Französische Dividendeneinnahmen einer deutschen KGaA

Für Dividenden, die eine in Frankreich ansässige Kapitalgesellschaft an eine in Deutschland ansässige KGaA zahlt, ist das sog. Schachtelprivileg des Art. 20 Abs. 1 Buchst. a Satz 1 i.V.m. Buchst. b Doppelbuchst. aa Satz 1 DBA-Frankreich a.F. (Art. 20 Abs. 1 Buchst. a Satz 1 und Buchst. b Satz 1 DBA-Frankreich n.F.) auch dann in voller Höhe zu gewähren, wenn persönlich haftende Gesellschafterin der KGaA eine Personengesellschaft ist.

Französische Dividendeneinnahmen einer deutschen KGaA

In dem jetzt vom Bundesfinanzhof entschiedenen Streitfall ist die KGaA in Deutschland ansässig und unterfällt hier mit ihrem Welteinkommen (§ 8 Abs. 1 KStG 1991, § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EStG 1990) der unbeschränkten Steuerpflicht (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG 1991). Darin einbezogen sind auch die Dividenden, die ihr seitens der französischen Tochtergesellschaften zugeflossen sind.

Das Besteuerungsrecht für diese Dividenden steht im Ergebnis jedoch Frankreich und nicht Deutschland zu; sie sind nach Art. 20 Abs. 1 Buchst. a Satz 1 und Buchst. b Doppelbuchst. aa Satz 1 DBA-Frankreich a.F. von der Bemessungsgrundlage der deutschen Körperschaftsteuer auszunehmen[1]. Denn es handelt sich hierbei in Einklang mit jenen Regelungen um aus Frankreich stammende Einkünfte, die einerseits nach dem DBA-Frankreich in Frankreich besteuert werden können (Art. 20 Abs. 1 Buchst. a Satz 1 DBA-Frankreich a.F.) und die andererseits den Dividenden (i.S. von Art. 9 Abs. 1 und 6 DBA-Frankreich a.F.) entsprechen, die von in Frankreich ansässigen Kapitalgesellschaften an eine in Deutschland ansässige Kapitalgesellschaft, der mindestens 10% des Gesellschaftskapitals der französischen Gesellschaften gehören, gezahlt werden (Art. 20 Abs. 1 Buchst. b Doppelbuchst. aa Satz 1 DBA-Frankreich a.F.).

Die Dividenden können grundsätzlich nach dem DBA-Frankreich in Frankreich besteuert werden. Dass Art. 9 Abs. 4 Satz 1 DBA-Frankreich a.F. bei sog. Schachtelbeteiligungen von mindestens 10% Frankreich insofern ein Quellenbesteuerungsrecht versagt, steht dem nicht entgegen; es genügt für die Anwendung des Art. 20 Abs. 1 Buchst. a Satz 1 i.V.m. Buchst. b Doppelbuchst. aa Satz 1 DBA-Frankreich a.F., dass Frankreich gemäß Art. 9 Abs. 2 DBA-Frankreich a.F. allgemein ein Besteuerungsrecht zusteht[2].

Bei der KGaA handelt es sich –nach Maßgabe des insoweit ausschlaggebenden deutschen Rechts[3]— um eine in Deutschland ansässige (vgl. Art. 2 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a DBA-Frankreich a.F.) Kapitalgesellschaft, die im erforderlichen Mindestumfang von 10% Beteiligungen am Kapital der beiden französischen Tochtergesellschaften hält. Die Tochtergesellschaften sind ihrerseits Kapitalgesellschaften, die in Frankreich ansässig sind, und die in Rede stehenden Dividenden dieser Gesellschaften wurden an die KGaA gezahlt.

Damit sind sämtliche tatbestandlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des sog. Schachtelprivilegs i.S. von Art. 20 Abs. 1 Buchst. a Satz 1 und Buchst. b Doppelbuchst. aa Satz 1 DBA-Frankreich a.F. erfüllt. Die unter den Beteiligten diskutierten Rechtsfragen danach, ob eine KGaA „Person“ i.S. des Einleitungssatzes von Art. 20 Abs. 1 i.V.m. Art. 2 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b DBA-Frankreich a.F. ist und ob sie als eine solche Person aus wirtschaftlicher oder steuerrechtlicher Sicht Zahlungsempfängerin der Dividenden ist, stellt sich angesichts dessen nicht.

