Die in § 17 AuslInvestmG enthaltene Verweisung auf private Veräußerungsgeschäfte (§ 23 EStG) dient allein der Definition der ausschüttungsgleichen Erträge, führt aber nicht zur Anwendung der Regelungen über die Verlustverrechnungsbeschränkungen auf der Ebene des Investmentfonds.

Eine Regelung zur Verlustausgleichsbeschränkung auf der Ebene des Investmentfonds ergibt sich insbesondere nicht aus § 17 Abs. 1 Satz 1 AuslInvestmG. Nach dieser Vorschrift gehören zu den ausschüttungsgleichen Erträgen, die den Einkünften aus Kapitalvermögen zuzurechnen sind, unter anderem die von einem ausländischen Investmentvermögen vereinnahmten, nicht zur Kostendeckung oder Ausschüttung verwendeten Gewinne aus privaten Veräußerungsgeschäften i.S. des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4, Abs. 2 und 3 EStG, soweit sie nicht Betriebseinnahmen des Steuerpflichtigen sind. Der Verweis auf die Veräußerungsgeschäfte ist entgegen der Auffassung des Finanzgericht nicht dahingehend auszulegen, dass auch die Verlustverrechnungsvorschriften des § 23 Abs. 3 Sätze 6 und 7 EStG auf der Ebene des Investmentfonds anzuwenden sind[1].
Die Norm des § 17 Abs. 1 Satz 1 AuslInvestmG enthält eine Aufzählung verschiedener Arten von thesaurierten Einnahmen des Investmentfonds. Nur die dort abschließend genannten Einnahmen werden dem Anleger als ausschüttungsgleiche Erträge laufend zugerechnet. In diesem Zusammenhang liegt es nahe, dass die Beschreibung „Gewinne aus privaten Veräußerungsgeschäften i.S. des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4, Abs. 2 und Abs. 3 EStG“ ebenfalls lediglich definiert, welche Veräußerungsgeschäfte als ausschüttungsgleiche Erträge des Fonds erfasst sind. Anders als die Begriffe „Zinsen“ oder „Dividenden“ wäre der Begriff „Veräußerungsgewinne aus Termingeschäften“ zu unbestimmt gewesen. Denn vor dem Streitjahr (1999) gab es keine steuerrechtliche Definition für Termingeschäfte. Der neu eingeführte Besteuerungstatbestand des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG sollte nach dem gesetzgeberischen Willen an die Begriffe des Wertpapierhandelsgesetzes sowie des Kreditwesengesetzes anknüpfen[2]. Insofern war auch in § 17 Abs. 1 Satz 1 AuslInvestmG der Verweis auf die neue und spezielle Definition in § 23 EStG erforderlich. Die Einbeziehung der Absätze 2 und 3 in den Verweis steht der Auslegung als Definition nicht entgegen. § 23 Abs. 2 EStG ordnet die Subsidiarität der Einkünfte aus Veräußerungsgeschäften gegenüber anderen Einkunftsarten an. Damit dient der Verweis in § 17 Abs. 1 Satz 1 AuslInvestmG auf diese Norm ebenfalls der Definition, was ausschüttungsgleiche Erträge sind. Zu den ausschüttungsgleichen Erträgen des Anlegers –und damit zu dessen Kapitaleinnahmen– gehören danach auch solche Veräußerungsgewinne des Investmentfonds, die gemäß § 23 Abs. 2 EStG zu den gewerblichen Einkünften des Fonds gehören[3]. Der weitere Verweis auf § 23 Abs. 3 EStG dient im Hinblick auf dessen Satz 4 ebenfalls der Definition der Gewinne aus Termingeschäften. Die pauschale Verweisung auf den gesamten Absatz hat somit überschießende Tendenz.
Dass mit dieser Verweisung nur eine Definition der ausschüttungsgleichen Erträge, nicht aber eine Verlustausgleichsbeschränkung bezweckt war, ergibt sich auch aus einem Vergleich mit dem Wortlaut des § 23 EStG. Während in § 17 Abs. 1 Satz 1 AuslInvestmG nur von „Gewinnen“ aus privaten Veräußerungsgeschäften die Rede ist, spricht § 23 Abs. 3 EStG von „Gewinn oder Verlust“ aus Veräußerungsgeschäften.
