Russland-Sanktionen – und die Einziehung der Vermittlungsprovisionen

Die Einziehung des gesamten Erlöses aus einem vom (hier: im Rahmen der Russland-Sanktionen bestehenden) Verbot der Erbringung von Vermittlungsdiensten für Militärgüter erfassten Geschäft ist zulässig.

Russland-Sanktionen – und die Einziehung der Vermittlungsprovisionen

Dies entschied jetzt der Gerichtshof der Europäischen Union und befand sich dabei außerdem als zuständig für die Auslegung einer Maßnahme mit allgemeiner Geltung eines GASP-Beschlusses, die in einer Verordnung hätte umgesetzt werden müssen und die als Grundlage für eine nationale Sanktionsmaßnahme dient.

Das Verbot der Erbringung von Vermittlungsdiensten für Militärgüter für einen Wirtschaftsteilnehmer in Russland, das Grundlage der nationalen Sanktionsmaßnahme ist, hätte in einer Verordnung umgesetzt werden müssen. Dieses Verbot gilt auch dann, wenn diese Güter nie in einen Mitgliedstaat eingeführt wurden. Das Unionsrecht erlaubt die Einziehung aller in Verbindung mit der Erbringung solcher Dienstleistungen erhaltenen Beträge.

Ausgangspunkt für diese Enscheidung des Unionsgerichtshofes war ein Fall aus Rumänien. Die Fa. Neves 77 Solutions SRL (Neves), ein rumänisches Unternehmen im Bereich der Luftfahrt, vermittelte ein Rechtsgeschäft zwischen einem ukrainischen Unternehmen, SFTE Spetstechnoexport, und einem indischen Unternehmen über den Verkauf von 32 Funkstationen, von denen 20 in Russland hergestellt wurden. Die rumänischen Behörden teilten Neves im Sommer 2019 mit, dass die Vermittlungstätigkeiten im Zusammenhang mit diesen Gütern dem Verbot unterfielen, Vermittlungsdienste in Verbindung mit Militärgütern für einen Wirtschaftsteilnehmer in Russland zu erbringen, das von der Union als Reaktion auf die Handlungen Russlands, die die Lage in der Ukraine destabilisieren, erlassen wurde. Wenig später erhielt Neves dennoch fast drei Millionen Euro von SFTE Spetstechnoexport für die Erbringung ihrer Vermittlungsdienste. Daher verhängten die rumänischen Behörden gegen Neves eine Geldbuße von 30 000 Lei (etwa 6 000 €) und zogen die für diese Dienstleistungen erhaltenen Beträge ein.

Ein rumänisches Gericht richtete in der Folge ein Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof, ob dieses Verbot Anwendung findet, wenn die betroffenen Militärgüter nie in die Union eingeführt wurden, und ob die nationalen Sanktionen, die wegen des Verstoßes gegen dieses Verbot verhängt wurden, mit dem Eigentumsrecht des betroffenen Unternehmens vereinbar sind.

Mit einem solchen Vorabentscheidungsersuchen haben die Gerichte der EU-Mitgliedstaaten die Möglichkeit, dem Gerichtshof der Europäischen Unin im Rahmen eines Rechtsstreits, über den sie zu entscheiden haben, Fragen betreffend die Auslegung des Unionsrechts oder die Gültigkeit einer Handlung der Europäischen Union vorzulegen. Der Unionsgerichtshof entscheidet dabei nur über die vorgelegte Rechtsfrage, nicht hingegen über den beim nationalen Gericht anhängigen Rechtsstreit. Dieser ist unter Zugrundelegung der Entscheidung des Unionsgerichtshofs vom nationalen Gericht zu entscheiden. Die Entscheidung des Unionsgerichtshofs bindet in gleicher Weise auch andere nationale Gerichte, wenn diese über vergleichbare Fragen zu befinden haben.

In seinem jetzt verkündeten Urteil bestätigt der Unionsgerichtshof zunächst seine Zuständigkeit für die Auslegung einer Bestimmung mit allgemeiner Geltung eines GASP-Beschlusses, die als Grundlage für nationale Sanktionsmaßnahmen gegen ein Unternehmen dient. Die Zuständigkeit des Gerichtshofs für die einheitliche Auslegung des Unionsrechts darf nämlich nicht umgangen werden, wenn – wie hier – die betreffende restriktive Maßnahme mit allgemeiner Geltung in eine Verordnung hätte aufgenommen werden müssen, hinsichtlich deren der Gerichtshof in jedem Fall zuständig ist.

Zur Begründetheit führt der Unionsgerichtshof aus, dass das Verbot der Erbringung von Vermittlungsdiensten in Verbindung mit Militärgütern für einen Wirtschaftsteilnehmer in Russland auch dann gilt, wenn diese Güter nie in einen Mitgliedstaat eingeführt wurden. Ein solches Verbot könnte nämlich leicht umgangen werden, wenn es, um ihm zu entgehen, genügte, diese Güter zu befördern, ohne das Unionsgebiet zu durchqueren.

Der Unionsgerichtshof stellt auch fest, dass das Unionsrecht die automatische Einziehung aller in Verbindung mit der Erbringung von Vermittlungsdiensten für Militärgüter für einen Wirtschaftsteilnehmer in Russland erhaltenen Beträge zulässt. Das schränkt zwar das Eigentumsrecht des Dienstleisters in Bezug auf diese Beträge ein. Eine solche Einschränkung ist jedoch geeignet, die Wirksamkeit des betreffenden Verbots zu gewährleisten, und daher grundsätzlich verhältnismäßig im Hinblick auf die von der Union verfolgten legitimen Ziele, nämlich die territoriale Unversehrtheit, die Souveränität und die Unabhängigkeit der Ukraine zu schützen.

Gerichtshof der Europäischen Union, Urteil vom 10. September 2024 – C -351/22

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