Britische Universitätskolleges – und ihre Körperschaftsteuerpflicht in Deutschland

Einrichtungen, die ausschließlich ideelle oder altruistische Ziele verfolgen und nicht auf einem Markt in Wettbewerb mit anderen Wirtschaftsteilnehmern auftreten, sind mangels Erwerbszwecks vom unionsrechtlichen Gesellschaftsbegriff des Art. 54 AEUV ausgenommen. Hingegen können vermögensverwaltende Tätigkeiten gemeinnütziger Körperschaften einen Erwerbszweck i.S. des Art. 54 AEUV begründen.

Britische Universitätskolleges – und ihre Körperschaftsteuerpflicht in Deutschland

Die formelle Satzungsmäßigkeit nach § 59 AO erfordert hinsichtlich der steuerbegünstigten Zweckverfolgung werden die Begriffe „ausschließlich“ und „unmittelbar“ in der Satzung nicht ausdrücklich verwendet, dass der Satzungstext und dessen Auslegung wenigstens entsprechende Anhaltspunkte bieten[1].

In dem hier vom Bundesfinanzhof entschiedenen Fall ging es um ein College einer britischen Universität, das vor Jahrhunderten als „immerwährendes Kollegium des Studiums der Wissenschaften, der heiligen Theologie, der Philosophie und der guten Künste“ errichtet wurde. Das College ist Eigentümerin eines Wohn- und Geschäftsgrundstücks in Deutschland und erzielte daraus im Streitjahr Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung.

Das Finanzamt erließ für das Streitjahr einen Schätzungsbescheid zur Körperschaftsteuer, in dem er von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von 375.000 € ausging. Der nach erfolglosem Einspruchsverfahren hiergegen erhobenen Klage des Colleges (der Universität) gab das Finanzgericht Berlin-Brandenburg statt[2]. Auf die Berufung des Finanzamtes hob nun der Bundesfinanzhof das finanzgerichtliche Urteil auf und verwies den Rechtsstreit zur anderweitigen Entscheidung zurück an das Finanzgericht Berlin-Brandenburg, da dessen bisherige Feststellungen zu der persönlichen Körperschaftsteuerpflicht der Universität, zu deren Satzungsbestimmungen sowie zu deren tatsächlicher Geschäftsführung für eine abschließende Entscheidung durch den Bundesfinanzhof nicht ausreichten.

Die Universität erzielte aus ihrem Grundstück in A Vermietungseinkünfte i.S. von § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG), die als inländische Einkünfte gemäß § 49 Abs. 1 Nr. 6 EStG i.V.m. § 8 Abs. 1 KStG grundsätzlich der beschränkten Körperschaftsteuerpflicht unterfallen. Ob aber die Universität, die dem Recht des Vereinigten Königreichs untersteht, nach ihrer wirtschaftlichen und rechtlichen Struktur ungeachtet einer ggf. nach ausländischem Recht bestehenden Rechtspersönlichkeit[3]– einem deutschen Körperschaftsteuersubjekt entspricht (sog. Typenvergleich)[4] und damit eine beschränkt steuerpflichtige Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse i.S. des § 2 Nr. 1 KStG darstellt, lässt sich anhand der vom Finanzgericht getroffenen Feststellungen nicht beurteilen.

Die für den Typenvergleich erforderliche Feststellung der einschlägigen ausländischen Rechtsnormen sowie die Ermittlung der notwendigen gesellschaftsrechtlichen Merkmale sind Teil der vom Finanzgericht zu klärenden tatsächlichen Rechtsgrundlagen[5]. Erforderlich ist eine Gesamtwürdigung der Einzelumstände[6]. Der BFH kann als Revisionsgericht eine solche Tatsachenwürdigung nur daraufhin überprüfen, ob sie verfahrensfehlerfrei zustande gekommen ist und mit den Denkgesetzen und den allgemeinen Erfahrungssätzen im Einklang steht. Ist das zu bejahen, so ist die Tatsachenwürdigung selbst dann bindend, wenn sie nicht zwingend, sondern nur möglich wäre[7]. Eine solche Bindung besteht hingegen nicht, wenn aus den Gründen des angefochtenen Urteils nicht nachvollziehbar ist, aus welchen Tatsachen das Finanzgericht eine Schlussfolgerung tatsächlicher Art ableitet[8]. Hierin liegt ein materiellrechtlicher Fehler, der auch ohne entsprechende Rüge zur Aufhebung des Urteils führt[9].

