Beim Verkauf einer von § 8b Abs. 2 KStG 1999 erfassten Auslandsbeteiligung ist nicht nur der innerbilanziell zu erfassende tatsächliche Veräußerungserlös, sondern auch die als verdeckte Gewinnausschüttung nach § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG erfasste Differenz zum höheren angemessenen Kaufpreis Bestandteil des gemäß § 8b Abs. 2 KStG 1999 steuerfreien Veräußerungsgewinns.

In Bezug auf die streitige Anwendung des § 8b Abs. 2 KStG 1999 hält das Hessische Finanzgericht nicht mehr an der bisher von ihm vertretenen Auffassung[1] fest, wonach diese Vorschrift auf verdeckte Gewinnausschüttungen im Sinne von § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG in der hier vorliegenden Konstellation keine Anwendung findet. Vielmehr schließt sich das Hessische Finanzgericht der Ansicht des Bundesfinanzhofs[2] an, dass beim Verkauf einer von § 8b Abs. 2 KStG 1999 erfassten Auslandsbeteiligung nicht nur der innerbilanziell zu erfassende „tatsächliche“ Veräußerungserlös, sondern auch die als verdeckte Gewinnausschüttung nach § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG erfasste Differenz zum höheren angemessenen Kaufpreis Bestandteil des gemäß § 8b Abs. 2 KStG 1999 steuerfreien Veräußerungsgewinns ist. Diese Reichweite des § 8b Abs. 2 KStG 1999 ergibt sich aus Sinn und Zweck des § 8b Abs. 2 KStG 1999 und des § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG. Eher technische Überlegungen, wie die Einbeziehung der außerbilanziellen Hinzurechnung von verdeckten Gewinnausschüttungen zu folgen hat, stehen dem nicht entgegen[3].
§ 8 Abs. 3 Satz 2 KStG verhindert, dass sich durch unentgeltliche, außerhalb der Gewinnverteilung erfolgende Leistungen an den Gesellschafter das zu versteuernde Einkommen einer Kapitalgesellschaft mindert. § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG besteuert damit Gewinnverlagerungen in Richtung der Gesellschafter und den ihnen nahestehenden Personen[4].
§ 8b Abs. 2 KStG 1999 stellt hingegen die Gewinne aus der Veräußerung einer qualifizierten Auslandsbeteiligung steuerfrei. Ob der Ansässigkeitsstaat der Beteiligung die Gewinne erfasst, ist dabei irrelevant. Vielmehr ergibt sich in vielen Fällen (hier etwa gemäß Art. 13 Abs. 3 DBA-Belgien), dass dem Staat, in dem die veräußerte Beteiligung ihren Sitz oder Geschäftsleitung[5] hat, selbst kein Besteuerungsrecht für den Veräußerungsgewinn zusteht. § 8b Abs. 2 KStG 1999 stellte im Inland Veräußerungsgewinne steuerfrei, obwohl diese in den meisten DBA-Fällen auch im Ausland keiner Steuer unterliegen.
Steuerfrei sind deshalb nach Ansicht des Gerichts – ungeachtet etwaiger Missbrauchsgefahren – alle stillen Reserven in den Anteilen an der Auslandsbeteiligung.
Deshalb ist nicht entscheidend, ob die Anwendung des § 8b Abs. 2 KStG 1999 auf verdeckte Gewinnausschüttungen die Gefahr der Nichterfassung von Einnahmen begründet. Vielmehr würde die den Änderungsbescheiden zugrunde liegende Annahme einer steuerpflichtigen verdeckten Gewinnausschüttung dazu führen, dass die stillen Reserven in Höhe der verdeckte Gewinnausschüttung besteuert werden, obwohl § 8b Abs. 2 KStG 1999 die stillen Reserven ungeachtet der (Nicht-)Besteuerung im Ausland freistellt und auch § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG nur die steuerliche Erfassung sicherstellen soll, die bei angemessenen Bedingungen eintritt[6].
