Im Verfahren der Vollstreckbarerklärung eines gerichtlichen Titels aus einem anderen EUMitgliedsland sind andere als die in Artt. 34 und 35 EuGVVO genannten Einwendungen selbst dann nicht berücksichtigungsfähig, wenn sie liquide sind[1]

Der Gerichtshof der Europäischen Union hat entschieden, dass Art. 45 EuGVVO dahin auszulegen ist, dass er der Versagung oder Aufhebung einer Vollstreckbarerklärung einer Entscheidung durch ein Gericht, das über einen Rechtsbehelf gemäß Art. 43 oder 44 EuGVVO entschieden hat, aus einem anderen als einem in den Art. 34 und 35 EuGVVO genannten Grund, wie etwa dem, dass der Entscheidung im Ursprungsmitgliedstaat nachgekommen wurde, entgegensteht[2].
In seinen Ausführungen unterscheidet der Europäische Gerichtshof nicht zwischen liquiden und illiquiden Einwendungen. Deshalb ist davon auszugehen, dass der Europäische Gerichtshof alle nicht von Art. 34 und 35 EuGVVO genannten Einwendungen im Exequaturverfahren als nicht berücksichtigungsfähig ansieht[3].
Bei liquiden Einwendungen drohen zwar keine Verzögerungen im Vollstreckbarerklärungsverfahren. Es greift aber das vom Europäischen Gerichtshof angeführte Argument, dass zwischen dem Exequaturverfahren, welches die Wirkungen der ausländischen Entscheidung in die Rechtsordnung des Zweitstaates „integriert“, und der anschließenden Zwangsvollstreckung strikt zu trennen ist[4]. Der Erfüllungseinwand wird ausschließlich dem späteren Zwangsvollstreckungsverfahren zugeordnet, so dass entsprechende Einwendungen erst in diesem Verfahrensstadium geprüft werden können. Somit gilt, dass nicht nur illiquide[5], sondern auch liquide Einwendungen vom Exequaturverfahren ausgeschlossen sind.
Bundesgerichtshof, Beschluss vom 10. Oktober 2013 – IX ZB 87/11
- anders noch BGH, Beschluss vom 14.03.2007 – XII ZB 174/04, BGHZ 171, 310[↩]
- EuGH, Urteil vom 13.10.2011 – C-139/10, Prism Investments BV/van der Meer, NJW 2011, 3506 Rn. 43[↩]
- Musielak/Lackmann, ZPO, 9. Aufl., Art. 45 EuGVVO Rn. 2; Wagner, IPRax 2012, 326, 331; MellerHannich, GPR 2012, 90, 94; Sujecki, EWS 2012, 110, 111; vgl. auch HkZPO/Dörner, 5. Aufl., Art. 45 EuGVVO Rn. 5; Prütting/Gehrlein/Schinkels, ZPO, 4. Aufl., Art. 45 Rn. 1; MellerHannich in Kindl/MellerHannich/Wolf, Gesamtes Recht der Zwangsvollstreckung, 2. Aufl., § 12 AVAG Rn. 3 f; aA Gerald Mäsch in Kindl/MellerHannich/Wolf, aaO Art. 45 EuGVVO Rn. 4 ausdrücklich gegen EuGH[↩]
- EuGH, aaO Rn. 40[↩]
- vgl. BGH, Beschluss vom 12.07.2012 – IX ZB 267/11, WM 2012, 1555 Rn. 13 ff[↩]