Die Vergabe eines zinslosen Gesellschafterdarlehens kann eine „Geschäftsbeziehung“ im Sinne des § 1 AStG[1] begründen[2].

Nach § 1 Abs. 1 AStG a.F. sind, wenn ein Steuerpflichtiger Geschäftsbeziehungen zum Ausland unterhält, seine Einkünfte unter bestimmten Voraussetzungen abweichend von der tatsächlich angefallenen Höhe anzusetzen. Die von der Vorschrift angeordnete Berichtigung der Einkünfte hängt aber davon ab, dass es um ein Verhältnis zwischen einem Steuerpflichtigen und einer ihm nahe stehenden Person geht, das als „Geschäftsbeziehung“ qualifiziert werden kann[3].
„Geschäftsbeziehungen“ im Sinne des § 1 Abs. 1 AStG a.F. liegen gemäß § 1 Abs. 4 AStG a.F. vor, wenn die den Einkünften zugrunde liegende Beziehung entweder beim Steuerpflichtigen oder bei der nahe stehenden Person Teil einer Tätigkeit ist, auf die die §§ 13, 15, 18 oder 21 EStG anzuwenden sind oder wären, wenn die Tätigkeit im Inland vorgenommen worden wäre. Diese Voraussetzung ist im Streitfall erfüllt. Die Klägerin weist zwar zu Recht darauf hin, dass für sie selbst die Gewährung des Darlehens zu Einkünften i.S. des § 20 EStG führt und dass diese Einkunftsart in § 1 Abs. 4 AStG a.F. nicht erwähnt ist. Das Gesetz lässt es für die Annahme einer Geschäftsbeziehung jedoch genügen, dass der Vorgang aus der Sicht der dem Steuerpflichtigen nahe stehenden Person einer der in § 1 Abs. 4 AStG a.F. genannten Einkunftsarten unterfällt; es reicht deshalb hierfür aus, wenn der inländische Steuerpflichtige der ihm nahe stehenden Person ein Darlehen gewährt, dass diese ihrerseits zur Erzielung von Einkünften i.S. des § 1 Abs. 4 AStG a.F. verwendet[4].
Der Bundesfinanzhof hat zu der im Jahr 1985 geltenden Rechtslage entschieden, dass die Garantieerklärung einer Konzern-Obergesellschaft zugunsten eines anderen konzernangehörigen Unternehmens nicht im Rahmen einer Geschäftsbeziehung zwischen den beiden Unternehmen abgegeben wird, wenn die begünstigte Gesellschaft mangels ausreichender Eigenkapitalausstattung ohne sie ihre konzerninterne Funktion nicht erfüllen könnte[5]. Er hat ferner entschieden, dass diese Beurteilung gleichermaßen für diejenige Fassung des Außensteuergesetzes gilt, die durch das Steueränderungsgesetz 1992 vom 25. Februar 1992[6] geschaffen worden ist und seit dem 1. Januar 1992 gilt[7]. Die insoweit maßgebliche Gesetzesfassung ist erst durch das Gesetz zum Abbau von Steuervergünstigungen und Ausnahmeregelungen vom 16. Mai 2003[8] erneut geändert worden, und zwar mit erstmaliger Wirkung zum Veranlagungszeitraum 2003 (§ 21 Abs. 11 Satz 1 AStG i.d.F. des StVergAbG). Sie gilt daher in ihrer ursprünglichen Form u.a. für die Jahre bis 2002. Die Finanzverwaltung hat sich dieser Rechtsprechung inzwischen angeschlossen[9].
Die genannte Rechtsprechung besagt indessen nicht, dass nach der hier maßgeblichen Rechtslage die Gewährung eines unverzinslichen Gesellschafterdarlehens in keinem Fall die Rechtsfolge des § 1 Abs. 1 AStG a.F. auslösen könne. Vielmehr ist sie nur dann nicht Gegenstand einer „Geschäftsbeziehung“, wenn sie entweder nach den Vorschriften des für die Darlehensnehmerin maßgeblichen Gesellschaftsrechts als Zuführung von Eigenkapital anzusehen ist[10] oder wenn sie der Zuführung von Eigenkapital in einer Weise nahesteht, die eine steuerrechtliche Gleichbehandlung mit jener gebietet[11]. Letzteres ist insbesondere dann der Fall, wenn die Darlehensgewährung eine unzureichende Eigenkapitalausstattung der Kapitalgesellschaft ausgleicht und eine notwendige Bedingung dafür ist, dass diese Gesellschaft die ihr zugedachte wirtschaftliche Funktion erfüllen kann[12]. Fehlt es an diesen qualifizierenden Voraussetzungen, so ist im Zusammenhang mit unverzinslichen Gesellschafterdarlehen für eine Korrektur von Einkünften gemäß § 1 Abs. 1 AStG a.F. Raum.
