Durchfuhr als rechtserhaltende Markennutzung?

Für die rechtserhaltende Benutzung einer Marke im Inland reicht die reine Durchfuhr im Ausland gekennzeichneter Ware durch Deutschland nicht aus. Dies gilt auch für eine international registrierte Marke.

Durchfuhr als rechtserhaltende Markennutzung?

Einer IR-Marke wird auf Antrag wegen Verfalls der Schutz entzogen, wenn die Marke innerhalb eines ununterbrochenen Zeitraums von fünf Jahren nach einem der in § 115 Abs. 2 MarkenG genannten Stichtage nicht gemäß § 26 MarkenG benutzt worden ist.

Eine rechtserhaltende Benutzung im Sinne von § 26 Abs. 1 MarkenG setzt voraus, dass die Marke entsprechend ihrer Hauptfunktion, die Ursprungsidentität der Waren oder Dienstleistungen zu garantieren, für die sie geschützt ist, verwendet wird, um für diese Produkte einen Absatzmarkt zu erschließen oder zu sichern[1]. Ob die Marke ernsthaft im Inland benutzt worden ist, ist anhand sämtlicher Tatsachen und Umstände zu beurteilen, durch die die wirtschaftliche Verwertung der Marke im Geschäftsverkehr belegt werden kann. Dazu rechnen der Umfang und die Häufigkeit der Benutzung der Marke. Die Frage, ob eine Benutzung mengenmäßig hinreichend ist, um Marktanteile für die durch die Marke geschützten Waren oder Dienstleistungen zu behalten oder hinzuzugewinnen, hängt somit von mehreren Faktoren und einer Einzelfallbeurteilung ab[2]. Dabei müssen die Benutzungshandlungen einen Inlandsbezug aufweisen[3]. Für international registrierte Marken gelten keine anderen Maßstäbe[4].

Gemäß § 26 Abs. 1 MarkenG muss die Marke im Inland ernsthaft benutzt worden sein. Nach der Vorschrift des § 26 Abs. 4 MarkenG gilt als Benutzung im Inland auch das Anbringen der Marke auf Waren oder deren Aufmachung oder Verpackung im Inland, wenn die Waren ausschließlich für die Ausfuhr bestimmt sind. Dies entspricht Art. 10 Abs. 1 Unterabs. 2 Buchst. b MarkenRL. Danach gilt als Benutzung das Anbringen der Marke auf Waren oder deren Aufmachung in dem betreffenden Mitgliedstaat ausschließlich für den Export. Sonstige Verwendungsformen erfüllen den Tatbestand des § 26 Abs. 4 MarkenG nicht[5]. Deshalb reicht es nicht aus, wenn die Exportware nicht im Inland, sondern im Ausland gekennzeichnet worden ist, nach Deutschland transportiert und von dort ohne weiteren Inlandsbezug exportiert wird. Eine Durchfuhr mit der Marke gekennzeichneter Waren allein begründet keinen Inlandsbezug.

Dies führt auch nicht zu einem Wertungswiderspruch zu § 14 Abs. 3 Nr. 4 MarkenG, da ein Dritter eine mit der Streitmarke identische Marke im Inland eintragen und gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 1 und Abs. 3 Nr. 4 MarkenG die Benutzung der Exportmarke untersagen lassen könnte[6].

Werden Waren, die mit einer im Inland geschützten Marke versehen sind, im Zollverschlussverfahren durch Deutschland transportiert, kann der Markeninhaber dagegen nur vorgehen, wenn – beispielsweise durch Verkaufsangebote – ein Inverkehrbringen der Waren im Inland oder – im Falle einer Gemeinschaftsmarke – in der Europäischen Union droht. Die bloße Gefahr, dass die Waren nicht an ihrem Zielort ankommen und eventuell im Durchfuhrmitgliedstaat Deutschland unbefugt in den Verkehr gebracht werden, reicht nicht für die Annahme aus, dass wesentliche Funktionen der Marke in Deutschland beeinträchtigt werden[7]. Es ist insoweit unerheblich, ob die durch Deutschland durchgeführten Waren für einen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einen Drittstaat bestimmt sind und ob in dem Bestimmungsstaat Markenschutz besteht oder nicht[8].