Soweit mit der Feststellung des Finanzgerichts, die Universität weise die Rechtsform einer Stiftung englischen Rechts auf, überhaupt eine Vergleichbarkeit zu einer Stiftung des deutschen Zivilrechts oder öffentlichen Rechts angesprochen worden sein soll, wird diese Einschätzung durch die tatsächlichen Feststellungen nicht getragen. Es fehlen tragfähige Feststellungen zu der rechtlichen Struktur der Universität. Dies gilt umso mehr, als es sich bei der Universität angesichts ihrer Gründung im Jahr XXXX- nicht zwingend um ein Gebilde handelt, auf welches die Vorschriften des geltenden geschriebenen oder ungeschriebenen- Stiftungs- oder Gesellschaftsrechts Anwendung finden.

Die Erwägung des Finanzgerichts, aus der Gründungsurkunde ergebe sich, dass die Universität als „immerwährendes Kollegium“ errichtet worden sei und diese von einem „ewigen“ Bestehen der Universität ausgehe, lässt allenfalls den für eine Vergleichbarkeit zu einer Stiftung des deutschen Rechts nicht hinreichenden- Schluss auf eine unbegrenzte Lebensdauer zu. Zudem kann dieses Merkmal angesichts des im deutschen Recht für die als Mitunternehmerschaft i.S. des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG einzustufende offene Handelsgesellschaft und über § 161 Abs. 2 HGB- auch für die Kommanditgesellschaft geltenden § 131 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 HGB, nach dem der Tod eines Gesellschafters nur bei Fehlen einer anderweitigen gesellschaftsvertraglichen Regelung zur Auflösung der Gesellschaft führt, nicht ohne Weiteres für eine Vergleichbarkeit zu einer juristischen Person des deutschen Rechts angeführt werden[10]. Zu weiteren Merkmalen der Universität, welche zu den Eigenschaften einer Stiftung i.S. der §§ 80 ff. des Bürgerlichen Gesetzbuchs oder des öffentlichen Rechts korrespondieren könnten, hat das Finanzgericht keine Feststellungen getroffen.

Soweit „wegen der Einzelheiten“ ohne nähere Eingrenzung auf die Gründungsurkunde der Universität verwiesen wird, bestimmt dies nicht die Tatsachen, welche das Finanzgericht daraus herangezogen hat. Fehlende tatsächliche Feststellungen können nicht durch allgemeine Bezugnahmen auf Schriftsätze oder andere Unterlagen ersetzt werden. Bei der Verweisung muss der Gegenstand des in Bezug Genommenen hinreichend genau bezeichnet werden[11].

Zudem lässt sich nach den bisherigen Feststellungen des Finanzgerichts nicht abschließend beurteilen, ob die Universität im Streitjahr gemeinnützig und damit nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 Satz 1 KStG steuerbefreit war. Nach dieser Vorschrift sind Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen, die nach der Satzung, dem Stiftungsgeschäft oder der sonstigen Verfassung und nach der tatsächlichen Geschäftsführung ausschließlich und unmittelbar gemeinnützigen, mildtätigen oder kirchlichen Zwecken dienen (§§ 51 bis 68 der Abgabenordnung -AO), von der Körperschaftsteuer befreit. Die Steuerbefreiung ist insoweit ausgeschlossen, als wirtschaftliche Geschäftsbetriebe ausgenommen selbst bewirtschaftete Forstbetriebe- unterhalten werden (§ 5 Abs. 1 Nr. 9 Satz 2 und 3 KStG).