Zwar regelt Art. 20 Abs. 1 DBA-Frankreich a.F., in welcher Weise die Doppelbesteuerung „bei Personen, die in der Bundesrepublik ansässig sind“, vermieden wird. In der Regel geschieht dies nach Abs. 1 Buchst. a Satz 1 der Vorschrift durch Freistellung der aus Frankreich stammenden Einkünfte jener Personen, bei denen es sich um in einem Vertragsstaat ansässige natürliche oder juristische Personen handeln muss. Doch steht diese Regelung unter dem Vorbehalt der Sonderregeln für Dividenden in Abs. 1 Buchst. b und Buchst. c der Vorschrift, in denen (auch) die Voraussetzungen für die betroffenen „Personen“ im Sinne des Einleitungssatzes spezifiziert und eingegrenzt werden. Nach Art. 20 Abs. 1 Buchst. b Doppelbuchst. aa Satz 1 DBA-Frankreich a.F. sind das –gewissermaßen als eine Teilmenge jener Personen i.S. des Einleitungssatzes– in der Bundesrepublik ansässige Kapitalgesellschaften, zu denen die Beigeladene fraglos gehört (vgl. § 278 des Aktiengesetzes). Personen im Sinne des Einleitungssatzes, die das sog. Schachtelprivileg nach Art. 20 Abs. 1 Buchst. b Doppelbuchst. aa Satz 1 DBA-Frankreich a.F. beanspruchen können, sind so gesehen einerseits nur, andererseits jedwede Kapitalgesellschaften, die (nur) in der Bundesrepublik ansässig sind. Einschränkungen nach der Gesellschafterstruktur jener Kapitalgesellschaften enthält das Abkommen insofern nicht.

Sie werden –im Hinblick auf die Qualifizierung als eine solche Kapitalgesellschaft– auch innerstaatlich nicht getroffen. Soweit solches für den Komplementär einer KGaA geschieht, betrifft das (lediglich) die Einkommenszuordnung zwischen der KGaA und ihrem persönlich haftenden Gesellschafter (vgl. § 9 Abs. 1 Nr. 1 KStG 1991 i.V.m. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EStG 1990), nicht jedoch die (Subjekt-)Eigenschaft der KGaA als Kapitalgesellschaft und damit auch nicht ihre abkommensrechtliche Behandlung im Zusammenhang mit der Gewährung des sog. Schachtelprivilegs. Um die abkommensrechtliche Behandlung der KGaA und des persönlich haftenden Gesellschafters als „Person“[4] geht es in jenem Zusammenhang indes nicht. Ebenso wenig kommt die sog. Wurzeltheorie, nach der der Komplementär der KGaA originäre gewerbliche Einkünfte (i.S. von § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG 1990) und keine (umqualifizierten, vgl. § 20 Abs. 3 EStG 1990) Dividenden erzielt[5], in diesem Zusammenhang zum Zuge: Zwar ist es im Ausgangspunkt Sache des innerstaatlichen und nicht des Abkommensrechts, wem eine Einkunft (in Deutschland nach Maßgabe von § 2 Abs. 1 EStG 1990, ggf. auch § 42 Abs. 1 der Abgabenordnung) zuzurechnen ist. (Erst) an diese Zurechnung knüpft aus methodischer Sicht das Abkommensrecht –über die Abkommensberechtigung– an und hiernach ist die sich hieraus ergebende Steuerfreistellung zu gewähren. Doch setzt sich Art. 20 Abs. 1 Buchst. b Doppelbuchst. aa Satz 1 DBA-Frankreich a.F. über diese materielle Zurechnung abkommensspezifisch hinweg und begünstigt die KGaA als solche, und zwar auch dann, wenn die zu gewährende Freistellung aufgrund der innerstaatlichen Zurechnung –wie im Streitfall der Komplementärin in der Rechtsform einer Personengesellschaft– (auch) einer Person zugute kommt, der die Freistellung an sich nicht zusteht; die (Teil-)Transparenz der „hybriden“ KGaA wirkt sich nicht aus. Dafür, dass § 9 Abs. 1 Nr. 1 KStG 1991 i.V.m. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EStG 1990 umgekehrt als sog. Treaty override konzipiert wäre, wonach das Abkommensrecht hinter dem nationalen Steuerrecht zurücktreten können soll, ist nichts ersichtlich.