Eine reine Durchfuhr durch Deutschland kann daher im Zollverschlussverfahren erfolgen, ohne dass derjenige, der die Durchfuhr veranlasst, auf Markenschutz im Inland angewiesen ist. Nur im zollrechtlich freien Verkehr besteht die Gefahr, dass aus einer Marke gegen denjenigen vorgegangen werden kann, der Waren mit identischen oder ähnlichen Kennzeichen ins Inland ein- und ausführt. Dies rechtfertigt aber keine Gleichstellung der rechtserhaltenden Benutzung mit dem Tatbestand des § 14 Abs. 3 Nr. 4 MarkenG. Dafür spricht die Zielsetzung des Benutzungszwangs, die Gesamtzahl der geschützten Marken und damit die Zahl möglicher Konflikte zwischen Marken gering zu halten[9]. Dieses Ziel würde durch eine weitgehende Parallelität von rechtsverletzender und rechtserhaltender Benutzung verfehlt. Für eine Ausrichtung der rechtserhaltenden Benutzung am Tatbestand des § 14 Abs. 3 Nr. 4 MarkenG besteht danach kein Anlass.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 27. November 2014 – I ZR 91/13 – Oberlandesgericht München

  1. vgl. EuGH, Urteil vom 11.03.2003 C40/01, Slg. 2003, I2439 = GRUR 2003, 425 Rn. 43 Ansul/Ajax; Urteil vom 15.01.2009 C495/07, Slg. 2009, I137 = GRUR 2009, 410 Rn. 18 Silberquelle/Maselli; BGH, Urteil vom 09.06.2011 – I ZR 41/10, GRUR 2012, 180 Rn. 42 = WRP 2012, 980 Werbegeschenke, mwN; BGH, GRUR 2012, 1261 Rn. 12 – Orion[]
  2. vgl. EuGH, Urteil vom 13.09.2007 C234/06, Slg. 2007, I7333 = GRUR 2008, 343 Rn. 72 f. Il Ponte Finanziaria/HABM [BAINBRIDGE]; BGH, Urteil vom 31.05.2012 – I ZR 135/10, GRUR 2012, 832 Rn. 49 = WRP 2012, 940 ZAPPA[]
  3. vgl. BGH, GRUR 2012, 1261 Rn. 13 Orion; Ströbele in Ströbele/Hacker aaO § 26 Rn. 221; Lange, Marken- und Kennzeichenrecht, 2. Aufl. Rn. 1247; Schalk in Büscher/Dittmer/Schiwy, Gewerblicher Rechtsschutz Urheberrecht Medienrecht, 3. Aufl., § 26 MarkenG Rn. 68; zur Notwendigkeit der Benutzung einer Gemeinschaftsmarke in der Europäischen Union EuGH, Urteil vom 19.12 2012 C149/11, GRUR 2013, 182 Rn. 38 Leno Merken/Hagelkruis [ONEL/OMEL][]
  4. Ströbele in Ströbele/Hacker aaO § 26 Rn. 175; Schalk in Büscher/Dittmer/Schiwy aaO § 26 MarkenG Rn. 68[]
  5. vgl. Ströbele in Ströbele/Hacker aaO § 26 Rn. 238; Schalk in Büscher/Dittmer/Schiwy aaO § 26 MarkenG Rn. 70[]
  6. Ingerl/Rohnke, MarkenG, 3. Aufl., § 26 Rn.202; Sack, Festschrift Piper 1996, 603, 612 f., 614 ff.[]
  7. EuGH, Urteil vom 23.10.2003 C115/02, Slg. 2003, I12705 = GRUR Int.2004, 39 Rn. 27 Rioglass; EuGH, Urteil vom 09.11.2006 C281/05, Slg. 2006, I10881 = GRUR 2007, 146 Rn. 23 ff. – Montex Holdings/Diesel; EuGH, GRUR Int.2012, 134 Rn. 55 ff. – Philips und Nokia; BGH, Urteil vom 21.03.2007 – I ZR 246/02, GRUR 2007, 876 Rn. 18 = WRP 2007, 1185 – DIESEL II; BGH, Urteil vom 21.03.2007 – I ZR 66/04, GRUR 2007, 875 Rn. 12 = WRP 2007, 1184 – Durchfuhr von Originalware; BGH, Urteil vom 25.04.2012 – I ZR 235/10, GRUR 2012, 1263 Rn. 30 = WRP 2012, 1530 Clinique happy[]
  8. vgl. BGH, GRUR 2007, 876 Rn. 18 – DIESEL II; BGH, GRUR 2007, 875 Rn. 12 – Durchfuhr von Originalware; BGH, GRUR 2012, 1263 Rn. 30 – Clinique happy; Büscher in Büscher/Dittmer/Schiwy aaO § 14 MarkenG Rn. 578 ff.; Hacker in Ströbele/Hacker aaO § 14 Rn. 182 ff.[]
  9. dazu Erwägungsgrund 9 der Markenrechtsrichtlinie[]