Sämtliche Steuerbefreiungen des § 5 Abs. 1 KStG und damit auch die Befreiung des § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG- gelten gemäß § 5 Abs. 2 Nr. 2 KStG nicht für beschränkt Steuerpflichtige i.S. von § 2 Nr. 1 KStG. Jedoch fallen Körperschaften, Personenvereinigungen oder Vermögensmassen mit inländischen Einkünften, die weder ihre Geschäftsleitung noch ihren Sitz im Inland haben, dann nach der Ausnahmeregelung in § 5 Abs. 2 Nr. 2 KStG in den Anwendungsbereich der Steuerbefreiung des § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG, wenn sie nach den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats der Europäischen Union oder nach den Rechtsvorschriften eines Staates, auf den das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum vom 03.01.1994[12] in der jeweiligen Fassung Anwendung findet, gegründete Gesellschaften i.S. des Art. 54 AEUV oder des Art. 34 des EWR-Abkommens sind, deren Sitz und Ort der Geschäftsleitung sich innerhalb des Hoheitsgebiets eines dieser Staaten befindet, und mit diesen Staaten ein Amtshilfeabkommen besteht.

Nach Art. 54 AEUV gelten als Gesellschaften die Gesellschaften des bürgerlichen Rechts und des Handelsrechts einschließlich der Genossenschaften und die sonstigen juristischen Personen des öffentlichen und privaten Rechts mit Ausnahme derjenigen, die keinen Erwerbszweck verfolgen. Dies schließt Einrichtungen, die ausschließlich ideelle oder altruistische Ziele verfolgen und nicht auf einem Markt in Wettbewerb mit anderen Wirtschaftsteilnehmern auftreten; vom unionsrechtlichen Gesellschaftsbegriff aus[13].

Soweit aber im gemeinnützigen Bereich tätige Einrichtungen Güter oder Dienstleistungen, die zur Durchführung ihrer satzungsmäßigen Zwecke erforderlich oder sachdienlich sind, erwerbsorientiert und gegen Entgelt anbieten, stehen sie anderen Wirtschaftsteilnehmern gleich. Vor diesem Hintergrund können auch vermögensverwaltende Tätigkeiten wie im Streitfall die Vermietung von Grundbesitz- ohne unmittelbaren Bezug zu gemeinnützigen Tätigkeiten Erwerbszwecken in diesem Sinne dienen[14].

Hiergegen kann nicht erfolgreich eingewendet werden, das Merkmal des Erwerbszwecks diene in erster Linie der Vermeidung von Wettbewerbsverzerrungen[15]. Ist für das Vorliegen eines Erwerbszwecks wie sich aus der ausdrücklichen Erwähnung der Genossenschaften in Art. 54 AEUV ergibt- bereits unerheblich, ob die Tätigkeit mit Gewinnerzielungsabsicht vorgenommen wird[16], und sind damit die daraus folgenden Wettbewerbsvorteile gegenüber sonstigen mit Gewinnerzielungsabsicht tätigen Marktteilnehmern für die Grundfreiheitsberechtigung unschädlich, muss dies erst recht bei gemeinnützigen Steuersubjekten für eine mögliche Quersubventionierung entgeltlich erbrachter Tätigkeiten durch den (übrigen) steuerbegünstigten Bereich gelten.

