Aktienzuteilung beim US-amerikanischen Spin-Off – und seine Besteuerung in Deutschland

Drittstaatenabspaltungen, die einer inländischen Abspaltung i.S. des § 123 Abs. 2 UmwG vergleichbar sind, fallen bis zum Inkrafttreten des § 20 Abs. 4a Satz 7 EStG bei unionsrechtskonformer Auslegung in den Anwendungsbereich des § 20 Abs. 4a Satz 1 EStG.

Aktienzuteilung beim US-amerikanischen Spin-Off – und seine Besteuerung in Deutschland

Ein ausländischer „Spin-Off“, der aus nationaler Sicht eine Ausgliederung i.S. des § 123 Abs. 3 UmwG mit anschließender Sachausschüttung der Aktien am übernehmenden Rechtsträger darstellt, kann einer Abspaltung i.S. des § 123 Abs. 2 UmwG dann vergleichbar sein, wenn die Übertragung der Vermögenswerte in einem einheitlichen „zeitlichen und sachlichen Zusammenhang“ mit der und gegen die Übertragung von Anteilen an der übernehmenden Gesellschaft erfolgt[1].

In dem hier vom Bundesfinanzhof entschiedenen Fall war die einkommensteuerliche Behandlung der Zuteilung von Aktien im Rahmen eines sog. „Spin-Off“ nach US-amerikanischem Recht strittig. Die klägerischen Eheleute hielten im Streitjahr 2012 Aktien der Kraft Foods Inc. (KFI), einer US-amerikanischen Kapitalgesellschaft. Am 02.10.2012 übertrug die KFI ihre Lebensmittelsparte für Nordamerika auf die neu gegründete Kraft Foods Group Inc. (KFG), ebenfalls eine US-amerikanische Kapitalgesellschaft, und erhielt dafür Aktien an der KFG. Gleichzeitig wurde die KFI in Mondelez International Inc. (M) umbenannt. Sodann teilte die M ihren Aktionären die erhaltenen KFG-Aktien im Verhältnis 3:1 zu, ohne dass das Kapital der M herabgesetzt wurde. Auf dem Depot der Aktionäre wurde dementsprechend am 05.10.2012 eine entsprechende Anzahl von Aktien der KFG eingebucht. Die Depotbank der Aktionäre ging insofern -unter Berücksichtigung des maßgeblichen Börsenkurses der KFG-Aktien- von einer steuerpflichtigen Sachausschüttung aus und behielt Kapitalertragsteuer zuzüglich Solidaritätszuschlag ein.

In der Jahressteuerbescheinigung der Depotbank für das Streitjahr war der vorgenannte Betrag als steuerpflichtiger Kapitalertrag ausgewiesen. Die Aktionäre, nach deren Auffassung die Zuteilung der KFG-Aktien als nicht steuerbare Einlagenrückgewähr zu behandeln ist, beantragten in ihrer Einkommensteuererklärung die Überprüfung des Steuereinbehalts für Kapitalerträge gemäß § 32d Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes in der für das Streitjahr anzuwendenden Fassung (EStG) sowie die Günstigerprüfung nach § 32d Abs. 6 EStG. Das Finanzamt folgte dem nicht, sondern legte den strittigen Kapitalertrag mit dem für Kapitaleinkünfte geltenden Steuertarif (§ 32d Abs. 1 EStG) zu Grunde und rechnete die einbehaltene und abgeführte Kapitalertragsteuer lediglich auf die festgesetzte Einkommensteuer an. Der hiergegen eingelegte Einspruch blieb erfolglos.

Das Finanzgericht Baden-Württemberg wies die Klage ab[2]. Die hiergegen gerichtete Revision der Aktionäre hatte vor dem Bundesfinanzhof Erfolg, der Bundesfinanzhof gab der Klage statt. Zwar hält die Entscheidung des Finanzgericht, dass die Zuteilung der KFG-Aktien -isoliert betrachtet- als Kapitalertrag i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 EStG steuerbar und weder als Einlagenrückgewähr i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG noch gemäß § 20 Abs. 4a Satz 5 EStG  oder § 20 Abs. 4a Satz 7 EStG von der Besteuerung auszunehmen ist, revisionsrechtlicher Überprüfung stand. Allerdings fallen Drittstaatenabspaltungen bis zum Inkrafttreten des § 20 Abs. 4a Satz 7 EStG bei unionsrechtskonformer Auslegung in den Anwendungsbereich des § 20 Abs. 4a Satz 1 EStG. Da die KFG-Aktien den Aktionären im Rahmen einer solchen Drittstaatenabspaltung zugeteilt wurden, die ihrerseits einer inländischen Abspaltung i.S. des § 123 Abs. 2 des Umwandlungsgesetzes (UmwG) vergleichbar ist, löst der Vorgang bei den Aktionären im Streitjahr keine Besteuerung aus.

