Die Europäische Kommission hat Belgien[1], Dänemark[2] und die Niederlande[3] förmlich aufgefordert, Steuervorschriften zu ändern, wonach von Unternehmen, die ihren Sitz oder Vermögenswerte in einen anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union verlegen, eine sofortige Wegzugsteuer erhoben wird. Die Kommission hält diese Vorschriften für nicht mit der Niederlassungsfreiheit gemäß Artikel 49 AEUV vereinbar. Ein ähnliches Verfahren gegen Schweden wurde eingestellt, nachdem Schweden der Aufforderung der Kommission nachgekommen ist.

Im Einzelnen werden folgende Rechtsvorschriften beanstandet:
- Nach belgischem Recht werden Kapitalgewinne sofort besteuert, wenn ein Unternehmen seinen steuerlichen Sitz ins Ausland verlegt (Artikel 208, 209 und 210 Absatz 1 Punkt 4 Einkommensteuergesetz – CIR92).
- Das dänische Recht sieht die sofortige Besteuerung von Kapitalgewinnen auf ins Ausland verlagerte Vermögenswerte vor (Abschnitt 7A des Dänischen Körperschaftsteuergesetzes).
- Nach niederländischem Steuerrecht wird eine Wegzugsteuer auf Unternehmen und Gesellschaften ohne Rechtspersönlichkeit erhoben (Artikel 3.60 und 3.61 des Einkommensteuergesetzes 2001 und Artikel 15c und 15d des Körperschaftsteuergesetzes 1969).
Nach Auffassung der Kommission könnten derartige Vorschriften zur Wegzugbesteuerung Unternehmen und Gesellschaften davon abhalten, ihr Recht auf Niederlassungsfreiheit wahrzunehmen, und stellen damit Beschränkungen dieser Freiheit im Sinne von Artikel 49 AEUV dar. Die Kommission stützt ihre Rechtsauffassung auf die Auslegung des Vertrags durch den Gerichtshof der Europäischen Union u.a. in seinem De Lasteyrie-Urteil[4] sowie auf die Mitteilung der Kommission über die Wegzugsbesteuerung[5]. Die sofortige Besteuerung nicht realisierter Kapitalgewinne aus Vermögenswerten ist danach nicht zulässig, wenn es keine ähnliche Besteuerung in vergleichbaren inländischen Situationen gibt. Aus der Rechtsprechung folgt, dass die Mitgliedstaaten die Einziehung ihrer Steuern bis zu dem Zeitpunkt verschieben müssen, zu dem die Kapitalgewinne tatsächlich realisiert werden.
Die Aufforderung erfolgte in Form einer mit Gründen versehenen Stellungnahme als zweitem Schritt des Vertragsverletzungsverfahrens gemäß Artikel 258 AEUV. Erhält die Kommission auf diese Stellungnahmen binnen zwei Monaten keine zufriedenstellenden Antworten, kann sie den Gerichtshof der Europäischen Union anrufen.
Wegen ähnlicher Vorschriften zur Wegzugbesteuerung hatte die Kommission bereits Spanien und Portugal vor dem Gerichtshof verklagt[6] und Schweden eine mit Gründen versehene Stellungnahme übersandt[7].