Zwar entscheidet der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) nach Art. 267 Satz 1 Buchst. a AEUV im Wege der Vorabentscheidung auch dann über die Auslegung von Unionsrecht, wenn wie im Falle des § 5 Abs. 2 Nr. 2 KStG- auf dessen Inhalt durch das nationale Recht eines Mitgliedstaats verwiesen wird[17]. Der Bundesfinanzhof erachtet die Rechtslage jedoch für eindeutig. Sie entspricht den Aussagen des EuGH, nach denen Einrichtungen, die Güter oder Dienstleistungen anbieten, aufgrund der Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit als „Unternehmen“ i.S. des Art. 107 Abs. 1 AEUV anzusehen sind, da ihr Angebot ungeachtet einer fehlenden Gewinnerzielungsabsicht- mit dem von Wirtschaftsteilnehmern konkurriert, die den gleichen Zweck verfolgen[18]. Werden gemeinnützig tätige Einrichtungen aufgrund dieser Erwägungen für Zwecke der Beihilfen als staatliche Begünstigungen den übrigen Marktakteuren gleichgestellt, muss dies auch hinsichtlich des durch die Grundfreiheiten gewährten Schutzes gegenüber mitgliedstaatlichen Diskriminierungen und Beschränkungen gelten[19]. Einer Vorlage an den EuGH nach Art. 267 Satz 1 Buchst. a AEUV bedarf es nicht[20].

Ausgangspunkt und Maßstab der Gemeinnützigkeit ist allein das (innerstaatliche) deutsche Recht, gleichviel, ob die betreffende Körperschaft im In- oder im Ausland ansässig ist. Die Bundesrepublik Deutschland ist auch aus Gründen des Unionsrechts insbesondere der Grundfreiheiten- nicht verpflichtet, den Gemeinnützigkeitsstatus ausländischen Rechts anzuerkennen[21]. Ausgangspunkt und Maßstab ist sonach allein § 5 Abs. 1 Nr. 9 Satz 1 KStG i.V.m. §§ 52 ff. AO.

Nach § 59 AO ist Voraussetzung der Steuervergünstigung, dass sich aus der Satzung, dem Stiftungsgeschäft oder der sonstigen Verfassung ergibt, welchen Zweck die Körperschaft verfolgt, dass dieser Zweck den Anforderungen der §§ 52 bis 55 AO entspricht, und dass er von der Körperschaft ausschließlich und unmittelbar verfolgt wird. Gemäß § 60 Abs. 1 Satz 1 AO müssen die Satzungszwecke und die Art ihrer Verwirklichung so genau bestimmt sein, dass bereits aufgrund der Satzung geprüft werden kann, ob die satzungsmäßigen Voraussetzungen für Steuervergünstigungen gegeben sind.

§ 60 Abs. 1 Satz 2 AO i.d.F. des Art. 10 des Jahressteuergesetzes 2009 vom 19.12 2008[22], wonach die Satzung die Festlegungen der Mustersatzung (Anlage 1 zu § 60) enthalten muss, ist gemäß Art. 97 § 1f Abs. 2 des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung (EGAO) auf Körperschaften anzuwenden, die nach dem 31.12 2008 gegründet werden. Für die im Jahr XXXX errichtete Universität sind damit die in Anlage 1 zu § 60 enthaltenen Festlegungen für die Gewährung von Steuervergünstigungen ohne Bedeutung[23].

Anhand der vom Finanzgericht getroffenen Feststellungen zur Gründungsurkunde der Universität lässt sich weder beurteilen, ob die Universität gemeinnützige Zwecke verfolgt noch, ob diese ausschließlich und unmittelbar verfolgt werden.

Gemäß § 52 Abs. 1 Satz 1 AO verfolgt eine Körperschaft gemeinnützige Zwecke, wenn ihre Tätigkeit darauf gerichtet ist, die Allgemeinheit auf materiellem, geistigem oder sittlichem Gebiet selbstlos zu fördern. Eine Förderung der Allgemeinheit ist zwar insbesondere in der Förderung von Wissenschaft und Forschung (§ 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO) und der Religion (§ 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO) zu sehen. Sie ist jedoch gleichwohl zu versagen, wenn der Kreis der Personen, dem die Förderung zugutekommt, fest abgeschlossen ist, z.B. bei einer Zugehörigkeit zu einer Familie oder der Belegschaft eines Unternehmens oder infolge seiner Abgrenzung, insbesondere nach räumlichen oder beruflichen Merkmalen, dauernd nur klein sein kann (§ 52 Abs. 1 Satz 2 AO).

