Die fehlende Besicherung einer Forderung aus Lieferbeziehungen gehört grundsätzlich zu den nicht fremdüblichen „Bedingungen“ i.S. des § 1 Abs. 1 AStG. Gleiches gilt für Art. 9 Abs. 1 OECD-MustAbk (hier: Art. 9 DBA-China 1985). Art. 9 Abs. 1 OECD-MustAbk (hier: Art. 9 DBA-China 1985) beschränkt den Korrekturbereich des § 1 Abs. 1 AStG nicht auf sog. Preisberichtigungen, sondern ermöglicht auch die Neutralisierung der gewinnmindernden Forderungsausbuchung oder -abschreibung[1]. Einer Einkünftekorrektur nach § 1 Abs. 1 AStG steht im Zusammenhang mit Tochtergesellschaften aus Drittstaaten das Unionsrecht nicht entgegen.

Werden Einkünfte eines Steuerpflichtigen aus Geschäftsbeziehungen mit einer ihm nahestehenden Person dadurch gemindert, dass er im Rahmen solcher Geschäftsbeziehungen zum Ausland Bedingungen vereinbart, die von denen abweichen, die voneinander unabhängige Dritte unter gleichen oder ähnlichen Verhältnissen vereinbart hätten, so sind seine Einkünfte unbeschadet anderer Vorschriften gemäß § 1 Abs. 1 AStG so anzusetzen, wie sie unter den zwischen unabhängigen Dritten vereinbarten Bedingungen angefallen wären. Geschäftsbeziehung in diesem Sinne ist gemäß § 1 Abs. 4 AStG jede den Einkünften zugrunde liegende schuldrechtliche Beziehung, die keine gesellschaftsvertragliche Vereinbarung ist und entweder beim Steuerpflichtigen oder bei der nahestehenden Person Teil einer Tätigkeit ist, auf die die §§ 13, 15, 18 oder 21 EStG anzuwenden sind oder im Fall eines ausländischen Nahestehenden anzuwenden wären, wenn die Tätigkeit im Inland vorgenommen würde.
Danach kommt in dem hier vom Bundesfinanzhof entschiedenen Fall eine außerbilanzielle Hinzurechnung der dort in Rede stehenden Gewinnminderungen nach § 1 AStG in Betracht:
Die Lieferbeziehung zwischen der Muttergesellschaft und der A Ltd. ist eine solche Geschäftsbeziehung, zu deren Bedingungen die Nichtbesicherung der Ansprüche gehört[2]. Der Begriff der Bedingung ist zwar gesetzlich nicht definiert, im gewöhnlichen Geschäftsverkehr sind hierzu jedoch bei Lieferbeziehungen üblicherweise auch Vereinbarungen über ggf. zu stellende Sicherheiten zu rechnen. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die Ausführungen in dem BFH, Urteil zum Parallelverfahren[3] Bezug genommen.
Zu der Frage, ob die fehlende Besicherung der Zahlungsforderungen aus den Lieferverhältnissen dem entspricht, was ein fremder, nicht durch ein Gesellschaftsverhältnis mit der Abnehmerin verbundener Lieferant[4] im konkreten Lieferverhältnis[5] mit der A Ltd. vereinbart hätte, hat das Finanzgericht keine Feststellungen getroffen. Auch ist dem angefochtenen Urteil nichts dazu zu entnehmen, ob und wann ein fremder Dritter ggf. (zumindest) zu einem späteren Zeitpunkt[6] auf einer werthaltigen Besicherung der Ausstände bestanden hätte[7].
Das Finanzgericht hat sich -aus seiner Sicht konsequent- mit der Fremdvergleichsproblematik nicht näher befasst, weil es der bisherigen Bundesfinanzhofsrechtsprechung[8] gefolgt ist. Dieser Rechtsprechung zufolge sollte unter der Geltung der Art. 9 Abs. 1 des Musterabkommens der Organisation for Economic Cooperation and Development[9] nachgebildeten Bestimmungen, zu denen auch der im Streitfall einschlägige Art. 9 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Volksrepublik China zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen; und vom Vermögen vom 10.06.1985[10] -DBA-China 1985- gehört, eine Einkünftekorrektur nach § 1 Abs. 1 AStG nur dann möglich sein, wenn der zwischen den verbundenen Unternehmen vereinbarte Preis seiner Höhe[11] nach dem Fremdvergleichsmaßstab nicht standhalte. An dieser Rechtsprechung hält der Bundesfinanzhof indessen nicht fest. Vielmehr ermöglicht der Korrekturbereich des Art. 9 Abs. 1 OECD-MustAbk auch die Neutralisierung der gewinnmindernden Ausbuchung einer Darlehensforderung oder einer Teilwertabschreibung hierauf. Zur Begründung wird wiederum auf das BFH, Urteil in BFHE 263, 525, BStBl II 2019, 394[12] Bezug genommen. Für Art. 9 DBA-China 1985 ergibt sich insoweit kein abweichendes Ergebnis.
