[2]. Dieser Grundsatz spiegelt sich auch in Art. 7 Abs. 2 des Aargauer Abkommens und Art. 3 Abs. 2 DBA-Schweiz wieder.

Im Ergebnis ist festzuhalten, dass die Bestimmungen des Aargauer Abkommens nach ihrem Wortlaut und in Übereinstimmung mit Art. 3 Abs. 2, 7 Abs. 4 DBA-Schweiz sowie der bisherigen Praxis der Kraftwerksbetreiberin dahingehend auszulegen sind, dass das in Deutschland der beschränkten Körperschaftsteuerpflicht unterliegende Einkommen bzw. der der Gewerbesteuer unterliegende Gewerbeertrag der Kraftwerksbetreiberin der nach Art. 4 Ziff. 2 und 3 des Aargauer Abkommens auf Deutschland entfallende Anteil des nach Maßgabe der deutschen steuerlichen Vorschriften ermittelten Gesamteinkommens bzw. Gesamtgewerbeertrags der Kraftwerksbetreiberin ist.

Im Rahmen der Ermittlung des Gesamteinkommens i. S. von § 8 Abs. 1 Satz 1 KStG der Kraftwerksbetreiberin sind die (von der Kraftwerksbetreiberin für den der Schweizer Besteuerung unterliegenden Anteil des Reingewinns bzw. Eigenkapitals) entrichtete Schweizer Gemeindesteuer und Schweizer Spitalsteuer nach § 10 Nr. 2 KStG nicht als Betriebsausgaben abzugsfähig.

§ 10 KStG ist eine Einkommensermittlungsvorschrift und ergänzt § 8 Abs. 1 KStG. Er bestimmt, dass gewisse Aufwendungen das Einkommen der Körperschaft nicht mindern dürfen. Die Aufzählung ist nicht abschließend. Bei den von § 10 Nr. 2 bis 4 KStG erfassten Aufwendungen handelt es sich um Betriebsausgaben, deren Nichtabziehbarkeit konstitutiv angeordnet wird[3].

Der Ausschluss des Betriebsausgabenabzugs in § 10 Nr. 2 KStG deckt sich mit dem Abzugsverbot des § 12 Nr. 3 EStG und ist Ausfluss eines allgemeinen, in vielen deutschen Steuergesetzen verwirklichten Grundsatzes, wonach eine Steuer ihre eigene Bemessungsgrundlage nicht mindern darf[4]. Entsprechende Abzugsverbote für die vom Steuerpflichtigen entrichtete Körperschaftsteuer fanden sich bereits in dem KStG 1920 vom 30.03.1920, dem KStG 1925 vom 10.08.1925 und dem KStG 1934 vom 16.10.1934[5].

Nach allgemeiner Meinung fallen unter das Abzugsverbot des § 10 Nr. 2 KStG auch ausländische Steuern vom Einkommen, sofern sie inländischen Steuern vom Einkommen entsprechen[6]. Unter die ausländischen Steuern, die den sonstigen Personensteuern entsprechen, fallen u.a. ausländische Vermögenssteuern[7].

Maßgeblich für die Qualifikation der ausländischen Steuer als Steuer vom Einkommen oder sonstige Personensteuer ist der Sachverhalt, an den der ausländische Steuergesetzgeber die steuerlichen Folgen knüpft. Die Feststellung und Auslegung ausländischen Rechts obliegt dem Finanzgericht als Tatsacheninstanz[8]. Ohne Bedeutung für die Qualifikation einer ausländischen Steuer als Steuer vom Einkommen oder sonstige Personensteuer ist, wem das Aufkommen zufließt.

Zu dem im Streitfall maßgeblichen Schweizer Recht trifft das Finanzgericht Baden-Württemberg folgende Feststellungen:

Im schweizerischen Steuersystem steht die Kompetenz, Steuern zu erheben (Steuerhoheit), dem Bund und den Kantonen zu. Die Gemeinden ihrerseits verfügen über eine aus der Kantonsverfassung abgeleitete Besteuerungskompetenz[9].