Das Finanzgericht hat festgestellt, dass die Universität nach ihrer Gründungsurkunde als „immerwährendes Kollegium des Studiums der Wissenschaften, der heiligen Theologie, der Philosophie und der guten Künste“ errichtet wurde. Diese Feststellungen lassen eine Aussage dahingehend zu, dass die Universität die Förderung der Wissenschaft und Forschung sowie der Religion i.S. des § 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 AO verfolgt. Jedoch ergibt sich aus den Feststellungen des Finanzgerichts weder, dass das aus einehm früheren Jahrhundert stammende Gründungsdokument des Colleges hinsichtlich seiner Zwecksetzungen auch im Streitjahr noch uneingeschränkt Geltung beanspruchte, noch ob es angesichts der vom Finanzgericht darüber hinaus in Bezug genommenen „Statuten“- ausschließliche Grundlage der Verfassung der Universität war. Zudem bleibt sowohl offen, ob sich die Zwecksetzungen der Universität ausschließlich auf das Kollegium beziehen als auch, ob dieses einen im vorgenannten Sinne- fest abgeschlossenen Personenkreis darstellt.

Zwar haben Satzungen und sonstige Verfassungen nicht lediglich den Zweck, die satzungsmäßigen Voraussetzungen der Steuervergünstigungen zu erfüllen. Sie dienen auch und oft sogar vorrangig dazu, die Organisation einer Vereinigung und die Befugnisse ihrer Organe festzulegen, so dass die Verwendung der Begriffe „ausschließlich“ und „unmittelbar“ in der Satzung zur Erfüllung der gesetzlichen Anforderungen nicht zwingend erforderlich ist[24]. Jedoch ergibt sich wie es § 59 AO erfordert- nur dann aus der Satzung, dass der Zweck ausschließlich und unmittelbar verfolgt wird, wenn der Satzungstext und dessen Auslegung wenigstens entsprechende Anhaltspunkte bieten.

Diesbezügliche Feststellungen hat das Finanzgericht nicht getroffen. Insbesondere ist die Annahme des Finanzgerichts, der Satzung der Universität könne an keiner Stelle Gegenteiliges entnommen werden, für sich genommen nicht ausreichend. Zudem stellt die nicht eingegrenzte- Bezugnahme auf die weiteren Bestimmungen der Satzung und der Statuten keine ausreichende Tatsachengrundlage für die Folgerung des Finanzgerichts dar.

Auch lässt sich aufgrund der tatrichterlichen Feststellungen nicht beurteilen, ob die Universität die Voraussetzungen, die § 61 Abs. 1 AO für die satzungsmäßige Vermögensbindung (§ 55 Abs. 1 Nr. 4 AO) aufstellt, erfüllt. Aus dem im Jahr XXXX abgefassten Gründungsdokument der Universität ergibt sich insoweit unstreitig- weder der Zweck, für den das Vermögen im Fall der Auflösung oder Aufhebung der Körperschaft oder bei Wegfall ihres bisherigen Zwecks verwendet werden soll noch eine andere steuerbegünstigte Körperschaft oder eine juristische Person des öffentlichen Rechts, der das Vermögen für steuerbegünstigte Zwecke übertragen werden soll (§ 55 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 AO).

Nach § 62 AO i.d.F. der Bekanntmachung vom 01.10.2002[25] -AO a.F.- brauchte bei Betrieben gewerblicher Art von Körperschaften des öffentlichen Rechts, bei staatlich beaufsichtigten Stiftungen, bei den von einer Körperschaft des öffentlichen Rechts verwalteten unselbständigen Stiftungen und bei geistlichen Genossenschaften (Orden, Kongregationen) die Vermögensbindung in der Satzung nicht festgelegt zu werden. Durch Art. 10 Nr. 6 des Jahressteuergesetzes 2007 (JStG 2007)[26] wurden staatlich beaufsichtigte Stiftungen von dem Anwendungsbereich des § 62 AO a.F. ausgenommen. Gemäß Art. 97 § 1f Abs. 1 Satz 1 EGAO gilt § 62 AO i.d.F. des JStG 2007 für alle staatlich beaufsichtigten Stiftungen, die nach dem Inkrafttreten dieses Gesetzes, d.h. ab dem 19.12 2006 (vgl. Art.20 Abs. 1 JStG 2007), errichtet werden. Im Umkehrschluss ergibt sich daraus, dass Stiftungen, die vor diesem Datum errichtet wurden, sich grundsätzlich weiterhin auf die Befreiung von der satzungsmäßigen Vermögensbindung des § 62 AO a.F. berufen können[27].

