Einziehung des Wertes von Taterträgen – und der Verkauf im Ausland

Für die Wertbestimmung des Erlangten können grundsätzlich auch Auslandsgeschäfte in den Blick genommen werden. So finden etwa – unabhängig von dem Sitz der Drittbegünstigten – durch legale Weiterverkäufe im Ausland erzielte Erlöse Berücksichtigung[1].

Einziehung des Wertes von Taterträgen – und der Verkauf im Ausland

Der Wert der erlangten Gegenstände bestimmt sich nach ihrem Verkehrswert bei Entstehen des Wertersatzanspruchs[2].

Im hier entschiedenen Fall entstand der Wertersatzanspruch mit ihrer Veräußerung, weil damit die ursprünglich mögliche gegenständliche Einziehung gemäß § 73c Satz 1 Alternative 2 StGB nachträglich unmöglich geworden ist[3].

Maßgeblich für die Verkehrswertbestimmung ist der erzielbare Verkaufspreis beziehungsweise Verwertungserlös[4]. Dem steht nicht entgegen, dass der Betrag durch einen Auslandsverkauf erlöst wurde. Der bisherigen Rechtsprechung, nach der insoweit entscheidend sein soll, was ʺim Inlandʺ erzielbar war[5], ist nicht mehr zu folgen. Insoweit gilt:

Der geforderte Inlandsbezug geht zurück auf eine Entscheidung des 2. Strafsenats hinsichtlich einer Wertersatzeinziehung nach § 401 Reichsabgabenordnung für geschmuggelte Zigaretten[6], die ihrerseits auf ein Urteil des Reichsgerichts aus dem Jahr 1919 Bezug nimmt, das die Wertersatzeinziehung nach einem Verstoß gegen das Gesetz betreffend die Ausführung des mit Österreich-Ungarn abgeschlossenen Zollkartells betrifft[7].

Hiernach soll es jeweils nicht auf die ausländischen Preisverhältnisse ankommen, sondern allein der im Inland erzielbare Preis maßgeblich sein. Das Reichsgericht hat dies damit begründet, dass der Staat durch die Einziehung eines körperlichen Gegenstands Eigentum an diesem erlange und der Wert an diesem nach den inländischen wirtschaftlichen Verhältnissen zu bemessen sei, denn für den Staat sei belanglos, welcher Wert dem Gegenstand im Ausland zukomme. Dasselbe müsse dann für den Wert des Betrages gelten, der dem Staat dafür zukomme, dass ihm nicht mehr das Eigentum zufließen könne. Daran ändere nichts, dass die Einziehung auf Güter zurückgehe, die sich zur Tatzeit gerade im Ausland befunden hätten oder dorthin verbracht worden seien. Die Einziehung sei eine inländische Strafe und als solche nur nach inländischen Verhältnissen und inländischem Recht zu bemessen[8].

Dem entgegen kommt es jedenfalls hier für die Verkehrswertbestimmung auf den im Ausland im Rahmen eines nach dortigem Recht erlaubten Verkaufsgeschäfts tatsächlich erzielten Erlös an. Dies ergibt sich aus folgenden Gründen:

Die Einziehung nach § 401 RAbgO war als Nebenstrafe ausgestaltet[9], während es sich bei der Einziehung von Taterträgen auch nach neuem Recht nicht um eine strafähnliche Maßnahme handelt[10]. Damit entfällt bereits der Ausgangspunkt der vorgenannten Entscheidungen, die ʺEinziehung [sei] dennoch eine inländische Strafe und als solche nur nach inländischen Verhältnissen und inländischem Recht zu bemessenʺ[8].

Nach Wegfall des Strafcharakters der Einziehung können für die Wertbestimmung des Erlangten daher grundsätzlich auch Auslandsgeschäfte in den Blick genommen werden. So finden – unabhängig von dem Sitz der Drittbegünstigen – jedenfalls tatsächlich im Ausland durch legale Weiterverkäufe erzielte Erlöse Berücksichtigung. Denn der erhöhte finanzielle Anreiz der Taten, den die §§ 73 ff. StGB im Blick haben, ergibt sich nicht ausschließlich daraus, welchen Erlös die Begünstigten in der Bundesrepublik Deutschland erzielen können, zumal es sich gerade bei Verstößen gegen das Außenwirtschaftsgesetz zwingend um grenzüberschreitende Sachverhalte handelt. Dies steht in Einklang damit, dass die Einziehungsmaßnahmen auch einen Präventionszweck verfolgen[11].

Offenbleiben kann, ob für die Wertbestimmung des Erlangten – insbesondere bei ausschließlich im Inland operierenden Gesellschaften – auch auf im Ausland erzielbare Erlöse abgestellt werden kann, denn vorliegend hat die Revisionsführerin die eingezogene Summe tatsächlich vereinnahmt.