Der Bund erhebt von juristischen Personen mit Sitz oder tatsächlicher Verwaltung in der Schweiz eine Gewinnsteuer (Art. 1 b, 49 a, 50 DBG) in Höhe von 8, 5 % des Reingewinns (Art. 68, Art. 58 DBG), die von den Kantonen erhoben wird (Art. 2 DBG). Gegenstand der Besteuerung ist der Reingewinn der juristischen Person. Die danach bei der Kraftwerksbetreiberin im Gewinnermittlungszeitraum Oktober 2007 bis September 2008 erhobene Direkte Bundessteuer belief sich auf

Der Kanton Aargau erhebt von den juristischen Personen (§ 1 Abs. 1 Buchst. b des Steuergesetzes des Kantons Aargau -StG-) eine Gewinnsteuer. Gegenstand der Gewinnsteuer ist der Reingewinn (§ 67 StG; s.a. Art. 24 des Bundesgesetzes über die Harmonisierung der direkten Steuern der Kantone und Gemeinden vom 14.12 1990 -StHG-[10]. Die Einzelheiten der Ermittlung des Reingewinns werden in §§ 68 bis 74 StG bzw. Art. 24 bis 26 StHG, auf die wegen aller Einzelheiten Bezug genommen wird, festgelegt. Der gesetzlich festgelegte Steuersatz auf den Reingewinn ergibt sich aus § 75 StG und betrug im Streitjahr 7 % auf den 5 % des Eigenkapitals nicht übersteigenden Teil des Reingewinns, in späteren Veranlagungszeiträumen 11 % des steuerbaren Reingewinns.

Desweiteren erhebt der Kanton Aargau von juristischen Personen eine Kapitalsteuer. Gegenstand der Kapitalsteuer ist das Eigenkapital. Das steuerbare Eigenkapital besteht bei Kapitalgesellschaften aus dem einbezahlten Grund- oder Stammkapital, dem Partizipationskapital, den offenen und den aus versteuertem Gewinn gebildeten stillen Reserven. Es wird um den Teil des Fremdkapitals erhöht, dem wirtschaftlich die Bedeutung von Eigenkapital zukommt (vgl. §§ 82 f. StG; s.a. Art. 29 f. StHG). Die Kapitalsteuer beträgt 0, 125 % des steuerbaren Eigenkapitals (vgl. § 86 StG) .

Die Bemessung der Steuern (Steuermaß) auf der Ebene des Kantons Aargau und der Gemeinde besteht aus zwei Teilen: dem gesetzlich festgelegten Steuersatz und dem periodisch festzulegenden Steuerfuß. Durch Multiplikation der Bemessungsgrundlage (Reingewinn bzw. Eigenkapital) mit dem Steuersatz ergibt sich die sog. einfache Steuer. Der Steuerfuß ist ein Vielfaches der einfachen Steuer. Die effektiv geschuldete Staats- (bzw. Kantons) und Gemeindesteuer ergibt sich durch Multiplikation der einfachen Steuer mit dem Steuerfuß[11].

Die Summe von Gewinn- und Kapitalsteuer bildet die sog. einfache Steuer, die mit dem Steuerfuß zu multiplizieren ist. Der Steuerfuß des Kantons Aargau im Streitjahr lag bei 179 %. Er setzt sich zusammen aus der ordentlichen Kantonssteuer (94 %), dem Kantonssteuerzuschlag (5 %), den Spitalsteuern nach § 22 Abs. 1 a) des Spitalgesetzes (15 %), dem Finanzausgleich nach § 6 Abs. 1 Buchst. a des Gesetzes über den Finanz- und Lastenausgleich (15 %) und der Gemeindesteuer nach § 90 StG (50 %).

Im Gegensatz zum deutschen Steuerrecht können in der Schweiz eidgenössische, kantonale, kommunale sowie ausländische Steuern als steuermindernder Aufwand von der Bemessungsgrundlage (Reingewinn) in Abzug gebracht werden (vgl. Art. 59 Buchst. a DBG, Art. 25 Abs. 1 Buchst. a StHG)[12].

Hiervon ausgehend ist das Finanzgericht mit dem Finanzamt der Auffassung, dass die Gemeindesteuer und die Spitalsteuer, soweit sie vom Reingewinn erhoben werden, inländischen Steuern vom Einkommen, und soweit sie vom Eigenkapital erhoben werden, sonstigen Personensteuern (wie beispielsweise der Vermögenssteuer) entsprechen. Das Finanzgericht verweist zur Vermeidung von Wiederholungen auf die zutreffenden Ausführungen des Finanzamt in der Einspruchsentscheidung, denen er folgt (§ 105 Abs. 5 FGO). Ergänzend wird auf Folgendes hingewiesen:

Anknüpfungspunkt für sämtliche durch Multiplikation der einfachen Steuer auf den Reingewinn und das Eigenkapital mit dem Steuerfuß berechnete Steuern (Kantonssteuer, Kantonssteuerzuschlag, Finanzierungszuschlag, Spitalsteuer, Gemeindesteuer) ist bei juristischen Personen der Reingewinn (§ 67 StG) bzw. das Eigenkapital (§ 82 StG); bei natürlichen Personen das Einkommen (§§ 1, 25 ff. StG) bzw. das Reinvermögen (§ 46 ff. StG). Dies ergibt sich für die Gemeindesteuer juristischer Personen aus § 90 StG und für die Spitalsteuer aus § 22 Buchst. a Spitalsteuergesetz.