Die Vornahme eines Fremdvergleichs im Rahmen des § 1 Abs. 1 AStG ist nicht aus anderen Gründen entbehrlich.
Wäre ein fremder Dritter als Lieferant in der Situation der Muttergesellschaft nicht bereit gewesen, ohne werthaltige Besicherung der Zahlungsforderungen mit der Warenlieferung in Vorleistung zu treten, würde der sog. Rückhalt im Konzern die Tatbestandsmäßigkeit nach § 1 AStG nicht hindern. Der Topos des sog. Konzernrückhalts beschreibt lediglich den rechtlichen und wirtschaftlichen Rahmen der Unternehmensverflechtung und bringt die Üblichkeit zum Ausdruck, innerhalb eines Konzerns Kreditansprüche nicht wie unter Fremden abzusichern. Eine fremdübliche (werthaltige) Besicherung des Rückzahlungsanspruchs im Sinne einer aktiven Einstandsverpflichtung kann allein in den Einflussnahmemöglichkeiten des beherrschenden Gesellschafters auf den Schuldner jedoch nicht gesehen werden. Auch insoweit wird auf das BFH, Urteil in der Parallelsache[13] Bezug genommen.
Die Einkünfteminderung wäre i.S. von § 1 AStG durch („dadurch“) die fehlende Besicherung eingetreten[14]. Maßgeblich hierfür ist -im Sinne des Veranlassungsprinzips[15]– das die gewinnmindernde Forderungsausbuchung und -abschreibung „auslösende Moment“. Bei der hierfür gebotenen wertenden Betrachtung ist nicht auf die Zahlungsunfähigkeit der A Ltd., sondern deshalb vorrangig auf die fehlende Besicherung abzustellen, weil die Muttergesellschaft hierdurch ihren Zahlungsanspruch an die wirtschaftliche Entwicklung ihrer Tochtergesellschaft geknüpft hat und eine solche „Vermischung der Vermögensrisiken“ im Falle der Einräumung werthaltiger Sicherungsrechte nicht eingetreten wäre.
Schließlich widerstreitet auch das Unionsrecht nicht einer Einkünftekorrektur nach § 1 Abs. 1 AStG.
Sofern angesichts der nach § 1 Abs. 2 AStG erforderlichen „wesentlichen Beteiligung“ die Niederlassungsfreiheit (Art. 43 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft i.d.F. des Vertrags von Nizza zur Änderung des Vertrags über die Europäische Union, der Verträge zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften sowie einiger damit zusammenhängender Rechtsakte -EG-, Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften 2002, Nr. C 325, 1, jetzt Art. 49 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union i.d.F. des Vertrags von Lissabon zur Änderung des Vertrags über die Europäische Union und des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft -AEUV-, Amtsblatt der Europäischen Union 2008, Nr. C 115, 47) einschlägig ist, ist diese im Streitfall nicht anwendbar, weil die Niederlassungsfreiheit nur im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten der Europäischen Union gewährleistet ist, zu denen die Volksrepublik China nicht gehört.
Die grundsätzlich auch im Verkehr mit Drittstaaten geschützte Kapitalverkehrsfreiheit (Art. 56 EG, jetzt Art. 63 AEUV) ist wegen der sog. Standstill-Klausel des Art. 57 Abs. 1 EG (jetzt Art. 64 Abs. 1 AEUV) auf die Rechtsfolgen des § 1 Abs. 1 AStG nicht anwendbar. Nach Art. 57 Abs. 1 EG berührt Art. 56 EG nicht die Anwendung derjenigen Beschränkungen auf dritte Länder, die am 31.12 1993 aufgrund einzelstaatlicher oder gemeinschaftlicher Rechtsvorschriften für den Kapitalverkehr mit dritten Ländern im Zusammenhang mit Direktinvestitionen einschließlich Anlagen in Immobilien, mit der Niederlassung, der Erbringung von Finanzdienstleistungen oder der Zulassung von Wertpapieren zu den Kapitalmärkten bestehen. Die Standstill-Klausel ist in den Anwendungsfällen des § 1 Abs. 1 AStG einschlägig, weil diese Vorschrift bereits am 31.12 1993 bestanden hat und in ihrem Kern unverändert geblieben ist.
