Keine „finale Betriebsaufgabe“ durch Betriebsverlegung ins Ausland vor 2006

Der Bundesfinanzhof hat seine Rechtsprechung zur sog. finalen Betriebsaufgabe aufgegeben. Die Theorie der finalen Betriebsaufgabe besagte, dass der Unternehmer, der seinen bisher im Inland ansässigen Betrieb in einen ausländischen Staat verlegte und von dort aus fortführte, die im Betriebsvermögen angesammelten stillen Reserven – wie bei einer Betriebsaufgabe – sofort aufdecken und versteuern musste. Eine solche „Entstrickung“ hat der Bundesfinanzhof nunmehr verneint. Der Kläger – ein selbständiger Erfinder – konnte sein Unternehmen deshalb „steuerneutral“ nach Belgien verlegen.

Keine „finale Betriebsaufgabe“ durch Betriebsverlegung ins Ausland vor 2006

Die Verlegung des Betriebs eines selbständigen Erfinders in das Ausland (hier: nach Belgien) führt auch dann nicht zur Annahme einer (fiktiven) Betriebsaufgabe, wenn die künftigen Gewinne der ausländischen festen Einrichtung (Betriebsstätte) im Inland nicht steuerbar oder aufgrund eines Doppelbesteuerungsabkommens von der Besteuerung im Inland freigestellt sind.

Der Bundesfinanzhof verneint in seinem nunmehrigen Entscheidung eine Grundlage für eine Sofortbesteuerung. Falls der Unternehmer den Betrieb später einmal verkauft oder aufgibt, unterliegen die dadurch „realisierten“ stillen Reserven, soweit sie in Deutschland erwirtschaftet worden sind, weiterhin der inländischen Besteuerung. Das gilt auch dann, wenn die – wie meist der Fall – der Gewinn aus dem in das Ausland verlegten Betrieb aufgrund eines Doppelbesteuerungsabkommens mit dem Zuzugsstaat von der inländischen Besteuerung freigestellt ist und wenn der Unternehmer auch seinen Wohnsitz in das Ausland verlegt hat. Dass es für die deutschen Finanzbehörden oftmals schwierig bis unmöglich sein wird, den tatsächlichen Realisationsakt im Ausland nachzuverfolgen, ändert daran nichts.

Das Urteil des Bundesfinanzhofs betraf eine Betriebsverlegung im Jahre 1995. Mit § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG wurde zwischenzeitlich mit Wirkung vom Veranlagungszeitraum 2006 an ein sog. Entstrickungsparagraf in das Gesetz eingefügt, der darauf abzielt, die bislang fehlende Rechtsgrundlage für Entstrickungsvorgänge zu schaffen. Zu der seitdem geltenden Rechtslage hat sich der Bundesfinanzhof nicht geäußert. Sowohl nach bisheriger als auch nach neuer Gesetzeslage besteht allerdings immer noch die Gefahr von Doppelbesteuerungen, falls auch der Zuzugsstaat von dem Besteuerungsrecht, das ihm im DBA zugewiesen worden ist, bei der späteren Realisierung der stillen Reserven uneingeschränkten Gebrauch macht.

Bundesfinanzhof, Urteil vom 28. Oktober 2009 – I R 99/08 s