Eine Feststellung, dass erst durch die Darlehensgewährung eine funktionsgerechte Kapitalausstattung herbeigeführt worden ist, ergibt sich erneut nicht allein aus der Bezeichnung des Darlehens als „Finanzplandarlehen“. Denn zum einen ist dieser Begriff nicht so konkret und eindeutig, dass sich aus ihm gesicherte Rückschlüsse auf einen bestimmten wirtschaftlichen Hintergrund der Darlehensgewährung oder eine bestimmte Ausgestaltung der Darlehensbedingungen ziehen lassen könnten[13]. Zum anderen mag er zwar im Kern eine Situation bezeichnen, in der die Darlehensgewährung in der Weise in die Finanzplanung der Gesellschaft einbezogen ist, dass die zur Aufnahme der Geschäfte notwendige Kapitalausstattung durch eine Kombination von Eigen- und Fremdfinanzierung erreicht werden soll[14]. Allein das reicht aber für die Annahme, dass die Darlehensgewährung keine „Geschäftsbeziehung“ im Sinne des § 1 Abs. 1 AStG a.F. begründet, nicht aus. Eine solche ist vielmehr unter dem Gesichtspunkt der „funktionsgerechten Kapitalausstattung“ nur dann zu verneinen, wenn die Darlehensnehmerin so offensichtlich unterkapitalisiert ist, dass sich die Darlehensgewährung von vorn herein einem Fremdvergleich entzieht.
Die hiernach in Betracht kommende Anwendung des § 1 Abs. 1 AStG a.F. ist nicht unter dem Blickwinkel des Rechts der Europäischen Union bedenklich.
In diesem Zusammenhang muss nicht erörtert werden, ob die Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union zu einer im belgischen Recht vorgesehenen Einkünftekorrektur[15] auf die gemeinschaftsrechtliche Beurteilung des § 1 Abs. 1 AStG a.F. übertragen werden kann. Denn die dort angesprochene Frage nach der Vereinbarkeit der Korrektur mit der Niederlassungsfreiheit gemäß Art. 43 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft i.d.F. des Vertrages von Amsterdam vom 2. Oktober 1997 zur Änderung des Vertrages über die Europäische Union, der Verträge zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften (EG) und einiger damit zusammenhängender Rechtsakte[16] stellt sich im Streitfall nicht, da die Niederlassungsfreiheit nur im Verhältnis zwischen den Mitgliedstaaten besteht und Ungarn in den Streitjahren nicht der Europäischen Gemeinschaft angehörte. Die Freiheit des Kapitalverkehrs (Art. 56 Abs. 1 EG in der für die Streitjahre maßgeblichen Fassung) ist im Streitfall nicht berührt, da § 1 Abs. 1 AStG a.F. eine Beteiligung von mindestens einem Viertel oder eine einen beherrschenden Einfluss vermittelnde Beteiligung voraussetzt (§ 1 Abs. 2 Nr. 1 AStG a.F.). Die dort getroffene Regelung bezieht sich mithin nach ihrem Gegenstand nur auf Beteiligungen, die es nach den vom EuGH entwickelten Maßstäben[17] ermöglichen, einen sicheren Einfluss auf die Entscheidungen der Gesellschaft auszuüben und deren Tätigkeit zu bestimmen (sog. Direktinvestitionen), und unterfällt daher ausschließlich dem Anwendungsbereich der Niederlassungsfreiheit; damit einhergehende Beschränkungen des freien Kapitalverkehrs wären lediglich die unvermeidliche Konsequenz der Beschränkung der Niederlassungsfreiheit und rechtfertigen keine Prüfung der gesetzlichen Maßnahmen im Hinblick auf Art. 56 EG bis Art. 58 EG.