Der Wortlaut der Bestimmungen steht einer Anwendung des § 8b Abs. 2 KStG 1999 auf verdeckte Gewinnausschüttungen im Sinne von § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG nicht entgegen. Insbesondere enthält § 8b Abs. 2 KStG 1999 (anders als § 8b Abs. 2 Satz 2 KStG in der aktuellen Fassung) keine (eindeutige) Definition des Veräußerungsgewinns, die eine Erfassung verdeckter Gewinnausschüttungen ausschließen könnte. Die Konkurrenz der beiden Normen wird in ihnen nicht ausdrücklich angesprochen und ist daher gemäß dem Beschluss des Bundesfinanzhofs vom 6. Juli 2000[7] dahingehend aufzulösen, dass nicht der nach § 8 Abs. 1 KStG erfasste steuerbilanzielle Veräußerungsgewinn, sondern der gemäß § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG korrigierte Veräußerungsgewinn gemäß § 8b Abs. 2 KStG 1999 steuerfrei ist[8].
Falls – was das Finanzgericht mangels Erheblichkeit für die vorliegende Entscheidung offenlässt – die Klägerin daher durch den Verkauf der Y-Holding eine verdeckte Gewinnausschüttungen an die A getätigt haben sollte, hat die Klägerin letztlich einen steuerfreien Gewinn „verlagert“ und kann sich daher jedenfalls auf die Steuerfreistellung gemäß § 8b Abs. 2 KStG 1999 berufen. Dass die sonstigen Voraussetzungen des § 8b Abs. 2 KStG 1999 vorliegen, ergibt sich daraus, dass der Beklagte für den bilanziellen Veräußerungsgewinn die Steuerfreiheit des § 8b Abs. 2 KStG 1999 gewährt hat und somit davon auszugehen ist, dass – wie von § 8b Abs. 2 KStG für die Steuerfreiheit von Veräußerungsgewinnen vorausgesetzt – die etwaigen Dividenden der YY Belgien S.A. Holding N. V. (Aktiengesellschaft nach belgischem Recht) unter das abkommensrechtliche Schachtelprivileg des Art. 23 Abs. 1 Nr. 3 DBA-Belgien 1967[9] gefallen wären.
An die nach Ansicht des Beklagten abweichende Auffassung der Finanzverwaltung in Abschnitt 41 Abs. 5 Satz 5 KStR 1995 ist das Hessische Finanzgericht nicht gebunden. Entsprechend der Ansicht von Wassermeyer[10] spricht für das Gericht allerdings einiges dafür, dass die Körperschaftsteuerrichtlinien insoweit nicht die vorliegende Konstellation, sondern (nur) den Fall erfassen sollen, dass eine (Mutter-)Gesellschaft eine Auslandsbeteiligung zu einem überhöhten Preis an ihre (inländische) Tochtergesellschaft verkauft und der Muttergesellschaft daher eine verdeckte Gewinnausschüttung im Sinne von § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG 1999 zufließt. In diesem Fall (verdeckte Gewinnausschüttung gemäß § 20 EStG) geht es darum bei der Muttergesellschaft den ihr zufließenden überhöhten Veräußerungserlös aufzuteilen in den fremdüblichen (steuerfreien) Veräußerungserlös und den im Anrechnungsverfahren noch steuerpflichtigen Kapitalertrag in Form der verdeckten Gewinnausschüttung[11].
Soweit der Beklagte meint, dass die außerbilanzielle Hinzurechung verdeckter Gewinnausschüttung gegen die Anwendung des § 8b Abs. 2 KStG a.F. spricht, ist dem aus dem im Beschluss des Bundesfinanzhofs vom 20. März 2000[12] genannten Gründen nicht zu folgen. Insbesondere betrifft die außerbilanzielle Hinzurechnung der verdeckten Gewinnausschüttungen[13] nur die technische Durchführung der Rechtsfolge einer verdeckten Gewinnausschüttung. Ohnehin ist zu § 8b Abs. 2 KStG in der aktuellen Fassung nicht nur die ganz überwiegende Literatur[14], sondern auch die Finanzverwaltung[15] der Ansicht, dass verdeckte Gewinnausschüttungen in der vorliegenden Konstellation gemäß § 8b Abs. 2 KStG steuerfrei sind und zwar, obwohl die Finanzverwaltung die außerbilanzielle Hinzurechnung von verdeckten Gewinnausschüttungen zuvor anerkennt hatte[16].
