Der Bundesfinanzhof hat mit den Gerichtshof der Europäischen Union im Rahmen eines Vorabentscheidungsersuchens zur Klärung gemeinschaftsrechtlicher Fragen angerufen, die den Ausschluss des in einem Drittstaat befindlichen Betriebsvermögens von erbschaftsteuerrechtlichen Begünstigungen für inländisches Betriebsvermögen betreffen.

Dem Gerichtshof der Europäischen Union wird folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:
Ist Art. 56 Abs. 1 EG i.V.m. Art. 58 EG dahin auszulegen, dass er der Regelung eines Mitgliedstaates entgegensteht, die für die Berechnung der Erbschaftsteuer auf einen Nachlass vorsieht, dass die zum Privatvermögen gehörende Beteiligung als Alleingesellschafter an einer Kapitalgesellschaft mit Sitz und Geschäftsleitung in Kanada mit dem vollen Wert angesetzt wird, während beim Erwerb eines derartigen Anteils an einer Kapitalgesellschaft mit Sitz oder Geschäftsleitung im Inland ein gegenstandsbezogener Freibetrag gewährt und der verbliebene Wert lediglich in Höhe von 65% berücksichtigt wird?
Die Klägerin des beim Bundesfinanzhof anhängigen Ausgangsverfahrens ist die Alleinerbin ihres 2007 verstorbenen Vaters. Zum Nachlass gehörte u.a. eine Beteiligung des Vaters als Alleingesellschafter an einer kanadischen Kapitalgesellschaft. Das Finanzamt setzte Erbschaftsteuer ohne Berücksichtigung der für Anteile an einer Kapitalgesellschaft mit Sitz oder Geschäftsleitung im Inland in § 13a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Abs. 2 ErbStG[1] vorgesehenen Begünstigungen (im Jahr 2007 ein Freibetrag von 225.000 € und ein verminderter Wertansatz von 65%)) fest.
Die steuerliche Behandlung von Erbschaften fällt nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union unabhängig von der Art und Zusammensetzung des übergehenden Vermögens unter die Vertragsbestimmungen über den Kapitalverkehr. Danach liegt ein Verstoß gegen die Freiheit des Kapitalverkehrs vor, wenn Steuervergünstigungen auf Erbschaften nur für Inlands-, nicht jedoch für Auslandsvermögen gewährt werden. Im Hinblick darauf sprechen nach Ansicht des Bundesfinanzhofs gute Gründe dafür, dass eine Erbschaft auch insoweit in den Schutzbereich der Kapitalverkehrsfreiheit fällt, als sich darin Anteile an einer ausländischen Kapitalgesellschaft befinden. Dies ist auf entsprechende Vorabentscheidungsersuchen des Bundesfinanzhofs vom Gerichtshof der Europäischen Union bereits für Betriebsvermögen im EU-Ausland so entschieden worden[2]. Dem hat der Gesetzgeber im Rahmen der Neuregelung der erbschaftsteuerrechtlichen Betriebsvermögensbegünstigungen ab 2009 Rechnung getragen. Anteile an einer Kapitalgesellschaft, die Sitz oder Geschäftsleitung weder im Inland noch in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder in einem Staat des Europäischen Wirtschaftsraums hat, gehören aber weiterhin nicht zum begünstigten (Betriebs-)Vermögen.
Der Bundesfinanzhof ist nunmehr der Auffassung, dass Art. 56 Abs. 1 EG in gleicher Weise auch für Betriebsvermögen in Drittstaaten gelten müsse. Denn nach Art. 56 Abs. 1 EG sind alle Beschränkungen des Kapitalverkehrs zwischen den Mitgliedstaaten sowie zwischen den Mitgliedstaaten und dritten Ländern verboten.
Ob dieser Rechtsstandpunkt zutrifft, kann aufgrund der bisherigen Rechtsprechung des Gerichtshof der Europäischen Union nicht mit hinreichender Sicherheit beurteilt werden und bedarf daher der Klärung durch den EuGH.
Bundesfinanzhof, Beschluss vom 15. Dezember 2010 – II R 63/09
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