Das Finanzgericht Baden-Württemberg ist zunächst zutreffend davon ausgegangen, dass die Zuteilung der KFG-Aktien von der M an die Aktionäre bei isolierter Betrachtung zu einem Kapitalertrag i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 EStG führt, für den der Bundesrepublik Deutschland (Deutschland) das Besteuerungsrecht zusteht.

Danach gehören zu den Einkünften aus Kapitalvermögen u.a. Gewinnanteile (Dividenden), Ausbeuten und sonstige Bezüge aus Aktien, wobei unerheblich ist, ob es sich bei der ausschüttenden Gesellschaft um eine in- oder ausländische handelt[3]. Dementsprechend ist den Aktionären mit der Einbuchung der KFG-Aktien auf ihrem Depot ein Kapitalertrag i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 EStG in Form einer Sachausschüttung zugeflossen.

Für diesen als Sachausschüttung steuerbaren Kapitalertrag i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 EStG der in den Vereinigten Staaten von Amerika (USA) ansässigen M -bzw. ihrer Rechtsvorgängerin KFI- steht Deutschland abkommensrechtlich das Besteuerungsrecht zu. Die Aktionäre waren im Streitjahr im Inland wohnhaft und danach mit sämtlichen Einkünften unbeschränkt steuerpflichtig (§ 1 Abs. 1 EStG). Das „Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerverkürzung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen; und vom Vermögen und einiger anderer Steuern“ vom 29.08.1989 i.d.F. der Bekanntmachung der Neufassung vom 04.06.2008 -DBA-USA 1989/2008-[4] weist das Besteuerungsrecht für Dividenden aus Aktien, die eine in den USA ansässige Kapitalgesellschaft an eine im Inland ansässige Person zahlt, nach Art. 10 Abs. 1 DBA-USA 1989/2008 dem Ansässigkeitsstaat des Aktieninhabers und damit Deutschland zu.

Diese Sachausschüttung ist -mangels einer Einlagenrückgewähr seitens der M- nicht nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG von der Besteuerung auszunehmen.

Nach dieser Regelung gehören Bezüge i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 EStG nicht zu den Einnahmen, soweit sie aus Ausschüttungen einer Körperschaft stammen, für die Beträge aus dem steuerlichen Einlagekonto i.S. des § 27 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) als verwendet gelten.

Zwar gebietet es die Kapitalverkehrsfreiheit gemäß Art. 63 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV), § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG dahin auszulegen, dass die (materiellen) Grundsätze zur Einlagenrückgewähr auch für Leistungen einer in einem Drittstaat ansässigen Gesellschaft, für die kein steuerliches Einlagekonto i.S. des § 27 KStG geführt wird -und damit vorliegend für die M bzw. KFI-, zum Tragen kommen[5].

Allerdings ist lediglich die Höhe des ausschüttbaren Gewinns einer Drittstaatengesellschaft auf der Grundlage des jeweiligen ausländischen Handels- und Gesellschaftsrechts zu ermitteln. Die Einlagenrückgewähr selbst bestimmt sich sodann -entgegen der Auffassung der Aktionäre- unter Beachtung der Verwendungsreihenfolge nach den Grundsätzen der Verwendungsfiktion des § 27 Abs. 1 Sätze 3 und 5 KStG. Nur dieses Rechtsverständnis stellt nach den Vorgaben der Kapitalverkehrsfreiheit gemäß Art. 63 AEUV sicher, dass die Gesellschafter von Drittstaatengesellschaften nicht schlechter, aber auch nicht besser als die Gesellschafter von inländischen oder von ausländischen Gesellschaften in der Europäischen Union (EU) behandelt werden[6].

