Die Europäische Kommission hat Spanien förmlich aufgefordert, seine Rechtsvorschriften zur Anwendung des besonderen MwSt-Differenzbesteuerungssystems für Reisebüros zu ändern. Diese Aufforderung ergeht in Form einer mit Gründen versehenen Stellungnahme, der zweiten Stufe des Vertragsverletzungsverfahrens nach Artikel 226 des EG-Vertrags. Erhält die Kommission von Spanien binnen zwei Monaten keine zufriedenstellende Antwort, kann sie den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften anrufen.

Die MwSt-Richtlinie enthält eine besondere Regelung der Differenzbesteuerung, die die Anwendung der Mehrwertsteuervorschriften auf Reisebüros vereinfachen soll, wenn diese Pauschalreisen an Reisende verkaufen. Die Differenzbesteuerung ist jedoch nicht anwendbar, wenn Reisebüros Pauschalreisen an andere Steuerpflichtige verkaufen, insbesondere an Reisebüros, die diese Reiseleistungen weiterverkaufen.
Um die unfairen Wettbewerbsvorteile zu beseitigen, die einigen Reiseveranstaltern zum einen dadurch entstehen, dass nicht in der EU ansässige Reiseveranstalter, die Pauschalreisen an Kunden in der EU verkaufen, nicht der Mehrwertsteuer unterliegen und zum anderen verschiedene Mitgliedstaaten die geltenden Vorschriften uneinheitlich anwenden, hat die Kommission 2002 vorgeschlagen, die derzeitige Sonderregelung der Differenzbesteuerung auf Verkäufe an Reisebüros zu auszudehnen[1]. Die Diskussionen hierüber im Rat haben bisher jedoch noch nicht zu einer Einigung der Mitgliedstaaten über diesen Vorschlag geführt.
Vertragsverletzungsverfahren gegen Spanien
Um die durch die uneinheitliche Anwendung der geltenden Regelung hervorgerufene Wettbewerbsverzerrung zu beseitigen, hat die Kommission als Hüterin der Verträge Vertragsverletzungsverfahren gegen eine Reihe von Mitgliedstaaten eingeleitet. Vor diesem Hintergrund ist auch das jetzige Verfahren gegen Spanien zu sehen. Die Kommission beanstandet bei Spanien Folgendes:
- In einigen Fällen, in denen die Sonderregelung der Differenzbesteuerung angewendet wird, ist der Kunde nicht der Reisende, sondern ein Steuerpflichtiger, der die Reiseleistungen weiter verkauft;
- bestimmte Verkäufe durch Einzelhandelsreiseveranstalter, die in eigenem Namen handeln, sind von der Sonderregelung ausgeschlossen;
- der Reiseveranstalter kann unter bestimmten Umständen auf der von ihm ausgestellten Rechnung einen Pauschalbetrag angeben, der keinerlei Bezug zu dem Mehrwertsteuerbetrag hat, der dem Kunden tatsächlich in Rechnung gestellt wurde und für den der Kunde zum Vorstreuerabzug berechtigt ist, und
- der Reiseveranstalter kann sich dafür entscheiden, für jeden Steuerzeitraum eine pauschale Steuerbemessungsgrundlage festzulegen.
Hintergrund der Regelung zur Differenzbesteuerung
Ohne die Regelung zur Differenzbesteuerung müsste ein Reisebüro, das z.B. von in anderen Mitgliedstaaten ansässigen Dritten Restaurant- und Mietwagendienstleistungen einkauft, und diese in ein Pauschalangebot einbringt, das es im eigenen Namen vertreibt, auf die in seinem Mitgliedstaat erbrachten Dienstleistungen Mehrwertsteuer entrichten. Zwar hätte das Reisebüro ein Recht darauf, sich die Mehrwertsteuer auf die im Ausland erbrachten Leistungen erstatten zu lassen, müsste dieses Recht aber mit dem entsprechenden Mehraufwand im anderen Mitgliedstaat geltend machen. Darüber hinaus wäre der Preis des Pauschalangebots weitgehend von der Höhe des in seinem Mitgliedstaat anwendbaren Steuersatzes abhängig, obwohl die Reise möglicherweise in einem anderen Mitgliedstaat stattfindet.
Deshalb werden unter der Sonderregelung der Differenzbesteuerung alle einzelnen Bestandteile einer Pauschalreise in dem Mitgliedstaat besteuert, in dem die Reise stattfindet. Die entsprechende Steuer wird vom Veranstalter ohne Vorsteuerabzugs- oder Erstattungsmöglichkeit gezahlt. Andererseits ist er für das von ihm vertriebene Pauschalangebot nur in Höhe seiner Gewinnspanne (dem Mehrwert) in dem Mitgliedstaat mehrwertsteuerpflichtig, in dem er seinen Sitz hat.
- Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zur Änderung der Richtlinie 77/388/EWG bezüglich der Sonderregelung für Reisebüros, KOM(2002) 64 endgültig, ABl. C 126 vom 28. Mai 2002.[↩]