Deutsche Krankenkassenbeiträge für französische Zusatzrenten

Laufende Leistungen aus den französischen Zusatzalterssicherungssystemen AGIRC und ARRCO sind bei einem in Deutschland wohnenden Rentner beitragspflichtig in der gesetzlichen Krankenversicherung und Pflegeversicherung.

Deutsche Krankenkassenbeiträge für französische Zusatzrenten

Dies entschied jetzt das Bundessozialgericht in dem Fall eines 1940 geborenen Kläger, der seit Oktober 2000 eine Rente der (deutschen) gesetzlichen Rentenversicherung bezieht und seit dem 1. April 2002 als Rentner in der gesetzlichen Krankenversicherung pflichtversichert ist. Daneben erhält er von der Alterssicherungskasse CNAV eine Rente der allgemeinen französischen Rentenversicherung sowie von den Trägerorganisationen CIRCACIC und IREPS jeweils laufende Leistungen aus den Zusatz-Alterssicherungssystemen AGIRC und ARRCO (im Folgenden: französische Zusatzrenten). Die französischen Zusatzrenten machten im April 2002 (ohne die französische Rente) etwa drei Viertel seines Gesamtalterseinkommens aus. Seine Krankenkasse stellte daraufhin die Versicherungspflicht des Klägers als Rentner in der Kranken- und Pflegeversicherung fest und unterwarf die Zusatzrenten als betriebliche Zusatzrenten der Beitragspflicht. Zu Recht, wie jetzt das Bundessozialgericht befand:

§ 248 S 1 SGB V hat faktisch eine Verdoppelung der bei versicherungspflichtigen Rentnern aus den Versorgungsbezügen zu zahlenden Beiträge gegenüber dem bis zum 31.12.2003 geltenden Recht bewirkt, denn nach § 248 SGB V in der bis zum 31.12.2003 geltenden Fassung galt bei Versicherungspflichtigen für die Bemessung der Beiträge aus Versorgungsbezügen nur die Hälfte des jeweils am 1. Juli geltenden allgemeinen Beitragssatzes ihrer Krankenkasse. Weil nach § 250 Abs 1 Nr 1 SGB V in seiner unveränderten Fassung die Beiträge weiterhin allein vom Mitglied zu tragen sind, trifft die Erhöhung im wirtschaftlichen Ergebnis allein das Mitglied und verdoppelt dessen Beitragslast aus Versorgungsbezügen.

Versorgungsbezüge sind in der Krankenversicherung bei Versicherungspflichtigen wie bei freiwillig Versicherten seit 1983 beitragspflichtige Einnahmen (vgl § 180 Abs 5 bis 8 RVO[1]). Wie das Bundessozialgericht bereits in früheren Entscheidungen[2] – an denen es festhält – ausgeführt hat, ist das Bundessozialgericht nicht davon überzeugt, dass § 248 SGB V verfassungswidrig ist. Insbesondere hat es dargelegt, dass sich an der Zumutbarkeit der jetzigen Beitragslast auf Versorgungsbezüge nichts ändert, wenn die Belastung von Versorgungsbeziehern im Einzelfall – wie hier – aufgrund eines höheren Anteils der Versorgung am individuellen Arbeitseinkommen höher ist.

Das Bundessozialgericht hat auch weder eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung im Verhältnis zu freiwillig versicherten Rentenbeziehern gesehen noch einen Verstoß gegen Art 3 Abs 1 GG angenommen, soweit nach § 248 S 2 SGB V für Versorgungsbezüge im Sinne von § 229 Abs 1 S 1 Nr 4 SGB V, dh Renten und Landabgaberenten nach dem Gesetz über die Alterssicherung der Landwirte, weiterhin nur der halbe allgemeine Beitragssatz gilt. Weiter hat das Bundessozialgericht weder die Eigentumsgarantie des Art 14 Abs 1 GG als verletzt angesehen noch die Verdoppelung der Beitragslast auf Versorgungsbezüge als Verletzung des Art 2 Abs 1 GG iVm dem rechtsstaatlichen Grundsatz des Vertrauensschutzes bewertet. Das BVerfG[3] hat die Verfassungsbeschwerden gegen die Entscheidungen des Bundessozialgericht vom 10. Mai 2006[4] nicht zur Entscheidung angenommen. Im Zusammenhang mit der Verdoppelung der Beitragslast einer pflichtversicherten Rentnerin mit einer Witwenrente nach dem Soldatenversorgungsgesetz[5] hat das Bundesverfassungsgericht § 248 SGB V ebenfalls nicht beanstandet[6]. In diesen Entscheidungen hat das Bundesverfassungsgericht § 248 S 1 SGB V als mit dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 GG vereinbar angesehen. Einen Verstoß gegen Art 2 Abs 1 GG hat es verneint und ua ausgeführt, die Belastung mit dem vollen allgemeinen Beitragssatz sei auch dann hinzunehmen, wenn die Versorgungsbezüge – wie hier – ausnahmsweise einen hohen Anteil der Alterseinkünfte ausmachten. Es ist weder ersichtlich noch macht der Kläger geltend, dass in seinem Fall Besonderheiten vorliegen, die Anlass zu einer abweichenden verfassungsrechtlichen Beurteilung geben könnten.

Bundessozialgericht, Urteil vom 29. Februar 2012 – B 12 KR 19/09 R

  1. i.d.F. des Rentenanpassungsgesetzes 1982 vom 01.12.1981, BGBl I 1205[]
  2. vgl. BSG, Urteile vom 24.08.2005 – B 12 KR 29/04 R, SozR 4-2500 § 248 Nr 1; vom 10.05.2006 – B 12 KR 5/05 R u.a., USK 2006-25; B 12 KR 7/05 R, WzS 2007, 155; und B 12 KR 21/05 R, WzS 2007, 155; sowie vom 13.6.2007 – B 12 KR 18/06 R, USK 2007-12[]
  3. BVerfG, Beschluss vom 28.02.2008 – 1 BvR 2137/06, SozR 4-2500 § 248 Nr 3[]
  4. BSG, Urteile vom 10.05.2006 – B 12 KR 3/05 R, WzS 2007, 154; B 12 KR 5/05 R, aaO; B 12 KR 7/05 R, aaO; B 12 KR 9/05 R, WzS 2007, 153; und B 12 KR 13/05 R – WzS 2007, 153[]
  5. BSG, Urteil vom 13.06.2007 – B 12 KR 18/06 R, USK 2007-12[]
  6. BVerfG, Beschluss vom 07.04.2008 – 1 BvR 2325/07, SozR 4-2500 § 248 Nr 4; vgl außerdem BVerfG, Beschluss vom 28.05.2008 – 1 BvR 2257/06, SozR 4-2500 § 240 Nr 11: Verdoppelung der Beitragslast für beamtenrechtliche Versorgungsbezüge durch Aufhebung von § 240 Abs 3a SGB V[]