Da der Sachverhalt, an den die steuerlichen Folgen geknüpft werden, bei der -auch seitens der Kraftwerksbetreiberin als Steuern i.S. von § 10 Nr. 2 KStG und damit nichtabziehbare Betriebsausgabe angesehenen- Kantons- und Finanzausgleichssteuer auf der einen und der Gemeinde- und Spitalsteuer auf der anderen Seite derselbe ist, verbietet sich bereits aus diesem Grund eine unterschiedliche steuerliche Qualifikation der auf diese Weise berechneten Steuern.

Der Kraftwerksbetreiberin ist zwar darin zuzustimmen, dass Realsteuern i.S. des § 3 Abs. 2 AO keine Einkommens- oder sonstigen Personensteuern i.S. des § 10 Nr. 2 KStG sind und das Abzugsverbot des § 4 Abs. 5b EStG nicht für ausländische Gewerbesteuern gilt. Jedoch sind nach Auffassung des Finanzgerichts weder die Gemeinde- noch die Spitalsteuer der deutschen Gewerbesteuer ähnlich oder als Realsteuer i.S. von § 3 Abs. 2 AO anzusehen. Gegenstand der Gewerbesteuer ist jeder stehende Gewerbebetrieb (§ 2 Abs. 1 GewStG) und aufgrund einer typisierenden Fiktion[13] die Tätigkeit der Kapitalgesellschaften (§ 2 Abs. 2 GewStG). Ursprünglich als Realsteuer konzipiert hat die Gewerbesteuer sich durch Abschaffung der Lohnsummensteuer und der Gewerbekapitalsteuer zu einer objektivierten Ertragssteuer entwickelt, deren Bemessung durch die vorzunehmenden Hinzurechnungen (§ 8 GewStG) und Kürzungen (§ 9 GewStG) ohne Rücksicht auf die persönlichen Verhältnisse des Betriebsinhabers erfolgt[14].

Die Schweizer Gemeindesteuer wird von allen natürlichen und juristischen Personen erhoben. Soweit sie von natürlichen Personen erhoben wird, fällt sie nicht nur bei gewerblichen Einkünften i.S. von § 15 EStG an. Es wird daher nicht ein Objekt (Betrieb) besteuert. Die dem Objektsteuercharakter der Gewerbesteuer im deutschen Recht Rechnung tragende Objektivierung bei der Ermittlung der Bemessungsgrundlage fehlt vollumfänglich. Gleiches gilt für die Spitalsteuer. Die Zweckbindung des Aufkommens aus der Spitalsteuer für die Spitäler des Kantons widerspricht nicht dem Begriff der Steuer, da die Erfüllung der öffentlichen Aufgaben, für deren Finanzierung Zwecksteuern dienen, nicht den Charakter einer Gegenleistung des Abgabeberechtigten zugunsten des Abgabeverpflichteten hat[15]. Die Zweckbindung des Aufkommens aus der Spitalsteuer ist nicht mit dem als Begründung bzw. Anknüpfungspunkt der deutschen Gewerbesteuer traditionell herangezogenen Äquivalenzprinzip im Sinne einer Beteiligung der Gewerbebetriebe an den Lasten, die den Gemeinden durch die Bereitstellung und Erhaltung der vom Gewerbebetrieb in Anspruch genommenen Infrastruktur vergleichbar. Die mit der Spitalsteuer belasteten juristischen Personen verursachen keine Lasten im Rahmen der medizinischen Versorgung der Bevölkerung.

In der Literatur werden weder Schweizer Gemeinde- noch Spitalsteuern als Beispiele für der Gewerbesteuer ähnliche ausländische Steuern genannt[16]. Mit dem BFH-Urteil vom 15.03.1995[17] wurde die Auffassung des Finanzgericht Hamburg[18] bestätigt, dass die im Kanton Genf auf der gleichen Bemessungsgrundlage wie die Kantonalsteuer erhobene Kommunalsteuer als Personensteuer i.S. des § 10 Nr. 2 KStG anzusehen ist und nicht der Gewerbesteuer vergleichbar ist. Die o.g. Kommunalsteuer unterscheidet sich von der (ausschließlich) im Kanton Genf erhobenen „taxe professionelle communale“, die als mit der deutschen Gewerbesteuer vergleichbar angesehen wird[19].