Ausgehend von diesen Grundsätzen wurde im Streitjahr die streitige Ausschüttung nicht durch die Rückgewähr von Einlagen i.S. des § 27 Abs. 1 Sätze 3 und 5 KStG finanziert. Vorliegend handelte es sich bei dem Bilanzposten „retained earnings“ bei der M -bzw. ihrer Rechtsvorgängerin, der KFI- um die in den früheren Jahren angesammelten Jahresüberschüsse und somit um den ausschüttbaren Gewinn i.S. des § 27 Abs. 1 Satz 5 KStG. Für die Ausschüttungen der M im Streitjahr galten daher nach den Grundsätzen der Verwendungsfiktion des § 27 Abs. 1 Sätze 3 und 5 KStG vorrangig die „retained earnings“ als verwendet. Demgegenüber ist es unerheblich, ob die Ausschüttung nach US-Recht auch tatsächlich aus diesem Bilanzposten vorgenommen worden ist.

Darüber hinaus ist die Entscheidung des Finanzgericht, dass es an den Voraussetzungen des § 20 Abs. 4a Satz 5 EStG fehlt, im Ergebnis ebenfalls revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

Nach § 20 Abs. 4a Satz 5 EStG werden der Ertrag und die Anschaffungskosten von Anteilen i.S. des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG, die einem Steuerpflichtigen zugeteilt werden, ohne dass dieser eine gesonderte Gegenleistung zu entrichten hat, mit 0 € angesetzt, wenn die Voraussetzungen der Sätze 3 und 4 nicht vorliegen und die Ermittlung der Höhe des Kapitalertrags nicht möglich ist. Hieran fehlt es im Streitfall.

Die Ermittlung der Höhe des Kapitalertrags, die auch bei Auslandssachverhalten -und damit im Streitfall- nicht unwiderleglich vermutet wird[7], ist wegen des Börsenkurses der zugeteilten KFG-Aktien ohne weiteres möglich. Darüber hinaus ist es auf Grundlage der Feststellungen des Finanzgericht und unter Beachtung der Grundsätze der Verwendungsfiktion i.S. des § 27 Abs. 1 Sätze 3 und 5 KStG nicht zweifelhaft, dass die Zuteilung der KFG-Aktien bei isolierter Betrachtung zu einer steuerbaren Sachausschüttung führt und keine Einlagenrückgewähr vorliegt[8].

Schließlich ist das Finanzgericht zutreffend davon ausgegangen, dass die Zuteilung der KFG-Aktien auch nicht nach § 20 Abs. 4a Satz 7 EStG von der Besteuerung auszunehmen ist, obwohl die tatbestandlichen Voraussetzungen der Norm erfüllt sind.

Nach § 20 Abs. 4a Satz 7 EStG gelten abweichend von § 20 Abs. 4a Satz 5 EStG und § 15 des Umwandlungssteuergesetzes (UmwStG) die Sätze 1 und 2 der Regelung entsprechend, wenn Vermögen einer Körperschaft durch Abspaltung auf andere Körperschaften übergeht.

Die Regelung des § 20 Abs. 4a Satz 7 EStG ist nicht nur auf inländische Abspaltungen i.S. des § 123 Abs. 2 UmwG, sondern auch auf ausländische Vorgänge anwendbar, wenn diese „ihrem Wesen nach“ einer inländischen Abspaltung entsprechen. Dies ist wiederum der Fall, wenn die „wesentlichen Strukturmerkmale“ einer Abspaltung i.S. des § 123 Abs. 2 UmwG erfüllt sind[9].

Kennzeichnend für eine Abspaltung i.S. des § 123 Abs. 2 UmwG ist die Übertragung von Vermögensteilen des übertragenden Rechtsträgers auf Grund eines Rechtsgeschäfts gegen Gewährung von Anteilen oder Mitgliedschaftsrechten des übernehmenden oder neuen Rechtsträgers an die Anteilsinhaber des übertragenden Rechtsträgers ohne liquidationslose Auflösung des übertragenden Rechtsträgers[10]. Diese Voraussetzungen sind nach den nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen und den Bundesfinanzhof bindenden Feststellungen des Finanzgericht (§ 118 Abs. 2 FGO) im Streitfall erfüllt.

Die KFI (übertragende Rechtsträgerin) übertrug im Streitjahr Vermögen in Gestalt der Lebensmittelsparte für Nordamerika auf die KFG (übernehmende Rechtsträgerin). Ob es sich hierbei um einen Teilbetrieb i.S. des § 15 UmwStG handelt, ist für die Anwendung des § 20 Abs. 4a Satz 7 EStG nach dessen Wortlaut ohne Bedeutung. Des Weiteren erhielten die Aktionäre der übertragenden KFI -bzw. ihrer Rechtsnachfolgerin M- Anteile an der übernehmenden KFG. Zudem wurde die übertragende Rechtsträgerin nicht aufgelöst, sondern lediglich in M umbenannt.