Da die Anwendung des § 1 Abs. 1 AStG nach § 1 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 AStG eine „wesentliche Beteiligung“ des Steuerpflichtigen in Höhe von mindestens 25 % bzw. einen beherrschenden Einfluss auf das ausländische Unternehmen voraussetzt, handelt es sich durchweg um Direktinvestitionen i.S. von Art. 57 Abs. 1 EG. Für eine solche reicht es aus, dass der Investor aufgrund der Investition die Möglichkeit hat, sich tatsächlich an der Verwaltung der Tochtergesellschaft oder deren Kontrolle zu beteiligen[16]. Dass es sich bei der im Streitfall gegebenen 100 %-Beteiligung der Muttergesellschaft an der A Ltd. um eine Direktinvestition handelt, steht im Übrigen außer Frage.
Das angefochtene Urteil beruht auf einer abweichenden rechtlichen Beurteilung. Es ist daher aufzuheben. Die Sache ist an das Finanzgericht zurückzuverweisen, damit dieses die erforderlichen Feststellungen zur Fremdüblichkeit der Nichtbesicherung der Forderungen treffen kann. Sollte die Nichtbesicherung der Forderungen fremdüblich sein, wird das Finanzgericht bei seiner Entscheidung hinsichtlich der Forderungsabschreibung gegenüber der chinesischen Tochterkapitalgesellschaft zu prüfen haben, ob die Einkünfte der Muttergesellschaft in der einheitlichen und gesonderten Gewinnfeststellung vor oder erst nach Anwendung des § 8b Abs. 3 KStG festzustellen oder nur nachrichtlich im Gewinnfeststellungsbescheid mitzuteilen sind[17].
Bundesfinanzhof, Urteil vom 27. Februar 2019 – I R 51/17
- entgegen BFH, Urteile vom 24.06.2015 – I R 29/14, BFHE 250, 386, BStBl II 2016, 258; und vom 17.12 2014 – I R 23/13, BFHE 248, 170, BStBl II 2016, 261[↩]
- noch offen gelassen im BFH, Urteil vom 17.12 2014 – I R 23/13, BFHE 248, 170, BStBl II 2016, 261, Rz 15[↩]
- vom 27.02.2019 – I R 73/16, BFHE 263, 525, BStBl II 2019, 394, Rz 21[↩]
- ex ante[↩]
- Kaufpreis von … EUR, keine Verzinsung[↩]
- nach der Lieferung[↩]
- vgl. BFH, Beschluss vom 15.05.2018 – I B 114/17, BFH/NV 2018, 1092, zu „stehengelassenen“ Forderungen aus Lieferungen und Leistungen[↩]
- Urteile in BFHE 248, 170, BStBl II 2016, 261; und vom 24.06.2015 – I R 29/14, BFHE 250, 386, BStBl II 2016, 258[↩]
- OECD-Musterabkommen -OECD-MustAbk-[↩]
- BGBl II 1986, 447, BStBl I 1986, 330[↩]
- seiner Angemessenheit[↩]
- Rz 24 ff.[↩]
- BFHE 263, 525, BStBl II 2019, 394, Rz 13, 18[↩]
- noch offen gelassen in BFH, Urteilen in BFHE 250, 386, BStBl II 2016, 258, Rz 16, und in BFHE 248, 170, BStBl II 2016, 261, Rz 15[↩]
- dazu BFH, Urteil vom 18.04.2018 – I R 37/16, BFHE 261, 166, BStBl II 2019, 73, Rz 23[↩]
- z.B. Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union, früher: Europäischer Gerichtshof, Holböck vom 24.05.2007 – C-157/05, EU:C:2007:297; Rz 35, Slg. 2007, I-4051; BFH, Beschluss vom 12.10.2016 – I R 80/14, BFHE 256, 223, BStBl II 2017, 615, Rz 44[↩]
- vgl. hierzu Herlinghaus in Rödder/Herlinghaus/Neumann, KStG, § 8b Rz 502[↩]