In der Schweizer steuerrechtlichen Literatur werden Gewinn- und Kapitalsteuer als sog. Subjektsteuern angesehen, d.h. als Steuerarten, in denen auf die persönliche Leistungsfähigkeit des Steuerobjekts Rücksicht genommen werden kann, während es bei Objektsteuern einzig auf das Vorhandensein eines bestimmten Steuerobjekts, z.B. eines Grundstücks, ankomme[20].

Die langjährige von der jetzigen Rechtsauffassung des Finanzamt abweichende steuerliche Behandlung der Gemeinde- und Spitalsteuer bei der Ermittlung des Einkommens bzw. Gewerbeertrags der Kraftwerksbetreiberin durch die Beteiligten begründet keinen Anspruch der Kraftwerksbetreiberin auf Fortführung dieser nicht mit § 10 Nr. 2 KStG in Einklang stehenden Behandlung.

Die Berücksichtigung der nachfolgenden Praxis der Vertragsdurchführung bei der Auslegung internationaler Verträge ist völkergewohnheitsrechtlich anerkannt und darüber hinaus in Art. 31 Abs. 3 Buchst. b des Wiener Übereinkommens über das Recht der Verträge (WÜRV) kodifiziert. Sie ist ein gewichtiges und objektiv feststellbares Indiz dafür, wie die Parteien den Vertrag einvernehmlich verstehen bzw. zumindest im Zeitpunkt des Vertragsschlusses und in den darauf folgenden Jahren verstanden haben[21]. Dies gilt aber immer nur insofern, als sie nicht dem Wortlaut des Abkommens zuwiderläuft[22]. Eine spätere Übung tritt nur neben die Bedeutung der Vertragsausdrücke und deren Zusammenhang. Bedeutung und Zusammenhang sind nach Art. 31 Abs. 1 WÜRV die vorrangigen Auslegungskriterien. Ist danach eine eindeutige Auslegung möglich, bleibt für einen Rückgriff auf die spätere Übung kein Raum[23].

Vorliegend geht es um die Bedeutung des in § 4 des Aargauer Abkommens verwendeten Begriffs der Einkünfte. Dieser wird in § 7 Abs. 2 des Aargauer Abkommens dahingehend definiert, dass insoweit „in jedem der beiden Staaten die eigene Gesetzgebung maßgebend ist“. Danach ist Begriff der Einkünfte als das nach Maßgabe der deutschen steuerrechtlichen Vorschriften (des Einkommensteuer, Körperschaftsteuer- und Gewerbesteuergesetzes) ermittelte Gesamteinkommen der Kraftwerksbetreiberin vor Aufteilung auszulegen. Diese Auslegung entspricht dem im internationalen Steuerrecht üblichen Verfahren bei Aufteilung des Gewinns zwischen Stammhaus und Betriebsstätte mittels der sog. indirekten Methode. Bei der nunmehr vom Finanzamt vorgenommenen Korrektur der bisherigen steuerlichen Behandlung der Schweizer Spital- und Gemeindesteuer handelt es sich um die Aufgabe einer nicht mit den deutschen steuerrechtlichen Vorschriften zur Ermittlung der Einkünfte in Übereinstimmung stehenden Rechtsauffassung.

Nach dem von der Rechtsprechung entwickelten Grundsatz der Abschnittsbesteuerung hat das Finanzamt in jedem Veranlagungs- bzw. Besteuerungszeitraum die einschlägigen Besteuerungsgrundlagen erneut zu prüfen und rechtlich zu würdigen. Das Finanzamt ist an eine bei einer früheren Veranlagung bzw. Besteuerung zugrunde gelegte Rechtsauffassung auch dann nicht gebunden, wenn der Steuerpflichtige im Vertrauen darauf disponiert hat[24]. Im Übrigen hat das Finanzamt dem Gedanken des Vertrauensschutzes im Wege der Billigkeit bereits dadurch Rechnung getragen, dass es in den beiden dem Streitjahr vorangegangenen Veranlagungszeiträumen trotz bestehender verfahrensrechtlicher Änderungsmöglichkeiten noch keine Korrektur vorgenommen hat.