Schließlich erfolgte die Zuteilung der KFG-Aktien an die Aktionäre auch „gegen“ Übertragung der Lebensmittelsparte für Nordamerika von der KFI auf die KFG.

Zwar handelt es sich bei der Übertragung der Lebensmittelsparte für Nordamerika von der KFI auf die KFG gegen Gewährung von Anteilen an der KFG -aus nationaler deutscher Sicht- um eine Ausgliederung i.S. des § 123 Abs. 3 UmwG, der eine Sachausschüttung der KFG-Aktien von der M an ihre Aktionäre nachfolgt.

Dies ist allerdings lediglich dem Umstand geschuldet, dass das US-Recht -anders als das nationale UmwG- keine Übertragung „uno actu“ direkt vom übernehmenden Rechtsträger auf die Anteilsinhaber im Zeitpunkt der Registereintragung kennt, sondern die Zielstruktur nur durch einzelne Übertragungsakte erreicht werden kann[11]. Ein solcher Vorgang ist daher auch dann einer Abspaltung i.S. des § 123 Abs. 2 UmwG vergleichbar, wenn die Vermögensübertragung vom übertragenden auf den übernehmenden Rechtsträger sowie die nachfolgende Zuteilung der Anteile am übernehmenden Rechtsträger vom übertragenden Rechtsträger auf dessen Anteilseigner in einem einheitlichen „zeitlichen und sachlichen Zusammenhang“ erfolgen[12]. Im Streitfall erfolgten die Übertragung der Lebensmittelsparte von der KFI auf die KFG am 02.10.2012 und die Zuteilung der KFG-Aktien auf dem Depot der Aktionäre am 05.10.2012 in einem solchen Zusammenhang. Es handelte sich insofern um zwei erforderliche Zwischenschritte zur Erreichung der von Anfang an beabsichtigten -sowie durch im Vorfeld abgegebene Pressemeldungen öffentlich bekanntgemachten- Zielstruktur, nach der die KFI bzw. M und die KFG künftig als zwei selbständige Unternehmen weiterbestehen sollten, an denen die bisherigen Aktionäre beteiligt sind.

Die Zuteilung der KFG-Aktien ist gleichwohl nicht nach § 20 Abs. 4a Satz 7 EStG von der Besteuerung ausgenommen, weil -wie das Finanzgericht zu Recht entschieden hat- die Norm im Streitjahr zeitlich noch nicht anwendbar ist.

Nach § 52a Abs. 10 Satz 12 EStG i.d.F. des AmtshilfeRLUmsG ist § 20 Abs. 4a Satz 7 EStG erstmals auf Abspaltungen anzuwenden, bei denen die Anmeldung zur Eintragung in das öffentliche Register, das für die Wirksamkeit des jeweiligen Vorgangs maßgebend ist, nach dem 31.12.2012 erfolgt. Da die Anwendungsregelung an die Anmeldung zur Registereintragung, die für nationale Abspaltungen i.S. des § 123 Abs. 2 UmwG erforderlich ist (§ 130 UmwG), und damit an nationale Voraussetzungen anknüpft, ist unklar, wie sich § 52a Abs. 10 Satz 12 EStG i.d.F. des AmtshilfeRLUmsG zu Auslandssachverhalten verhält, für die kein Eintragungserfordernis in das öffentliche Register i.S. des § 130 UmwG besteht.

Nach Auffassung des Bundesfinanzhofs kommt es für die zeitliche Anwendbarkeit des § 20 Abs. 4a Satz 7 EStG bei Auslandssachverhalten auf die gesellschaftsrechtliche Wirksamkeit der entsprechenden Maßnahme nach ausländischem Recht an[13]. Da der streitige „Spin-Off“ nach den Feststellungen des Finanzgericht bereits im Oktober 2012 vollzogen worden war, war die Regelung des § 20 Abs. 4a Satz 7 EStG im Streitfall zeitlich noch nicht anwendbar. Nichts anderes ergibt sich, wenn mit § 20 Abs. 4a Satz 6 EStG auf den Zeitpunkt der Einbuchung in das Depot der Aktionäre abgestellt wird, die im Streitfall am 05.10.2012 erfolgte.

