Das anwendbare materielle Wettbewerbsrecht ist – anders als vom Bundesgerichtshof früher entschieden[1] grundsätzlich auch dann nach dem Marktortprinzip zu bestimmen, wenn sich der wettbewerbliche Tatbestand im Ausland ausschließlich unter inländischen Unternehmen abspielt oder sich gezielt gegen einen inländischen Mitbewerber richtet, der dadurch im Wettbewerb behindert wird.

Die Rom-II-Verordnung[2] fand auf den jetzt vom Bundesgerichtshof entschiedenen Streitfall noch keine Anwendung, da sie nur für Ereignisse gilt, die nach dem 11. Januar 2009 eingetreten sind (vgl. Art. 31 f. Rom-II-VO). Für die materielle Rechtsanknüpfung ist daher die Rechtslage unter Geltung der am 1. Juni 1999 in Kraft getretenen Fassung des Art. 40 EGBGB maßgeblich. Danach richtet sich die Beurteilung einer Wettbewerbshandlung nach dem Recht des Ortes, an dem die wettbewerbsrechtlichen Interessen der Mitbewerber aufeinandertreffen, also nach dem Recht des Marktorts. Geht es um die wettbewerbsrechtliche Beurteilung eines Verhaltens bei der Gewinnung von Kunden, ist Marktort der Ort, an dem auf die Entschließung des Kunden eingewirkt werden soll. Dort soll das Wettbewerbsrecht unlauteres Konkurrenzverhalten verhindern; auf diesen Ort bezieht sich auch das durch das Wettbewerbsrecht ebenfalls geschützte Interesse der Allgemeinheit an einem lauteren Wettbewerb[3].
Die für das allgemeine Deliktsrecht in Art. 40 Abs. 2 EGBGB vorgesehene Sonderanknüpfung an das gemeinsame Heimatrecht von Verletzer und Verletztem gilt im Bereich des Wettbewerbsrechts nicht[4]. Der Gesetzgeber hat mit der Einführung des Art. 40 Abs. 2 EGBGB keine Abkehr vom Marktortprinzip im Wettbewerbsrecht beabsichtigt[5].
Nach dem Marktortprinzip setzt die Anwendung deutschen Wettbewerbsrechts voraus, dass die wettbewerbsrechtlichen Interessen der Mitbewerber im Inland aufeinandertreffen[6]. Daran fehlt es im Streitfall. Die Beklagte hat das beanstandete Telefax anlässlich einer Ausschreibung in Bulgarien an ihre bulgarische Repräsentantin mit der Bitte geschickt, das ausschreibende Unternehmen K. und andere Kunden in Bulgarien über dessen Inhalt zu informieren. Marktort der Wettbewerbshandlung war deshalb Bulgarien.
Allerdings hat der Bundesgerichtshof in der Vergangenheit für die Frage der Rechtsanwendung dann ausnahmsweise an den gemeinsamen Inlandssitz der beteiligten Wettbewerber angeknüpft, wenn sich der wettbewerbliche Tatbestand im Ausland ausschließlich unter inländischen Unternehmen abspielte oder sich speziell gegen den inländischen Mitbewerber richtet, der dadurch im Wettbewerb ungehörig behindert wird[7]. Soweit aus dieser Entscheidung des Bundesgerichtshofs aus dem Jahre 1963 für den vorliegenden Fall die Anwendbarkeit deutschen Wettbewerbsrechts abgeleitet werden könnte, hält der Bundesgerichtshof an ihr nicht fest.
Die Anwendung deutschen Wettbewerbsrechts als des gemeinsamen Heimatrechts der (einzigen) Mitbewerber lässt die Interessen der Marktteilnehmer am ausländischen Marktort außer Betracht. Liegt der Marktort im Ausland, betrifft auch das zu schützende Interesse des klagenden deutschen Unternehmens primär dessen Wettbewerbsstellung auf dem ausländischen Markt. Dort kollidieren die wettbewerblichen Interessen der Parteien als Wettbewerber. Entgegen der Ansicht der Revision trifft es nicht zu, dass in diesen Fällen der wesentliche Schwerpunkt der betroffenen wettbewerblichen Interessen im Inland liegt. Im Hinblick darauf hat es der Bundesgerichtshof abgelehnt, wettbewerbliche Konflikte unter ausländischen Unternehmen auf dem deutschen Markt nach den Grundsätzen der Stahlexport-Entscheidung und damit gegebenenfalls nach ausländischem Recht zu lösen[8]. Ein sachlicher Grund für die Ungleichbehandlung des Inländerwettbewerbs im Ausland gegenüber dem Ausländerwettbewerb im Inland ist jedenfalls heute nicht mehr ersichtlich. Es ist daher geboten, in beiden Fällen das Marktortprinzip anzuwenden. Ferner ist nicht zu begründen, warum die Anwendung unterschiedlichen materiellen Rechts zu einer abweichenden Beurteilung derselben Wettbewerbsmaßnahme, etwa einer Werbung, führen können sollte, je nach dem, ob neben den inländischen Unternehmen noch ein oder mehrere ausländische Unternehmen auf dem ausländischen Markt tätig sind. Schließlich wird es häufig nur schwer zu klären sein, ob es auf einem bestimmten ausländischen Markt einheimische Wettbewerber oder solche aus Drittstaaten gibt[9].
Bundesgerichtshof, Urteil vom 11. Februar 2010 – I ZR 85/08
- Aufgabe von BGHZ 40, 391, 397 ff. – Stahlexport[↩]
- Verordnung (EG) Nr. 864/2007 über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht[↩]
- BGHZ 113, 11, 15 – Kauf im Ausland; BGH, Urteil vom 26.11.1997 – I ZR 148/95, GRUR 1998, 419, 420 = WRP 1998, 386 – Gewinnspiel im Ausland[↩]
- BGH, Urteil vom 13.5.2004 – I ZR 264/00, GRUR 2004, 1035, 1036 = WRP 2004, 1484 – Rotpreis-Revolution; Urteil vom 05.10.2006 – I ZR 7/04, GRUR 2007, 245 Tz. 11 = WRP 2007, 174 – Schulden Hulp, m.w.N.; Fezer/Koos in Staudinger, BGB, September 2006, IntWirtschR Rdn. 396 f.[↩]
- vgl. Begründung der Bundesregierung zum Entwurf eines Gesetzes zum Internationalen Privatrecht für außervertragliche Schuldverhältnisse und für Sachen, BT-Drs. 14/343, S. 10; Hausmann/Obergfell in Fezer, UWG, 2. Aufl., Einl. I Rdn. 63[↩]
- BGH GRUR 2007, 245 – Schulden Hulp, m.w.N.[↩]
- BGHZ 40, 391, 397 ff. – Stahlexport[↩]
- BGH, Urteil vom 04.06.1987 – I ZR 109/85, GRUR 1988, 453, 454 = WRP 1988, 25 – Ein Champagner unter den Mineralwässern[↩]
- vgl. zum Ganzen Köhler in Köhler/Bornkamm aaO Einl. I UWG Rdn. 5.14; Hausmann/Obergfell in Fezer aaO Einl. I Rdn. 224; siehe auch Sack, WRP 2000, 269, 279 f.[↩]