Nach Ansicht des Finanzgerichts Baden-Württemberg führt die Hinzurechnung von Gemeinde- und Spitalsteuer nicht zu einer Doppelbesteuerung. Denn, wie bereits ausgeführt, wird nur der nach § 4 des Aargauer Abkommens auf Deutschland entfallende Teil des Einkommens der Kraftwerksbetreiberin in Deutschland im Rahmen der beschränkten Steuerpflicht besteuert. Die gegenüber der Schweizer Bemessungsgrundlage erhöhte deutsche Bemessungsgrundlage folgt aus der in beiden Ländern unterschiedlichen Ermittlung der Bemessungsgrundlage, insbesondere aus dem Umstand, dass nach Schweizer Recht Bemessungsgrundlage der Reingewinn nach Steuern ist. Für eine Anwendung von § 26 KStG i.V. mit § 34 c EStG bzw. eine Anrechnung oder einen Abzug der Schweizer Gemeinde- bzw. Spitalsteuer ist daher kein Raum.

Finanzgericht Baden -Württemberg, Urteil vom 3. Dezember 2015 – 3 K 982/14

  1. Systematische Rechtssammlung -SR- 642.11[]
  2. Hemmelrath in Vogel/Lehner, DBA Kommentar, Art. 7 Rz. 104; Hamminger in Wassermeyer, Doppelbesteuerung DBA Deutschland-Schweiz, Art. 7 Rz. 63; Buciek in Flick/Wassermeyer/Kempermann, Doppelbesteuerungsabkommen Deutschland-Schweiz, Art. 7 Rz. 573; Locher, Einführung in das internationale Steuerrecht der Schweiz, 3. Aufl., S. 329[]
  3. Paetsch in Rödder/Herlinghaus/Neumann, KStG, § 10 Rz. 2[]
  4. Dürrschmidt in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/FGtG, § 10 KStG Rz. 8; Paetsch in Rödder/Herlinghaus/Neumann, 2015, § 10 Rz. 4[]
  5. vgl. Dürrschmidt, a.a.O. § 10 KStG Rz. 3[]
  6. BFH, Urteil vom 16.05.1990 – I R 80/87, BStBl II 1990, 920; Dürrschmidt, a.a.O., § 10 KStG Rz. 62; Paetsch, a.a.O., § 10 Rz. 45; Heger in Gosch, KStG, 3. Aufl., § 10 Rz. 26[]
  7. BFH, Urteil vom 15.03.1995 – I R 14/94, BStBl II 1995, 502; Paetsch, a.a.O., § 10 Rz. 43; Frotscher, KStG, § 10 Rz. 32[]
  8. Paetsch, a.a.O., § 10 Rz. 45[]
  9. Kubaile/Suter, Der Steuer- und Investitionsstandort Schweiz, 3. Aufl.2015, S. 9[]
  10. Systematische Rechtssammlung -SR- 642.14[]
  11. Kubaile/Suter, a.a.O., S. 48[]
  12. Kubaile/Suter, a.a.O., S. 70: Reingewinn nach Steuern[]
  13. Güroff in Glanegger/Güroff, GewStG, § 2 Rz. 456[]
  14. vgl. BVerfG, Beschluss vom 15.01.2008 1 BvL 2/04, BVerfGE 120, 1, Rz. 4 f.[]
  15. vgl. Klein/Gersch, AO Kommentar, § 3 Rz. 7[]
  16. vgl. Kollruss, Abzug ausländischer Gewerbesteuer als Betriebsausgabe in Deutschland, BB 2008, 1373; Hartmann in Bergemann/Wingler, Kommentar Gewerbesteuer, § 1 Rz. 27[]
  17. BFH, Urteil vom 15.03.1995 – I R 14/94, BStBl II 1995, 502[]
  18. FG Hamburg, Urteil vom 29.10.1993 – VII 185/89, EFG 1994, 335[]
  19. Kubaile/Suter, a.a.O., S. 70[]
  20. vgl. Blumenstein/Locher, System des schweizerischen Steuerrechts, 6. Aufl., S. 157[]
  21. BFH, Urteil vom 25.10.2006 – I R 81/04, BStBl II 2010, 778 m.w.N.[]
  22. BFH, Urteil vom 10.06.2015 – I R 79/13, IStR 2015, 785[]
  23. Musil in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 2 AO, Rz. 88[]
  24. vgl. BFH, Urteil vom 18.03.2015 – XI R 8/13, BFH/NV 2015, 1219[]