Für die Auslegung des Verweises auf § 23 Abs. 2 und 3 EStG als bloße Definition der ausschüttungsgleichen Erträge spricht auch die Begründung des Entwurfs für das zeitlich nachfolgende Gesetz zur Modernisierung des Investmentwesens und zur Besteuerung von Investmentvermögen –Investmentmodernisierungsgesetz–[4]. Durch dessen Art. 2 wurde das InvStG eingeführt. In § 3 Abs. 4 Satz 2 InvStG ist geregelt, dass verbleibende Verluste des Sondervermögens im Folgejahr mit positiven Erträgen zu verrechnen sind. Damit scheidet eine Verlustzuweisung an den Anleger aus. Diese Vorschrift betrifft nicht allein Veräußerungsgeschäfte, sondern sämtliche positiven und negativen Erträge des Fonds. Aus der Gesetzesbegründung zu § 3 Abs. 4 InvStG ist erkennbar, dass diese Regelung konstitutiven Charakter hat. In der Einzelbegründung zu den Absätzen 1 und 2 der Vorschrift ist jeweils von „klarstellender“ Regelung die Rede. Im Gegensatz dazu wird der Absatz 4 des § 3 InvStG, der die Verlustverrechnung betrifft, als Regelung einer „bisher ungelösten Frage“ bezeichnet[5]. Diese Formulierung rechtfertigt entgegen der vom Finanzamt in der mündlichen Verhandlung vertretenen Auffassung nicht den Schluss, es handle sich nicht um eine erstmalige Regelung zur Verlustausgleichsbeschränkung. Denn eine ungeklärte Frage setzt voraus, dass es bisher noch keine gesetzliche Antwort gegeben hat. Daher enthält § 3 Abs. 4 InvStG eine Neuregelung und gerade keine Klarstellung der bisherigen Rechtslage. Dies schließt es aus, dass die Verlustverrechnung in den Vorgängergesetzen des InvStG, also dem AuslInvestmG und dem Gesetz über Kapitalanlagegesellschaften, bereits eine Regelung für die Verlustverrechnung im Teilbereich der Veräußerungsverluste enthielt[6].
Die vorstehende Auslegung des § 17 Abs. 1 Satz 1 AuslInvestmG wird auch durch einen Vergleich mit dem Wortlaut des § 1 Abs. 3 Satz 3 InvStG deutlich. Die Definition der ausschüttungsgleichen Erträge enthält in Bezug auf private Veräußerungsgeschäfte –wie § 17 Abs. 1 AuslInvestmG– einen uneingeschränkten Verweis auf § 23 Abs. 3 EStG. Wären hier auch die dortigen Verlustverrechnungsbeschränkungen in Bezug genommen, würden sich wegen § 3 Abs. 4 InvStG einander widersprechende Verlustverrechnungskreise ergeben. Dies entspräche offensichtlich nicht dem gesetzgeberischen Willen. Selbst die Verwaltung geht davon aus, dass die Verlustbeschränkungen abschließend in § 3 Abs. 4 InvStG geregelt und die Beschränkungen des § 23 Abs. 3 Sätze 6 und 7 EStG nicht anwendbar sind[7]. Nichts anderes kann daher für die Auslegung des § 17 Abs. 1 AuslInvestmG gelten. Denn die Definitionen der ausschüttungsgleichen Erträge stimmen im AuslInvestmG und im InvStG nicht nur zufällig überein. Ausweislich der Regierungsbegründung zu § 1 Abs. 3 InvStG wurde die redaktionelle Fassung des alten § 17 Abs. 1 AuslInvestmG in den § 1 Abs. 3 InvStG übernommen. Mit inhaltlichen Änderungen sollte dies jedoch nicht verbunden sein[8]. Hätte der Gesetzgeber eine solche inhaltliche Veränderung der Verweisung auf § 23 Abs. 3 EStG beabsichtigt, hätte dies zudem im Gesetzestext zum Ausdruck kommen müssen. Zu Unrecht meint das Finanzamt daher, dass die wortgleichen Verweisungen auf § 23 Abs. 3 EStG zum einen in § 1 Abs. 3 Satz 3 InvStG sowie zum anderen in § 17 Abs. 1 Satz 1 AuslInvestmG wegen der Verlustausgleichsbeschränkung des § 3 Abs. 4 InvStG unterschiedliche Inhalte haben müssten.