Gleiches gilt für die Frage, ob Empfänger der Dividenden jenseits des bloßen Zahlungsvorganges die „hinter“ der KGaA stehenden Gesellschafter sind. Art. 20 Abs. 1 Buchst. b Doppelbuchst. aa Satz 1 DBA-Frankreich a.F. stellt darauf nicht ab. Ausschlaggebend ist hiernach vielmehr allein die Zahlung an eine in der Bundesrepublik ansässige Kapitalgesellschaft („… gezahlt …“). Letzteres ist unter den Gegebenheiten des Streitfalls die KGaA, nicht deren persönlich haftender Gesellschafter. Ob dies nach Maßgabe eines Abkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung, das sich enger als das DBA-Frankreich an das Musterabkommen der Organisation for Economic Cooperation and Development (OECD) anlehnt und wie dort die Begriffe des „Nutzungsberechtigten“ als desjenigen verwendet, welcher die betreffenden Einkünfte „bezieht“[6], anders ist, mag dahinstehen; in Art. 20 Abs. 1 Buchst. b Doppelbuchst. aa Satz 1 DBA-Frankreich a.F. werden beide Begriffe nicht aufgegriffen. Maßgeblich ist deswegen der bloße Abfluss der Beträge bei den leistenden Gesellschaften an die inländische Kapitalgesellschaft[7].

Bundesfinanzhof, Urteil vom 19. Mai 2010 – I R 62/09

  1. im Ergebnis ebenso Kramer, IStR 2010, 57 und 63; Hageböke, IStR 2010, 59; K. Ebling in Hörmann/Jüptner/Kober/Zugmaier [Hrsg.], Brennpunkte des Steuerrechts, Festschrift für Jakob, 2001, S. 67; vgl. auch –zu dem mit Art. 20 Abs. 1 Buchst. a Satz 1 und Buchst. b Doppelbuchst. aa Satz 1 DBA-Frankreich a.F. vergleichbaren, in Art. 23 Abs. 3 Buchst. a Satz 3 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerverkürzung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen und einiger anderer Steuern vom 29. August 1989 vereinbarten sog. Schachtelprivileg– Wolff in Debatin/Wassermeyer, DBA, Art. 7 USA Rz 122; anders Wassermeyer in Kessler/Förster/Watrin [Hrsg.], Unternehmensbesteuerung, Festschrift für Herzig, 2010, S. 897 ff., S. 902 ff.; derselbe in Debatin/Wassermeyer, a.a.O., Art. 3 MA Rz 31[]
  2. siehe im Einzelnen BFH, Urteil vom 29.05.1996 – I R 21/95, BFHE 180, 422, BStBl II 1997, 63[]
  3. s. dazu auch BFH, Urteil vom 20.08.2008 – I R 39/07, BFHE 222, 509, BStBl II 2009, 234[]
  4. vgl. dazu BFH, Urteil vom 17.10.1990 – I R 16/89, BFHE 163, 38, BStBl II 1991, 211[]
  5. vgl. grundlegend BFH, Urteil vom 21.06.1989 – X R 14/88, BFHE 157, 382, BStBl II 1989, 881; näher Hageböke, Das „KGaA-Modell“, 2008, S. 120 f.[]
  6. so Wassermeyer in Festschrift Herzig, a.a.O., S. 897, 906; s. in diesem Zusammenhang auch BFH, Urteil in BFHE 222, 509, BStBl II 2009, 234[]
  7. vgl. zu diesem spezifisch abkommensrechtlichen Verständnis des Ausdrucks „Zahlung“ Wassermeyer in Debatin/ Wassermeyer, a.a.O., Art. 10 MA Rz 39; Grützner in Gosch/ Kroppen/Grotherr, DBA, Art. 10 OECD-MA Rz 46 f.; Gaffron in Haase, AStG/DBA, Art. 10 MA Rz 44[]