Lybien-Embargo betrifft keine deutschen Tochtergesellschaften

Verbietet das von den Vereinten Nation und der Europäischen Union verhängte Lybien-Embargo auch die Belieferung von Tankstellen in Deutschland, die sich mittelbar in lybischen Besitz befinden? Mit dieser Frage zur Reichweite des Libyen- Embargos des UN-Sicherheitsrates und der Europäischen Union hatte sich jetzt das Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg im Rahmen eines einstweiligen Verfügungsverfahrens zu befassen.

Lybien-Embargo betrifft keine deutschen Tochtergesellschaften

Die Klägerin, die ihren Sitz in Zypern hat, betreibt über ein deutsches Tochterunternehmen ca. 390 Tankstellen in Deutschland. Dabei beliefert sie Tankstellen im norddeutschen Raum über eigene Raffinerien, Tankstellen außerhalb des norddeutschen Raums lässt sie von Vertragspartnern, z.B. der Beklagten, einem britischen Mineralölunternehmen, beliefern.

Über eine Kette von Beteiligungen steht die Klägerin mehrheitlich im Eigentum der staatlichen Erdölgesellschaft Libyens, die wiederum der Kontrolle Muammar al Gaddafis untersteht. Erdölgesellschaft und Gaddafi befinden sich auf der Liste von Personen, Organisationen und Einrichtungen, denen nach den im März 2011 erlassenen EU-Sanktionen gegen Libyen weder unmittelbar noch mittelbar Gelder oder wirtschaftliche Ressourcen zur Verfügung gestellt werden oder zugute kommen dürfen (Art. 5 Abs. 2 Verordnung [EU] 204/2011).

Unter Berufung auf diese Regelung stellte die Beklagte im März 2011 die Belieferung der Tankstellen der Klägerin ein. Hiergegen erwirkte die Klägerin beim Landgericht Hamburg eine einstweilige Verfügung, die die Beklagte verpflichtet, die von der Klägerin für März 2011 abgerufenen Treibstoffmengen zu liefern. Gegen diese Entscheidung hat die Beklagte Berufung zum Hanseatischen Oberlandesgericht Hamburg eingelegt, das jetzt die Berufung mit der Begründung zurück wies, die Beklagte sei vertraglich verpflichtet, die Tankstellen der Klägerin zu beliefern.

Zugunsten der Klägerin greife die Ausnahmevorschrift des Art. 6a der EU-Verordnung ein. Danach dürfen u.a. Gesellschaften, an denen auf der Sanktionsliste genannte Personen, Organisationen und Einrichtungen eine Beteiligung halten, ihre rechtmäßigen Geschäfte weiterführen, sofern dies nicht dazu führt, dass einer auf der Sanktionsliste benannten Person, Organisation oder Einrichtung Gelder oder wirtschaftliche Ressourcen bereitgestellt werden. Die Klägerin habe mit den im Verfügungsverfahren erforderlichen Mitteln belegt, dass weder die staatliche Erdölgesellschaft noch der libysche Staat auf die Einnahmen aus den Verkäufen des Treibstoffs an den deutschen Tankstellen zugreifen können.

Bei der Entscheidung sei auch zu berücksichtigen, dass die Tankstellen ohne Belieferung durch die Beklagte binnen kurzer Zeit ihren Geschäftsbetrieb einstellen müssten. Dies sei nicht im Sinne der EU-Sanktionen, denn diese würden das Ziel verfolgen, die eingefrorenen Vermögenswerte sobald wie möglich zum Nutzen des libyschen Volkes zu verwenden. Das setze aber zwingend den Erhalt dieser Vermögenswerte und damit die Fortführung der Unternehmen voraus.

Schließlich müsse im Rahmen der auch in diesem Fall erforderlichen Verhältnismäßigkeitsprüfung der drohende erhebliche Verlust an Arbeitsplätzen in der Bundesrepublik berücksichtigt werden. Nach Auffassung des Hanseatischen Oberlandesgerichts soll Art. 6a der Verordnung gerade solche schweren Beeinträchtigungen der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit nicht gelisteter Unternehmen verhindern.

Hansesatisches Oberlandesgericht Hamburg, Urteil vom 27. Juni 2011 – 13 U 83/11