Der ursprüngliche Entwurf des StEntlG 1999/2000/2002 vom 09.11.1998 durch die Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN steht dieser Auslegung nicht entgegen. Aus der Begründung zum Gesetzesentwurf ergibt sich zwar, dass Verluste des Sondervermögens aus Spekulationsgeschäften nur entsprechend § 23 Abs. 3 Satz 4 EStG (a.F.) abgezogen werden dürfen[9]. Allerdings steht diese Begründung im Zusammenhang mit den übrigen Regelungen des Gesetzesentwurfs. Danach sollten ursprünglich sämtliche Spekulationsgeschäfte i.S. des § 23 EStG beim Fonds nicht nur erfasst werden, sondern erstmalig auch steuerpflichtig sein[10]. Die bisherige Ungleichbehandlung gegenüber dem Direktanleger sollte damit beendet werden. Dieser Gesetzesentwurf fand indes keine Mehrheit. Der mit der Sache befasste Finanzausschuss schlug einen geänderten Gesetzesentwurf vor. Hiernach waren nunmehr ausschließlich die Termingeschäfte auf Fondsebene steuerpflichtig[11]. Durch den Verzicht auf die Erfassung sämtlicher Spekulationsgewinne auf Fondsebene trägt die ursprüngliche Begründung, nach der die Besteuerung von Fondsbeteiligungen an die des Direktanlegers angeglichen werden sollte, den veränderten Gesetzesentwurf nicht mehr. Insofern ist die Begründung des ursprünglichen Gesetzesentwurfs nicht zum Willen des Gesetzgebers bei Erlass des Gesetzes geworden. Eine eigene Begründung des Finanzausschusses findet sich, abgesehen von dem Willen, die Termingeschäfte zu erfassen, nicht[12].
Bundesfinanzhof, Urteil vom 18. September 2012 – VIII R 45/09
- so auch Brinkhaus in Brinkhaus/Scherer, KAGG, AuslInvestmG, § 17 AuslInvestmG Rz 53; Harenberg in Herrmann/Heuer/Raupach, KAGG, Anm. R 5 S. 23; Lindemann, Zeitschrift für Wirtschafts- und Bankrecht 2003, S. 1004, 1008; a.A. Lohr/Graetz, Der Betrieb 1999, S. 1341, 1345; Hennig/Bengard, BB 1999, 1901, 1904; BMF, Schreiben vom 04.12.2007 – IV B 8 -S 1980- 1/0, DStR 2008, 255, 256; OFD Kiel, Verfügung vom 29.04.1999 S 2252 A – St 111, FR 1999, S. 1015, 1017[↩]
- BT-Drs. 14/443, S. 28 f.[↩]
- vgl. Lübbehüsen in Brinkhaus/Scherer, a.a.O., § 40 KAGG Rz 25, § 39 KAGG Rz 33 und 34[↩]
- BGBl I 2003, 2676[↩]
- BT-Drs. 15/1553, S. 125[↩]
- so auch Bödecker, Handbuch Investmentrecht, S. 628; Hamacher in Korn, § 3 InvStG Rz 19; Sradj/Mertes, DStR 2004, S.201, 204; Kayser/Steinmüller, FR 2004, S. 137, 141 f.; a.A. Hammer, DStZ 2004, S. 340; Jacob/Geese/Ebner, Handbuch für die Besteuerung von Fondsvermögen, 3. Aufl., S. 275[↩]
- BMF, Schreiben vom 02.06.2005 – IV C 1 -S 1980- 1-87/05, BStBl I 2005, 728; sowie vom 18.08.2009 – IV C 1 -S 1980- 1/08/10019, BStBl I 2009, 931, jeweils Rz 69[↩]
- BT-Drs. 15/1553, S. 123[↩]
- BT-Drs. 14/23, S.200[↩]
- BT-Drs. 14/23, S. 122, § 17 AuslInvestmG-Entwurf[↩]
- BT-Drs. 14/442, S. 96, § 17 AuslInvestmG-Entwurf[↩]
- BT-Drs. 14/443, S. 41[↩]