Das Finanzgericht hat jedoch nicht berücksichtigt, dass Drittstaatenabspaltungen im Streitjahr noch in den Anwendungsbereich des § 20 Abs. 4a Satz 1 EStG fielen.

Werden Anteile an einer Körperschaft, Vermögensmasse oder Personenvereinigung gegen Anteile an einer anderen Körperschaft, Vermögensmasse oder Personenvereinigung getauscht und wird der Tausch auf Grund gesellschaftsrechtlicher Maßnahmen vollzogen, die von den beteiligten Unternehmen ausgehen, treten nach § 20 Abs. 4a Satz 1 EStG abweichend von § 20 Abs. 2 Satz 1 EStG und den §§ 13 und 21 UmwStG die übernommenen Anteile steuerlich an die Stelle der bisherigen Anteile, wenn u.a. das Recht Deutschlands hinsichtlich der Besteuerung des Gewinns aus der Veräußerung der erhaltenen Anteile nicht ausgeschlossen oder beschränkt ist.

Es ist umstritten, ob Abspaltungen in den Anwendungsbereich des § 20 Abs. 4a Satz 1 EStG fallen. Auch wenn diese ebenfalls auf Grund gesellschaftsrechtlicher Maßnahmen vollzogen werden, herrscht Uneinigkeit darüber, ob bei einer Abspaltung auf Gesellschafterebene ein „Tausch“ im Sinne der Regelung vorliegt.

Nach überwiegender Auffassung soll dies nicht der Fall sein[14]. Der Gesellschafter erhalte zwar neue Anteile am übernehmenden Rechtsträger, gebe aber keine Anteile am übertragenden Rechtsträger her. Hierfür sprächen auch die Gesetzesmaterialien. Danach habe der Gesetzgeber mit § 20 Abs. 4a Satz 1 EStG namentlich „Verschmelzungen, Aufspaltungen und qualifizierte Anteilstauschvorgänge“ erfassen wollen, wohingegen § 20 Abs. 4a Satz 5 EStG bei „sogenannten Spin-Off-Vorgängen“ anwendbar sein sollte[15].

Demgegenüber soll nach anderer Auffassung auf Ebene des Gesellschafters ein tauschähnlicher Vorgang vorliegen, der vom Anwendungsbereich des § 20 Abs. 4a Satz 1 EStG erfasst werde[16]. Es komme in Bezug auf den Wert des abgespaltenen Vermögens zu einem (anteiligen) Wertverlust der Anteile, den die Anteile am übernehmenden Rechtsträger kompensierten. Es liege daher zumindest in wirtschaftlicher Hinsicht ein Tausch vor[17].

Darüber hinaus wird speziell bei Drittstaatenabspaltungen hinsichtlich der rechtlichen Qualifikation der Kapitalmaßnahme auf Anteilseignerebene noch weiter differenziert. Insoweit ist umstritten, ob die dem Gesellschafter zugeteilten Anteile einen Tauschvorgang auslösen[18] oder zu einer Sachausschüttung i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 EStG führen[19] oder ob der gesamte Vorgang vielmehr eine verdeckte Gewinnausschüttung i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG vom übertragenden Rechtsträger an seine Gesellschafter in Form des bei der Abspaltung übertragenen Vermögens mit einer nachfolgenden Sacheinlage durch die Gesellschafter in die übernehmende Gesellschaft gegen eine Anteilsgewährung zur Folge hat[20].

Der Bundesfinanzhof braucht hierüber im Streitfall jedoch nicht zu entscheiden. Jedenfalls gebietet die Kapitalverkehrsfreiheit gemäß Art. 63 AEUV, dass der Anwendungsbereich des § 20 Abs. 4a Satz 1 EStG bis zum Inkrafttreten des § 20 Abs. 4a Satz 7 EStG auch Drittstaatenabspaltungen erfasst. Anderenfalls käme es im Streitjahr zu einer nicht zu rechtfertigenden Schlechterstellung inländischer Gesellschafter von Drittstaatengesellschaften gegenüber solchen von inländischen und ausländischen Gesellschaften der EU bzw. des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR).

Im Streitjahr -und damit vor Inkrafttreten des § 20 Abs. 4a Satz 7 EStG- unterfielen die Gesellschafter von inländischen und EU-/EWR-ausländischen Gesellschaften dem Regelungsregime des § 13 Abs. 2 i.V.m. § 1 Abs. 2 UmwStG. Unter den weiteren Voraussetzungen des § 13 Abs. 2 i.V.m. § 15 Abs. 1 Satz 2 UmwStG löste die im Rahmen einer Abspaltung erfolgte Zuteilung von Aktien für die Gesellschafter von inländischen und EU-/EWR-ausländischen Gesellschaften keine Besteuerung aus. Demgegenüber waren Gesellschafter von Drittstaatengesellschaften im Streitjahr aus dem Anwendungsbereich des § 1 Abs. 2 UmwStG ausgenommen, so dass eine bis zum 31.12.2012 erfolgte Abspaltung -unabhängig von der steuerlichen Qualifikation der Drittstaatenabspaltung selbst- für diese zwingend einen steuerpflichtigen Vorgang auslöste. Diese unterschiedlichen steuerlichen Folgen bei Gesellschaftern von Drittstaatengesellschaften einerseits und von inländischen bzw. EU-/EWR-ausländischen Gesellschaften andererseits verstießen ohne eine unionsrechtskonforme Ausweitung der Regelung in § 20 Abs. 4a Satz 1 EStG auf Drittstaatenabspaltungen gegen die gemeinschaftsrechtliche Grundfreiheit des freien Kapitalverkehrs gemäß Art. 63 AEUV.

Ein solcher Verstoß wäre nicht durch die Notwendigkeit, die Wirksamkeit der steuerlichen Kontrolle zu gewährleisten, gerechtfertigt[21]. Insbesondere im Hinblick auf die im Streitfall in den USA ansässigen Kapitalgesellschaften ermöglicht die sog. „große“ Auskunftsklausel in Art. 26 Abs. 1 DBA-USA 1989/2008 einen umfassenden Informationsaustausch zwischen den Verwaltungsbehörden der Vertragsstaaten und folglich eine wirksame steuerliche Kontrolle.

Zur Vermeidung eines unionsrechtswidrigen Zustands ist § 20 Abs. 4a Satz 1 EStG daher dahingehend auszulegen, dass dieser bis zum Inkrafttreten des § 20 Abs. 4a Satz 7 EStG -und somit im Streitjahr- auch Drittstaatenabspaltungen erfasst. Diesen Grundsätzen entspricht die Entscheidung des Finanzgericht nicht. Das FG, Urteil ist somit aufzuheben.

Die Sache ist spruchreif. Der Bundesfinanzhof entscheidet auf Grundlage der tatsächlichen Feststellungen des Finanzgericht in der Sache selbst und gibt der Klage statt. Der „Spin-Off“ und die damit verbundene Zuteilung der KFG-Aktien an die Aktionäre sind im Streitjahr steuerneutral gemäß § 20 Abs. 4a Satz 1 EStG.

Bei dem „Spin-Off“ handelt es sich -wie bereits ausgeführt- um eine einer inländischen Umwandlung i.S. des § 123 Abs. 2 UmwG vergleichbare Drittstaatenabspaltung, die im Streitjahr noch in den Anwendungsbereich des § 20 Abs. 4a Satz 1 EStG fällt.

Darüber hinaus ist -wie es § 20 Abs. 4a Satz 1 (am Ende) EStG weiter voraussetzt- auch das Recht Deutschlands hinsichtlich der Besteuerung des Gewinns aus der Veräußerung der erhaltenen Anteile nicht ausgeschlossen oder beschränkt. Art. 13 Abs. 5 DBA-USA 1989/2008 weist das ausschließliche Besteuerungsrecht des Gewinns aus der Veräußerung der zugeteilten Aktien dem Ansässigkeitsstaat des Aktieninhabers und damit vorliegend Deutschland zu[22].

Rechtsfolge des § 20 Abs. 4a Satz 1 EStG ist, dass der „Spin-Off“ und die damit verbundene Zuteilung der KFG-Aktien an die Aktionäre im Streitjahr bei diesen keine Besteuerung auslöst. Erst im Zeitpunkt einer späteren Veräußerung der KFG-Aktien oder der M-Aktien gemäß § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 (ggf. i.V.m. Abs. 2 Satz 2) EStG sind etwaige Veräußerungsgewinne zu besteuern. Hierbei ist zu beachten, dass die KFG-Aktien auf Grund der Abspaltung steuerlich -anteilig- an die Stelle der bereits gehaltenen KFI- bzw. M-Aktien treten und deren Anschaffungskosten -anteilig- übernehmen. Über den Aufteilungsmaßstab für die Anschaffungskosten der Aktionäre an den KFG-Aktien ist im Streitfall nicht zu entscheiden.

Bundesfinanzhof, Urteil vom 19. Oktober 2021 – VIII R 7/20

  1. Anschluss an BFH, Urteile vom 01.07.2021 – VIII R 9/19, und – VIII R 15/20[]
  2. FG Baden-Württemberg, Urteil vom 30.11.2018 – 13 K 3111/18, EFG 2019, 425[]
  3. vgl. BFH, Urteil vom 20.10.2010 – I R 117/08, BFHE 232, 15, Rz 13, m.w.N.[]
  4. BGBl II 2008, 612, BStBl I 2008, 784[]
  5. BFH, Urteil vom 10.04.2019 – I R 15/16, BFHE 265, 56, Rz 18[]
  6. BFH, Urteil in BFHE 265, 56, Rz 27; vgl. auch BFH, Urteil vom 27.10.2020 – VIII R 18/17, BFHE 270, 495, Rz 33[]
  7. vgl. BFH, Urteile vom 04.05.2021 – VIII R 17/18, BFHE 273, 197, Rz 28, und – VIII R 14/20, BFHE 273, 206, Rz 31; anderer Ansicht BMF, Schreiben in BStBl I 2016, 85, Rz 111[]
  8. vgl. BFH, Urteile vom 04.05.2021 – VIII R 17/18, Rz 29, und – VIII R 14/20, Rz 32[]
  9. vgl. BFH, Urteile vom 01.07.2021 – VIII R 9/19, zur amtlichen Veröffentlichung vorgesehen, Rz 15, und – VIII R 15/20, zur amtlichen Veröffentlichung vorgesehen, Rz 15[]
  10. vgl. BFH, Urteile vom 01.07.2021 – VIII R 9/19, Rz 22, und – VIII R 15/20, Rz 22[]
  11. vgl. Flick/Sauermilch in Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, Anh. 3 Rz U 150[]
  12. vgl. BFH, Urteile vom 01.07.2021 – VIII R 9/19, Rz 14, und – VIII R 15/20, Rz 14[]
  13. gleicher Ansicht Buge in Herrmann/Heuer/Raupach -HHR-, § 20 EStG Rz 592; Jachmann-Michel/Lindenberg in Lademann, EStG, § 20 EStG Rz 829c[]
  14. z.B. Brandis/Heuermann/Ratschow, § 20 EStG Rz 432; Bron, Deutsches Steuerrecht 2014, 353, 354; Bron/Seidel, Betriebs-Berater -BB- 2010, 2599, 2600; HHR/Buge, § 20 EStG Rz 582; Haritz, Finanz-Rundschau -FR- 2010, 589, 590; Jochum in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 20 Rz Fa 16; BeckOK EStG/Schmidt, 10. Ed. [01.06.2021], EStG § 20 Rz 1342; ebenso BMF, Schreiben vom 09.10.2012 – IV C 1-S 2252/10/10013, BStBl I 2012, 953, Rz 100[]
  15. vgl. BT-Drs. 16/11108, S. 16[]
  16. z.B. Beinert, GmbH-Rundschau -GmbHR- 2012, 291, 297; Dötsch/Werner in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, Kommentar zum KStG, § 20 EStG Rz 297b; Hageböke, Die Unternehmensbesteuerung -Ubg- 2011, 689, 699; Schumacher/Neitz-Hackstein, Ubg 2011, 409, 418[]
  17. Beinert, GmbHR 2012, 291, 297[]
  18. z.B. Benecke/Staats, FR 2010, 893, 895; Ritzer in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG, 3. Aufl., Anh. 6 Rz 62, 65[]
  19. z.B. BMF, Schreiben in BStBl I 2016, 85, Rz 113; Krauß/Köstler, BB 2017, 924, 929[]
  20. z.B. Brandis/Heuermann/Klingberg, § 13 UmwStG Rz 44; Neumann in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, a.a.O., § 13 Rz 14[]
  21. gleicher Ansicht Krauß/Köstler, BB 2017, 924, 928 f.[]
  22. vgl. BFH, Urteil vom 30.05.2018 – I R 35/16, BFH/NV 2019, 46, Rz 24[]