Art. 16 Abs. 1 DBA-Südafrika bestimmt, dass Ruhegehälter und ähnliche Vergütungen, die einer in einem Vertragsstaat ansässigen Person für frühere unselbständige Tätigkeit gezahlt werden, „nur“ im Ansässigkeitsstaat besteuert werden können, wenn diese Einkünfte im Ansässigkeitsstaat „der Besteuerung unterliegen“.
In einem Verfahren zur Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes hat der Bundesfinanzhof Art. 16 Abs. 1 DBA-Südafrika dahingehend ausgelegt, dass bei fehlender tatsächlicher Besteuerung, d.h. der Nichtausübung eines bestehenden Besteuerungsrechts im Ansässigkeitsstaat, dem Quellenstaat das Besteuerungsrecht zusteht[1]. Daran hält er auch weiterhin fest.
Der Bundesfinanzhof folgt nicht der Auffassung, ass die streitigen Einkünfte in Südafrika der Besteuerung unterlegen haben. Sie sind zwar im Rahmen des dort geltenden Welteinkommensprinzips als „income“ in der Steuererklärung angegeben worden und stellen damit im Grundsatz steuerbare Einkünfte dar. Sie sind dort aber von der nationalen Einkommensteuer befreit und damit (tatsächlich) nicht besteuert worden. Mithin haben sie bereits nach dem Wortlaut der Regelung nicht der Besteuerung im Ansässigkeitsstaat Südafrika unterlegen.
Auch gebietet der Sinn und Zweck der Regelung keine andere Auslegung. Insbesondere in seiner Entscheidung – I R 158/90 zum DBA-Kanada 1981[2] hat der Bundesfinanzhof herausgestellt, dass die Rückfallklausel im Methodenartikel des Abkommens zum Ziel hat, nicht mehr die sog. virtuelle Doppelbesteuerung, sondern nur die tatsächliche Doppelbesteuerung zu vermeiden. Obwohl nach dem Wortlaut von Art. 23 Abs. 3 DBA-Kanada 1981 lediglich davon gesprochen wird, ob Einkünfte „im anderen Vertragsstaat besteuert werden“, hat der Bundesfinanzhof demgemäß maßgebend auf die tatsächliche Besteuerung der streitigen Einkünfte und damit auf die Zahlung eines entsprechenden Steuerbetrags abgestellt. Nachdem der Bundesfinanzhof diese Rechtsprechung zwischenzeitlich aufgegeben hatte[3], ist er zu seinem ursprünglichen Abkommensverständnis wieder zurückgekehrt[4]. Er hat dabei dem durchaus unterschiedlichen Wortlaut der fraglichen Abkommensbestimmungen („effektiv nicht besteuert“ bzw. „besteuert werden“) keine weitergehende Bedeutung beigemessen[5]. Dieses Abkommensverständnis des Bundesfinanzhofs in Bezug auf Rückfallklauseln im Methodenartikel eines Abkommens ist auf die Rückfallklausel in den Verteilungsnormen eines Abkommens -im Streitfall Art. 16 Abs. 1 DBA-Südafrika- zu übertragen. Das Besteuerungsrecht des Quellenstaates hängt damit maßgebend davon ab, ob der Ansässigkeitsstaat sein Besteuerungsrecht ausgeübt hat, d.h. die streitigen Einkünfte im Ansässigkeitsstaat tatsächlich besteuert worden sind[6]. Dies war vorliegend nicht der Fall.
Abs. 1 DBA-Südafrika ordnet zwar ausdrücklich an, dass „nur“ der Ansässigkeitsstaat „Ruhegehälter und ähnliche Vergütungen“ besteuern darf. Dies wird aber unter den Vorbehalt gestellt, dass diese Einkünfte im Ansässigkeitsstaat auch „der Besteuerung unterliegen“. Entgegen der Beschwerde ist damit der Regelung im Umkehrschluss die Aussage zu entnehmen, dass der Quellenstaat -soweit dieser Vorbehalt nicht erfüllt ist- diese Einkünfte besteuern darf. Der Bundesfinanzhof versteht Art. 16 Abs. 1 DBA-Südafrika als sog. „Rückfallklausel“, ohne dass der Regelung eine entsprechende Anordnung des Rückfalls des Besteuerungsrechts ausdrücklich zu entnehmen ist. Auch diese Auslegung entspricht der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs zu Rückfallklauseln im Methodenartikel nach den entsprechenden Abkommen mit Italien und Kanada[7].
Soweit im Rahmen des § 50d Abs. 8 EStG 2009 die Freistellung ausländischer Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit nach dem Methodenartikel des jeweiligen Abkommens (auch) gewährt wird, wenn der ausländische Staat auf sein Besteuerungsrecht verzichtet hat, mag der Gesetzgeber damit zum Ausdruck gebracht haben, dass der (positiv erklärte oder ausgeübte) Verzicht auf die Besteuerung der aus dem eigenen Staat stammenden Einkünfte dem Steuerpflichtigen selbst und nicht dem jeweils anderen Staat zugutekommen soll. Ein derartiges Regelungsverständnis ist aber angesichts der abweichenden Regelungstexte nicht ohne weiteres auf die Rückfallklauseln in den jeweiligen Abkommen übertragbar.
Angesichts dessen war den Hinweisen des Rentners auf das in Südafrika für sog. „permanent residents“ geltende Welteinkommensprinzip sowie die in Südafrika für Ruhegehälter geltenden Richtlinien der SARS nicht weiter nachzugehen. Entsprechendes gilt für den nachgereichten Schriftsatz vom 09.10.2015, mit dem der Rentner seine Ausführungen zur Besteuerung nach dem Welteinkommensprinzip in Südafrika noch einmal vertieft.
Bundesfinanzhof, Beschluss vom 13. Oktober 2015 – I B 68/14
- BFH, Beschluss vom 24.10.2012 – I B 47/12, BFH/NV 2013, 196[↩]
- BFH, Urteil vom 05.02.1992, BFHE 167, 496, BStBl II 1992, 660 zu Art. 23 Abs. 3 DBA-Kanada 1981[↩]
- vgl. BFH, Urteil vom 17.12 2003 – I R 14/02, BFHE 204, 263, BStBl II 2004, 260[↩]
- BFH, Urteil vom 17.10.2007 – I R 96/06, BFHE 219, 534, BStBl II 2008, 953 zu Art. 24 Abs. 3 Buchst. a DBA-Italien 1989 und Abschn. 16 Buchst. d des dazu ergangenen Protokolls[↩]
- vgl. BFH, Urteil in BFHE 219, 534, BStBl II 2008, 953, dort Rz 23[↩]
- vgl. BFH, Beschluss in BFH/NV 2013, 196[↩]
- vgl. BFH, Urteile in BFHE 219, 534, BStBl II 2008, 953, und in BFHE 167, 496, BStBl II 1992, 660[↩]