Der Steuerpflichtige wird grundsätzlich auch dann von den satzungsmäßigen Vermögensbindungserfordernissen suspendiert, wenn er allgemein einer ausländischen staatlichen Aufsicht unterliegt. Es ist aber zu verlangen, dass die ausländische Stiftungsaufsicht den deutschen Aufsichtserfordernissen in ihren wesentlichen materiellen Belangen entspricht. Dies gilt -anders als das Finanzgericht meint- auch im Verhältnis zu anderen Mitgliedstaaten der EU. Mangels eines einheitlichen Stiftungsrechts und insbesondere eines einheitlichen Stiftungsaufsichtsrechts-[28] ergibt sich schon unter Gleichbehandlungsgesichtspunkten die Notwendigkeit, auch der ausländischen Stiftungsaufsicht den inländischen Aufsichtsstandard abzuverlangen. Es ist Sache des Finanzgerichts, den gebotenen Abgleich zwischen den Aufsichtsgesetzen der deutschen Bundesländer einerseits und dem für den Steuerpflichtigen maßgeblichen ausländischen Aufsichtsrecht andererseits vorzunehmen[29].

Dem genügt die Feststellung des Finanzgerichts, die Universität unterliege als Stiftung englischen Rechts der dortigen Stiftungsaufsicht, nicht. Zum einen ergibt sich hieraus nicht, dass die Universität wie § 62 AO a.F. voraussetzt[30]– einer Stiftung des deutschen Zivilrechts oder des öffentlichen Rechts vergleichbar ist und es sich nicht um eine mitgliedschaftlich organisierte Vereinigung handelt. Zum anderen enthält die Feststellung des Bestehens einer ausländischen Aufsicht weder Aussagen über deren nähere rechtliche Ausgestaltung noch über deren Vergleichbarkeit zu den Aufsichtsregelungen der deutschen Bundesländer. Unerheblich ist dabei die Feststellung des Finanzgerichts, dass sich die Bestimmungen für gemeinnützige Einrichtungen aus dem englischen „Charities Act“ sowie den Rechtsfortbildungen des common law ergäben und von der „Charity Commission“ überwacht würden, die bezüglich der Universität bisher keine Beanstandungen erhoben habe. Daraus lassen sich weder Aussagen über die nähere Ausgestaltung des für die Universität geltenden ausländischen (steuerlichen) Gemeinnützigkeitsrechts ableiten noch darüber, ob dieses Bestimmungen zur Stiftungsaufsicht enthält, welche denen des innerstaatlichen Rechts entsprechen.

Darüber hinaus ist derzeit vor dem Hintergrund der tatrichterlichen Feststellungen unklar, ob die Universität auch den gesetzlichen Anforderungen an ihre tatsächliche Geschäftsführung genügt (vgl. § 63 AO).

Soweit das Finanzgericht darauf abstellt, ein „auditor“ bzw. Wirtschaftsprüfer habe bestätigt, dass die Universität ihr Einkommen und Vermögen ausschließlich für die gemeinnützigen satzungsmäßigen Zwecke verwende, lässt dies weder eine abschließende Beurteilung dahingehend zu, dass die Universität im Streitjahr den Anforderungen des § 55 Abs. 1 Nr. 1 AO genügt hat. Noch ist daraus ersichtlich, dass die Universität ihre vereinnahmten Mittel zeitnah für ihre steuerbegünstigten satzungsmäßigen Zwecke verwendet hat (vgl. § 55 Abs. 1 Nr. 5 AO). Schon mangels näherer Feststellungen des Finanzgerichts zu den Maßstäben, an denen sich die erfolgten Prüfungen ausgerichtet haben, kann nicht beurteilt werden, ob der in Bezug genommenen Bestätigung Aussagen über eine Konformität mit den Anforderungen des deutschen Gemeinnützigkeitsrechts entnommen werden können.

