Die verkaufte inländischen Betriebsstätte einer österreichischen Gesellschaft

Gehört der Gewinn aus der Veräußerung einer inländischen Betriebsstätte von einer österreichischen Kapitalgesellschaft zum Gewerbeertrag? Nach Ansicht des Finanzgerichts Baden-Württemberg ja:

Die verkaufte inländischen Betriebsstätte einer österreichischen Gesellschaft

Nach § 2 Abs. 1 GewStG – unterliegt der Gewerbesteuer jeder stehende Gewerbebetrieb, soweit er im Inland betrieben wird. Unter Gewerbebetrieb ist ein gewerbliches Unternehmen im Sinne des Einkommensteuergesetzes zu verstehen. Im Inland betrieben wird ein Gewerbebetrieb unter anderem, soweit für ihn im Inland eine Betriebsstätte unterhalten wird. Gem. § 2 Abs. 2 GewStG gilt die Tätigkeit der Kapitalgesellschaften stets und in vollem Umfang als Gewerbebetrieb. Daraus folgt, dass die Tätigkeit einer Kapitalgesellschaft vom Beginn bis zur Beendigung und Abwicklung als der Gewerbesteuer unterliegender Gewerbebetrieb gilt.

Es entspricht gefestigter höchstrichterlicher Rechtsprechung, der sich auch das Finanzgericht Baden-Württemberg anschließt, dass bei Kapitalgesellschaften auch der Gewinn aus der Veräußerung oder Aufgabe eines Betriebs, eines Teilbetriebs oder einer betrieblichen Beteiligung zum Gewerbeertrag (vgl. § 7 GewStG) gehört[1].

Dieser Rechtsprechung haben sich die Finanzgerichte[2], die Verwaltungspraxis[3] sowie ganz überwiegend das Schrifttum angeschlossen[4]. Hiervon ist trotz vereinzelter Kritik im Schrifttum[5] nicht abzuweichen. Vielmehr ist an der bisherigen Rechtsprechung festzuhalten[6]. Dafür spricht nicht neben dem Gesichtspunkt der Rechtssicherheit auch die Gesetzeslage:

Die Gewerbesteuerpflicht knüpft bei Kapitalgesellschaften allein an die Rechtsform an; die Tätigkeit einer solchen Gesellschaft gilt stets und in vollem Umfang als Gewerbebetrieb (§ 2 Abs. 2 Satz 1 GewStG). Deshalb gehören alle Gewinne von Kapitalgesellschaften, auch Gewinne aus der Veräußerung und der Aufgabe eines Betriebs, eines Teilbetriebs oder einer betrieblichen Beteiligung, zum Gewerbeertrag. Bei einer Kapitalgesellschaft berühren alle Einnahmen den steuerpflichtigen Gewerbeertrag[7]. § 2 Abs. 2 GewStG gilt auch für ausländische Gesellschaften mit beschränkter Haftung (Gewerbesteuerpflicht kraft Rechtsform), wenn sie – wie im vorliegenden Streitfall – auch im Inland eine Betriebsstätte unterhalten, in ihrer Rechtsform einer inländischen GmbH in ihrer Art entsprechen und im Inland rechtsfähig sind[8].

Diese Betriebsstätteneigenschaft ist im Streitfall unstreitig gegeben. Gewerbesteuerlich ist daher zu beachten, dass die inländische Betriebsstätte von einer Kapitalgesellschaft gehalten wird. Somit gehört auch der Gewinn aus der Veräußerung der Betriebsstätte zum Gewerbeertrag. Unbeachtlich ist dabei, dass die österreichische GmbH zwischenzeitlich in eine Personengesellschaft in der Rechtsform einer KG umgewandelt wurde.

Zwar erfordert der Gesetzeswortlaut in § 2 Abs. 2 Satz 1 GewStG auch bei Kapitalgesellschaften ausdrücklich eine „Tätigkeit“ für die daraus abzuleitende Qualifikationsfiktion als Gewerbebetrieb. Aus dieser Fiktion folgt zugleich, dass eine Kapitalgesellschaft „stets und in vollem Umfang“ allein gewerbliche Tätigkeiten ausübt und dass andere, daneben stehende Vorgänge aus Sicht des Gewerbesteuergesetzes nicht existieren. Sämtliche von der Kapitalgesellschaft entfalteten Aktivitäten fallen sonach unterschiedslos in den Bereich gewerblicher Betätigung, gleichviel, ob es sich um „werbende“ Tätigkeiten oder um Tätigkeiten im Zusammenhang mit der Betriebsveräußerung oder -beendigung handelt. Die konkrete Tätigkeit der Gesellschaft ist in jedem Fall unbeachtlich, ebenso wie die Nachhaltigkeit dieser Tätigkeit oder das Vorliegen einer Gewinnerzielungsabsicht. Nicht zuletzt deswegen hat der BFH sich gerade in § 2 Abs. 2 Satz 1 GewStG darin bestätigt gesehen, dass Kapitalgesellschaften aus steuerlicher Sicht über keine außerbetriebliche Sphäre verfügen[9].

Eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung von Kapitalgesellschaften im Verhältnis zu Gewerbebetrieben anderer Rechtsformen, bei denen Veräußerungs- und Aufgabegewinne nach ständiger Rechtsprechung grundsätzlich nicht gewerbesteuerpflichtig sind, liegt darin nicht. Kapitalgesellschaften einerseits sowie natürliche Personen und Personengesellschaften andererseits unterscheiden sich grundlegend voneinander[10]. Im Übrigen ließe sich – was hier nicht weiter vertieft werden muss – ohnehin fragen, ob Veräußerungs- und Abwicklungsvorgänge nicht allgemein, also bei Gewerbebetrieben aller Rechtsformen, der Gewerbesteuer unterfallen[11].

Finanzgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 9. Juli 2010 – 10 K 3286/09

  1. vgl. RFH, Urteile vom 05.03.1940 – I 40/40, RStBl 1940, 476; und vom 13.01.1942 – I 261/41, RStBl 1942, 274; BFH, Urteile vom 18.11.1970 – I R 116/69, BFHE 101, 112, BStBl II 1971, 182; vom 28.02.1990 – I R 92/86, BFHE 160, 262, BStBl II 1990, 699; vom 05.09.2001 – I R 27/01, BStBl II 2002, 155; BFH, Beschluss vom 20.09.1995 – I B 197/94, BFH/NV 1996, 366, 368[]
  2. vgl. FG München, Urteile vom 08.04.1999 – 7 K 890/97, EFG 1999, 723; und vom 07.09.2000 – 7 K 5080/98, EFG 2000, 1405; FG Baden-Württemberg, Urteil vom 24.08.2000 – 3 K 264/98, EFG 2000, 1405[]
  3. vgl. Abschnitt 41 Abs. 2 GewStR 1990, Abschnitt 40 Abs. 2 GewStR 1998[]
  4. vgl. v. Twickel in Blümich, Einkommensteuergesetz, Körperschaftsteuergesetz, Gewerbesteuergesetz, 16. Aufl., § 7 GewStG Rz. 142, 151 ff.[]
  5. vgl. Roser/Tesch, FR 1998, 183[]
  6. vgl. BFH, Urteil vom 05.09.2001 – I R 27/01, BStBl II 2002, 155[]
  7. vgl. Roser in: Lenski/Steinberg, Kommentar zum GewStG, § 7 Anm. 334, 335, Stand: Juli 2009[]
  8. vgl. auch Hinweis 2.1 Abs. 4 „Gewerbesteuerpflicht ausländischer Kapitalgesellschaften“ GewStH 2009[]
  9. vgl. BFH, Urteile vom 04.12.1996 – I R 54/95, BFHE 182, 123; vom 08.07.1998 – I R 123/97, BFHE 186, 540; vom 05.09.2001 – I R 27/01, BStBl II 2002, 155[]
  10. vgl. BFH, Urteile vom 20.10.1976 – I R 148/74, BFHE 120, 265, BStBl II 1977, 10; vom 08.06.1977 – I R 40/75, BFHE 122, 318, BStBl II 1977, 668; vom 28.07.1982 – I R 196/79, BFHE 136, 547, BStBl II 1983, 77; vom 27.03.1996 – I R 89/95, BFHE 181, 499, BStBl II 1997, 224; siehe auch BVerfG, Beschlüsse vom 21.03.1977 – 1 BvR 1/77, HFR 1977, 264; und 1 BvR 2/77, HFR 1977, 265[]
  11. vgl. BFH, Urteile vom 25.05.1962 – I 78/61 S, BFHE 75, 467, BStBl III 1962, 438; vom 26.04.2001 – IV R 75/99, BFH/NV 2001, 1195, DStR 2001, 1212; vom 05.09.2001 – I R 27/01, BStBl II 2002, 155[]