Die Nichtanwendung des § 8b Abs. 2 KStG 1999 kann auch nicht damit begründet werden, dass die Vorteilsgewährung im Inlandsbereich erfolge und nicht im Ausland vorhandene Rücklage repräsentiere. Denn die Frage, ob im Ausland Rücklagen vorhanden sind, würde bei einem Verkauf zum angemessenen Preis an der Steuerfreistellung gemäß § 8b Abs. 2 KStG 1999 nichts ändern, zumal § 8b Abs. 2 KStG gerade bei einer inländischen Kapitalgesellschaft (hier der Klägerin) vorhandene stille Reserven steuerfrei stellt. Ob dabei Gewinne verschleiert werden und eine Nichtbesteuerung droht, ist unbeachtlich, denn ohne „Verschleierung“ wäre der angemessene Veräußerungsgewinn ebenfalls sowohl im Inland als auch im Ausland steuerfrei. Die Problematik einer gänzlichen Nichtbesteuerung stellt sich nicht, denn die Nichtbesteuerung der veräußernden Kapitalgesellschaft ist in den meisten DBA-Fällen gerade der Inhalt des § 8b Abs. 2 KStG 1999. Die einzige Verschleierungsgefahr besteht darin, dass beim Gesellschafter (hier A) die als Kapitalertrag gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG a.F. steuerpflichtige verdeckte Gewinnausschüttung unbesteuert bleibt. Insoweit wäre aber die Klägerin im Fall einer verdeckten Gewinnausschüttung allenfalls zum Abzug und zur (strafbewehrten) Anmeldung und Abführung von Kapitalertragsteuer verpflichtet gewesen und zwar auch dann, wenn die bei der Klägerin erfasste verdeckte Gewinnausschüttung steuerfrei ist. Die Kapitalertragsteuer auf die etwaige verdeckte Gewinnausschüttung ist aber nicht Gegenstand des Verfahrens.
Die Anwendung des § 8b Abs. 2 KStG 1999 auf die verdeckte Gewinnausschüttungen in der vorliegenden Konstellation gilt auch für die Gewerbesteuer.
Denn nach § 7 GewStG 1999 ist der nach der Bestimmungen der Körperschaftsteuergesetzes ermittelte Gewinn als Gewerbeertrag zu erfassen[17]. Damit ist der Gewinn gemeint, der sich unter anderem nach Berücksichtigung des § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG und des § 8b Abs. 2 KStG 1999 ergibt.
Eine die etwaige Steuerfreistellung ganz oder teilweise neutralisierende Hinzurechnung nach § 8 GewStG ist weder behauptet noch ersichtlich.
Hessisches Finanzgericht, Urteil vom 17. Mai 2011 -4 K 2561/09
- vgl. Hess. FG, Beschluss vom 12.01.2000 – 4 V 3043/99, EFG 2000, 330[↩]
- BFH, Beschluss vom 06.07.2000 – I B 34/00, BStBl II 2002, 490[↩]
- vgl. Gosch, KStG 02. Auflage 2009, § 8b Rz. 191[↩]
- vgl. Gosch, a.a.O., § 8b Rz. 189[↩]
- hier Belgien[↩]
- vgl. BFH, Beschluss vom 06.07.2000, a.a.O.[↩]
- BFH, Beschluss vom 06.07.2000, a.a.O.[↩]
- ebenso u. a. Gosch, a.a.O., § 8b Rz. 189 (jedenfalls zu § 8b KStG 2002); Rättig/Protzen GmbHR 2001, 495; Wassermeyer GmbHR 2002, 1; Haun/Winkler GmbHR 2002, 192; jeweils mit weiteren Nachweisen[↩]
- BGBl. II 1969, 18[↩]
- Wassermeyer, GmbHR 2002, 1, 3[↩]
- so auch Gosch, a.a.O., § 8b Rz. 192[↩]
- BFH, Beschluss vom 20.03.2000, a.a.O.[↩]
- vgl. BFH, Urteil vom 29.06.1994 – I R 137/93, BFHE 175, 347[↩]
- vgl. u. a. Gosch, in: Gosch, KStG 02. Auflage 2009, Randziffer 189 f. mit weiteren Nachweisen[↩]
- BMF, Schreiben vom 28.04.2003, BStBl I 2003, 292, Tz. 21[↩]
- vgl. BMF, Schreiben vom 28.05.2002, BStBl. I 2002, 603[↩]
- vgl. Abschnitt 40 Abs. 1 GewStR 1998[↩]