Eine Divergenz im Sinne des § 132 Abs. 2 GVG ergibt sich hieraus nicht. Die zitierte Entscheidung des 2. Strafsenats vom 06.02.1953[12] betraf ein anderes, inzwischen aufgehobenes Gesetz. Das ursprüngliche Verfallsrecht der §§ 73 ff. StGB aF wurde erst zum 1.01.1975 eingeführt – die aktuelle Gesetzesfassung trat zum 1.07.2017 in Kraft[13] – und ging in seinem Anwendungsbereich deutlich über die Einziehung nach § 401 RAbgO hinaus. Überdies ist die Einziehung von Taterträgen auch nach neuem Recht anders als die als Nebenstrafe ausgestaltete Einziehung nach § 401 RAbgO weder eine Strafe noch eine strafähnliche Maßnahme[14].

Von dem so bestimmten Verkehrswert sind keine Aufwendungen abzuziehen (§ 73d StGB).

Bundesgerichtshof, Urteil vom 1. Juli 2021 – 3 StR 518/19

  1. Aufgabe von BGH, Urteil vom 06.02.1953 – 2 StR 714/51, BGHSt 4, 13, und RG, Urteil vom 13.11.1919 – I 460/19, RGSt 54, 45[]
  2. BT-Drs. 18/9525 S. 67; Lackner/Kühl/Heger, StGB, 29. Aufl., § 73c Rn. 4; Matt/Renzikowski/Altenhain/Fleckenstein, StGB, 2. Aufl., § 73c Rn. 4; Schönke/Schröder/Eser/Schuster, StGB, 30. Aufl., § 73c Rn. 10; SSW-StGB/Heine, 5. Aufl., § 73c Rn. 7[]
  3. vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 06.06.2014 – 2 Ss 541/13 18 ff.; Lackner/Kühl/Heger, StGB, 29. Aufl., § 73c Rn. 4; LK/Lohse, StGB, 13. Aufl., § 73c Rn. 18; Matt/Renzikowski/Altenhain/Fleckenstein, StGB, 2. Aufl., § 73c Rn. 4 mit Fn. 16 und dem Hinweis, dass in der Gesetzesbegründung versehentlich auf den ʺZeitpunkt der Möglichkeit der Originaleinziehungʺ [BT-Drs. 18/9525 S. 16] abgestellt wird; Schönke/Schröder/Eser/Schuster, StGB, 30. Aufl., § 73c Rn. 10; SSW-StGB/Heine, 5. Aufl., § 73c Rn. 7; s. auch BGH, Beschluss vom 06.06.2018 – 4 StR 569/17, NJW 2018, 3325 Rn. 28[]
  4. vgl. Matt/Renzikowski/Altenhain/Fleckenstein, StGB, 2. Aufl., § 73c Rn. 4; Schönke/Schröder/Eser/Schuster, StGB, 30. Aufl., § 73c Rn. 10[]
  5. so BGH, Urteil vom 06.02.1953 – 2 StR 714/51, BGHSt 4, 13; RG, Urteil vom 13.11.1919 – I 460/19, RGSt 54, 45, 47; so auch LK/Lohse, StGB, 13. Aufl., § 73c Rn. 14; Schönke/Schröder/Eser/Schuster, StGB, 30. Aufl., § 73c Rn. 10[]
  6. BGH, Urteil vom 06.02.1953 – 2 StR 714/51, BGHSt 4, 13[]
  7. RG, Urteil vom 13.11.1919 – I 460/19, RGSt 54, 45[]
  8. RG, Urteil vom 13.11.1919 – I 460/19, RGSt 54, 45, 47[][]
  9. BGH, Beschluss vom 06.06.2018 – 4 StR 569/17, NJW 2018, 3325 Rn. 33[]
  10. BVerfG, Beschlüsse vom 10.02.2021 – 2 BvL 8/19, NJW 2021, 1222 Rn. 106 ff.; vom 14.01.2004 – 2 BvR 564/95, BVerfGE 110, 1, 14; BGH, Urteile vom 30.03.2021 – 3 StR 474/19 69 f.; vom 19.01.2012 – 3 StR 343/11, BGHSt 57, 79 Rn. 15; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 18.03.2019 – 2 Rb 9 Ss 852/18 21; Fischer, StGB, 68. Aufl., § 73a Rn. 4, § 73b Rn. 2 mwN; aA Hellmann, Wirtschaftsstrafrecht, 5. Aufl., § 17 Rn. 1118 mwN; Theile, JA 2020, 1, 2 f.[]
  11. vgl. BGH, Urteil vom 30.03.2021 – 3 StR 474/19 69; BGH, Beschluss vom 18.02.2004 – 1 StR 296/03, BGHR StGB § 73c Härte 9; Urteil vom 21.08.2002 – 1 StR 115/02, BGHSt 47, 369, 375[]
  12. 2 StR 714/51, BGHSt 4, 13[]
  13. BGBl. I, S. 872, 894[]
  14. auch BVerfG, Beschluss vom 10.02.2021 – 2 BvL 8/19, NJW 2021, 1222 Rn. 106 ff.; BGH, Beschluss vom 06.06.2018 – 4 StR 569/17, NJW 2018, 3325 Rn. 33[]