Ebenso scheidet jedenfalls unter den im Streitfall gegebenen Umständen ein Freiheitsschutz aufgrund des zwischen den Europäischen Gemeinschaften und Ungarn am 13. Dezember 1993 geschlossenen Assoziationsabkommens[18] aus. Zwar sind Assoziationsabkommen nach der Rechtsprechung des EuGH „integrierende Bestandteile der Gemeinschaftsrechtsordnung“[19]; insbesondere die danach zu gewährende Niederlassungsfreiheit hat unmittelbare Wirkung und gewährt den Angehörigen des Assoziierungsstaats entsprechende Rechte[20]. Doch gewähren die Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften nach Art. 44 Abs. 3 des Assoziationsabkommens mit Ungarn nicht das von Art. 43 EG umfassend geschützte Recht auf freie Niederlassung, sondern (nur) im jeweiligen Mitgliedstaat für die Niederlassung ungarischer Gesellschaften und Staatsangehöriger sowie für deren Geschäftstätigkeit eine (eingeschränkte) Inländergleichbehandlung. Die Beteiligung eines Inländers an einer ungarischen Kapitalgesellschaft in Ungarn ist hiernach nicht geschützt[21].
Bundesfinanzhof, Urteil vom 23. Juni 2010 – I R 37/09
- i.d.F. des StÄndG 1992[↩]
- Klarstellung zu BFH, Urteile vom 29.11.2000 – I R 85/99, BFHE 194, 53, BStBl II 2002, 720; und vom 27.08.2008 – I R 28/07, BFH/NV 2009, 123; Bestätigung zu BMF, Schreibens vom 12.01.2010, BStBl I 2010, 34[↩]
- BFH, Urteil vom 29.11.2000 – I R 85/99, BFHE 194, 53, BStBl II 2002, 720, m.w.N.[↩]
- ebenso Kraft, Außensteuergesetz, § 1 Rz 634; Wassermeyer in Flick/ Wassermeyer/Baumhoff, Außensteuerrecht, § 1 AStG Rz 897[↩]
- BFH, Urteil in BFHE 194, 53, BStBl II 2002, 720[↩]
- BGBl I 1992, 297, BStBl I 1992, 146[↩]
- BFH, Urteil vom 27.08.2008 – I R 28/07, BFH/NV 2009, 123[↩]
- (StVergAbG), BGBl I 2003, 660, BStBl I 2003, 321[↩]
- BMF, Schreiben vom 12.01.2010, BStBl I 2010, 34[↩]
- BFH, Urteil vom 30.05.1990 – I R 97/88, BFHE 160, 567, BStBl II 1990, 875[↩]
- BFH, Urteil in BFH/NV 2009, 123[↩]
- BFH, Urteile in BFHE 194, 53, BStBl II 2002, 720; und in BFH/NV 2009, 123; BFH, Beschluss vom 29.04.2009 – I R 26/08, BFH/NV 2009, 1648[↩]
- vgl. dazu BGH, Urteil vom 28.06.1999 – II ZR 272/98, DStR 1999, 1198; BFH, Urteil vom 07.04.2005 – IV R 24/03, BFHE 209, 353, 357, BStBl II 2005, 598, 600; Buciek, Die Steuerberatung 2000, 109, 111, m.w.N.[↩]
- BFH, Urteil vom 04.11.1997 – VIII R 18/94, BFHE 184, 374, 379 f., BStBl II 1999, 344, 347[↩]
- EuGH, Urteil vom 21.01.2010 – C-311/08 [SGI], IStR 2010, 144[↩]
- ABlEG 1997 Nr. C 340, 1[↩]
- z.B. EuGH, Beschluss vom 10.05.2007 C-492/04 [Lasertec], IStR 2007, 439[↩]
- ABlEG 1993 Nr. L 347[↩]
- vgl. Schmalenbach in Calliess/Ruffert, EUV/EGV, 3. Aufl., Art. 310 EGV Rz 24[↩]
- z.B. EuGH, Urteile vom 27.09.2001 – C-257/99 [Barkoci und Malik], Slg. 2001, I-6557; C-235/99 [Kondova], Slg. 2001, I-6427; C-63/99 [Gloszczuk], Slg. 2001, I-6369; und vom 20.11.2001 – C-268/99 [Jany u.a.], Slg. 2001, I-8615[↩]
- siehe bereits BFH, Beschlüsse vom 17.05.2005 – I B 108/04, BFH/NV 2005, 1778; und vom 07.01. Januar 2004 – I S 5, 6/03 (PKH), BFH/NV 2004, 637, dort bezogen auf die Türkei; ferner Cordewener, IStR 2008, 536, 540 f., mit Hinweis auf die entsprechende Spruchpraxis der niederländischen Gerichte im Anschluss an EuGH, Urteil vom 18.09.2003 – C-168/01 [Bosal Holding BV], Slg. 2003, I-9409, dort bezogen auf das Assoziationsabkommen mit Polen, das mit dem Abkommen mit Ungarn insoweit textgleich ist; Sydow, IWB 2010, 202[↩]