Das vorinstanzliche Urteil ist hiernach aufzuheben. Die Sache ist zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen, um die aufgezeigten Feststellungen nachzuholen.

Zur Beantwortung der sich daran etwaig anschließenden Frage, ob wie bei der Verwirklichung steuerbegünstigter Zwecke im Ausland nach § 51 Abs. 2 AO erforderlich- natürliche Personen, die ihren Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Geltungsbereich dieses Gesetzes haben, gefördert wurden oder die Tätigkeit der Universität neben der Verwirklichung der steuerbegünstigten Zwecke auch zum Ansehen der Bundesrepublik Deutschland im Ausland beitragen konnte, besteht derzeit ebenso wenig Veranlassung wie zur Beantwortung der Frage, ob der darin enthaltene Inlandsbezug mit Verfassungs- und Unionsrecht vereinbar ist[31].

Bundesfinanzhof, Urteil vom 25. Oktober 2016 – I R 54/14

  1. Anschluss an BFH, Urteil vom 20.12 2006 – I R 94/02, BFHE 216, 269, BStBl II 2010, 331[]
  2. FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom vom 24.07.2014 – 4 K 12276/11[]
  3. BFH, Urteile vom 03.02.1988 – I R 134/84, BFHE 153, 14, BStBl II 1988, 588; vom 26.08.1993 – I R 44/92, BFH/NV 1994, 318[]
  4. BFH, Urteil vom 24.08.2011 – I R 46/10, BFHE 234, 339, BStBl II 2014, 764; BFH, Beschluss vom 04.04.2007 – I R 110/05, BFHE 217, 535, BStBl II 2007, 521; vgl. auch BFH, Urteil vom 15.03.1995 – II R 24/91, BFHE 177, 497, BStBl II 1995, 653[]
  5. BFH, Urteil vom 06.06.2012 – I R 52/11, BFHE 237, 356, BStBl II 2014, 240; BFH, Urteil vom 20.01.2015 – II R 42/12, BFH/NV 2015, 1079[]
  6. BFH, Urteil vom 20.08.2008 – I R 34/08, BFHE 222, 521, BStBl II 2009, 263[]
  7. vgl. z.B. BFH, Urteile vom 19.10.2005 – I R 48/04, BFHE 211, 524, BStBl II 2006, 334; vom 14.07.2004 – I R 111/03, BFHE 206, 437, BStBl II 2005, 307; vom 27.02.2003 – I R 46/01, BFHE 202, 241, BStBl II 2004, 132; vom 04.06.2003 – I R 24/02, BFHE 202, 494, BStBl II 2004, 136[]
  8. vgl. z.B. BFH, Urteile vom 14.12 2011 – XI R 33/10, BFH/NV 2012, 1009; vom 17.05.2005 – VII R 76/04, BFHE 210, 70; vom 25.08.1999 – X R 74/96, BFH/NV 2000, 416[]
  9. vgl. z.B. BFH, Urteil vom 27.05.1981 – I R 123/77, BFHE 133, 412, BStBl II 1982, 211; BFH, Urteil vom 05.03.1968 – II R 36/67, BFHE 92, 416, BStBl II 1968, 610[]
  10. vgl. dazu Martini, IStR 2012, 441, 447[]
  11. BFH, Urteil vom 21.01.1981 – I R 153/77, BFHE 133, 33, BStBl II 1981, 517[]
  12. ABl.EU 1994, Nr. L 1, 3[]
  13. BFH, Beschluss vom 14.07.2004 – I R 94/02, BFHE 206, 350, BStBl II 2005, 721; OLG Zweibrücken, