Aufnahme in die US-amerikanische Terrorliste – und kein Leistungsverweigerungsrecht

Der Vertragspartner einer auf der sog. Terrorliste (Specially Designed Nationals List, SDN-Liste) durch die US-amerikanischen Behörden gelisteten Partei kann die Rückzahlung einer erhaltenen Vorauszahlung nicht so lange verweigern, bis die gelistete Partei von dieser Liste gestrichen ist.

Aufnahme in die US-amerikanische Terrorliste – und kein Leistungsverweigerungsrecht

Das Festhalten an diesem Vertrag ist auch nicht unzumutbar, da nach der EU-Blocking-VO die amerikanischen Handelsverbote mit SDN-gelisteten Unternehmen in der EU nicht zu berücksichtigen sind.

Mit dieser Begründung hat jetzt das Oberlandesgericht Frankfurt am Main eine Lieferantin zur Rückzahlung einer erhaltenen Vorauszahlung von gut 27 Millionen € verurteilt:

Die Lieferantin hatte sich zur Lieferung von Graphitelektroden an ein in Iran ansässige Unternehmen verpflichtet. Im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang dazu kündigte die USA an, das Iranabkommen zu kündigen und ihre Iransanktionen wiedereinzuführen. Dies betraf unter anderem die von dem Office of Foreign Asset Control (AFAC) geführte sog. SDN-Liste. Noch während der von den USA gesetzten Übergangsfristen, die Unternehmen die Abfertigung bereits bestehender Iran-Geschäfte ermöglichen sollten, vereinbarte die Lieferantin die Vorauszahlung des vollständigen Kaufpreises. Die Lieferantin verpflichtete sich zugleich zur Rücküberweisung der Vorauszahlung, sofern sie ihre Verpflichtungen aus dem Vertrag nicht erfüllen kann und „vorausgesetzt, dass die Exportkontrollsituation mit dem Iran eine solche Überweisung zulässt und andere rechtliche Anforderungen erfüllt sind.“

Die Bestellerin wurde am 16.10.2018 wegen angeblicher Terrorvorwürfe durch die US-Behörden auf die SDN-Liste gesetzt. Die Lieferantin setzte ihre Lieferungen in den Iran vollständig aus und belieferte folglich auch nicht die Bestellerin. Diese erklärte daraufhin den Rücktritt vom Vertrag und verlangt nunmehr die Vorauszahlung zurück, nachdem sie den Rückzahlungsanspruch an die Bestellerin – ein deutsches Unternehmen – abgetreten hat.

Das erstinstanzlich hiermit befasste Landgericht Frankfurt am Main hatte der Klage auf Rückzahlung des Kaufpreises stattgegeben[1]. Die hiergegen gerichtete Berufung hatte vor dem Oberlandesgericht Frankfurt keinen Erfolg:

Der Vertrag sei durch einen wirksamen Rücktritt in ein so genanntes Rückgewährschuldverhältnis umgewandelt worden, bestätigte das Oberlandesgericht. Die Lieferantin sei deshalb zur Rückzahlung des bereits im Wege der Vorauszahlung erlangten Kaufpreises verpflichtet. Ihr stünde kein Leistungsverweigerungsrecht zu.

Ohne Erfolg wendet die Lieferantin ein, dass sie im Falle der Zurücküberweisung selbst auf die SDN-Liste der OFAC gelange. Gemäß den vertraglichen Vereinbarungen bestehe ein Leistungsverweigerungsrecht nur, wenn von der Einschätzung der Exportkontrollsituation mit dem Iran auch eine solche faktische Hürde umfasst wäre. Dies sei hier nicht der Fall. Die in der Klausel erwähnten Anforderungen müssten durchgehend rechtlicher Natur sein. Die Parteien hätten auch in ihrer Präambel nicht auf die Gefahren einer SDN-Listung Bezug genommen. Eine ergänzende Auslegung der Klausel sei ebenfalls nicht veranlasst.

Die Lieferantin könne auch nicht Anpassung des Kaufvertrages dahingehend verlangen, dass sie die Rückzahlung solange verweigern könne, bis die Bestellerin von der SDN-Liste gestrichen sei. Dagegen spreche bereits, dass die SDN-Listung der Bestellerin für die Lieferantin nicht unvorhersehbar gewesen sei. Die USA hätten vielmehr bereits angekündigt, das Iranabkommen zu kündigen, als die Vorauszahlungsverpflichtung vereinbart wurde. Die Lieferantin habe auch gewusst, dass die SDN-Liste der Umsetzung der Iran-Sanktionen diene.

Es sei auch nicht dargetan, dass die Lieferantin im Falle der Erstattung der Vorauszahlung selbst gelistet würde. Die Lieferantin habe keinen einzigen Fall vorgetragen, indem dies der Fall gewesen sei. Der Botschafter habe dies auch nicht bestätigt. Eigene Erkundigungen habe die Lieferantin bei der OFAC nicht eingeholt.

Schließlich falle das Risiko der SDN-Listung der Bestellerin in die Sphäre der Lieferantin. Die EU-Blocking-VO schütze gerade vor den Auswirkungen der extraterritorialen Anwendungen der US-Iran-Sanktionen. Die US-Sanktionsvorschriften seien in der EU grundsätzlich nicht zu berücksichtigen. Damit folge aus ihnen auch kein Leistungshindernis. Der Lieferantin sei daher ein Festhalten am Vertrag zuzumuten.

Es sei auch unzumutbar für die Bestellerin, auf den Rückzahlungsanspruch so lange zu verzichten, bis die Bestellerin von der SDN-Liste gestrichen werde. Das Verhalten der OFAC sei unberechenbar. Damit sei auch das Ende eines solchen Leistungsverweigerungsrechts unübersehbar.

Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 28. Oktober 2021 – 6 U 65/20

  1. LG Frankfurt a.M., Urteil vom 13.03.2020 – 2-27 O 425/18[]