Steuerfreiheit pauschaler Lohnzuschläge bei Schweizer Grenzgängern

Bei einem Grenzgänger i.S. des Art. 15a DBA-Schweiz[1] können dessen Einkünfte aus unselbständiger Arbeit im Ansässigkeitsstaat besteuert werden. Da der Begriff der unselbständigen Arbeit im Abkommen selbst nicht definiert ist, ist –soweit sich aus der Systematik des DBA-Schweiz nichts Gegenteiliges ergibt– gemäß Art. 3 Abs. 2 DBA-Schweiz auf das nationale Recht abzustellen[2]. Denn nach dieser Bestimmung hat bei Anwendung des Abkommens durch einen Vertragsstaat, wenn der Zusammenhang nichts anderes erfordert, jeder nicht anders definierte Ausdruck die Bedeutung, die ihm nach dem Recht dieses Staates über die Steuern zukommt, welche Gegenstand des Abkommens sind.

Steuerfreiheit pauschaler Lohnzuschläge bei Schweizer Grenzgängern

Nach § 3b Abs. 1 EStG sind Zuschläge, die für tatsächlich geleistete Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit neben dem Grundlohn gezahlt werden, steuerfrei, soweit sie bestimmte Prozentsätze des Grundlohns nicht übersteigen. Nach Abs. 2 Satz 1 1. Halbsatz dieser Vorschrift ist Grundlohn der laufende Arbeitslohn, der dem Arbeitnehmer bei der für ihn maßgebenden regelmäßigen Arbeitszeit für den jeweiligen Lohnzahlungszeitraum zusteht.

Die Steuerfreiheit pauschaler Zuschläge, die der Arbeitgeber ohne Rücksicht auf die Höhe der tatsächlich erbrachten Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit an den Arbeitnehmer leistet, setzt nach der BFHsrechtsprechung[3] jedenfalls voraus, dass diese Zuschläge nach dem übereinstimmenden Willen von Arbeitgeber und Arbeitnehmer als Abschlagszahlungen oder Vorschlüsse auf eine spätere Einzelabrechnung geleistet werden[4]. Dies gilt auch dann, wenn der Arbeitnehmer bei einem ausländischen Arbeitgeber beschäftigt ist[5].

Nach diesen Grundsätzen sind die im Streitfall gewährten Zuschläge für die Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit nicht steuerfrei. Vorliegend wurden dem Grenzgänger die streitbefangenen Zuschläge gewährt, ohne dass es hierbei auf die von ihm tatsächlich geleistete Tätigkeit zu den nach § 3b Abs. 2 EStG begünstigten Zeiten ankam. Denn obwohl er in den jeweiligen Kalendermonaten des Streitjahres Sonntags-, Feiertags- bzw. Nachtarbeit unregelmäßig leistete, veränderte sich die Höhe der monatlich gewährten Zulage nicht. Mithin erhielt er die Zuschläge nicht als Abschlagzahlungen oder als Vorschüsse auf eine spätere Einzelabrechnung, sondern endgültig.

Die Versagung der Steuerfreiheit verstößt nicht gegen die Arbeitnehmerfreizügigkeit. Diese ist zwar aufgrund Art. 9 Abs. 2 des Anhangs – I des Abkommens zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Schweizerischen Eidgenossenschaft andererseits über die Freizügigkeit vom 21.06.1999[6] grundsätzlich auch im Verhältnis zu der Schweiz zu beachten. Der Kläger wird durch die Versagung der Steuerfreiheit in seinem Recht auf Freizügigkeit nicht in gemeinschaftsrechtswidriger Weise beschränkt. Zwar steht die Arbeitnehmerfreizügigkeit jeder Maßnahme entgegen, die, auch wenn sie ohne Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit gilt, geeignet ist, die Ausübung der durch den Vertrag garantierten Grundfreiheiten durch die Unionsangehörigen zu behindern oder weniger attraktiv zu machen[7]. An derartigen beschränkenden Maßnahmen fehlt es indes, weil der Kläger nicht ungünstiger als ein bei einem deutschen Arbeitgeber beschäftigter Arbeitnehmer behandelt wird. Denn auch bei diesem sind pauschale Zuschläge in den Fällen ihrer definitiven Gewährung nicht nach § 3b EStG steuerfrei[8].

Keinen Erfolg hat schließlich die Berufung auf die Verwaltungsvorschrift der Oberfinanzdirektion Karlsruhe in Fach B Teil 2 Nr. 10 des sog. Grenzgängerhandbuchs, aus der sie meinen, ableiten zu können, bei einem schweizerischen Arbeitgeber unterfielen pauschale Zuwendungen insoweit der Steuerbefreiung, als die Sonntags-, Feiertags- bzw. Nachtarbeit durch den Arbeitnehmer im Einzelnen nachgewiesen werde. Ganz abgesehen davon, dass sich der angeführten Bestimmung eine entsprechende Regelung nicht entnehmen lässt, handelt es sich hierbei nur um eine norminterpretierende Verwaltungsvorschrift, die keine Rechtsnormqualität hat und die Gerichte nicht bindet[9].

Bundesfinanzhof, Urteil vom 24. September 2013 – VI R 48/12

  1. Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen vom 11.08.1971, BGBl II 1972, 1022, BStBl I 1972, 519, i.d.F. des Änderungsprotokolls vom 21.12.1992, BGBl II 1993, 1888, BStBl I 1993, 928[]
  2. Wassermeyer in Debatin/Wassermeyer, Doppelbesteuerung, MA Art. 15 Rz 53; BFH, Urteil vom 29.04.2009 – X R 31/08, BFH/NV 2009, 1625; Brandis in Debatin/Wassermeyer, a.a.O., Schweiz Art. 15 Rz 26[]
  3. vgl. etwa BFH, Urteil vom 08.12.2011 – VI R 18/11, BFHE 236, 97, BStBl II 2012, 291, m.w.N.[]
  4. zu den weiteren Voraussetzungen der Steuerfreiheit für pauschale Zuschläge vgl. etwa BFH, Urteil vom 16.12.2010 – VI R 27/10, BFHE 232, 174, BStBl II 2012, 288, m.w.N.[]
  5. vgl. BFH, Urteil in BFHE 232, 174, BStBl II 2012, 288[]
  6. BGBl II 2001, 811[]
  7. EuGH, Urteil vom 01.04.2008 – C-212/06 [Gouvernement de la Communauté francaise und Gouvernement wallon], Slg. 2008, I-1683, Randnr. 45, m.w.N.[]
  8. vgl. etwa BFH, Urteil in BFHE 236, 97, BStBl II 2012, 291[]
  9. vgl. BFH, Urteil vom 13.01.2011 – V R 12/08, BFHE 232, 261, BStBl II 2012, 61, m.w.N.[]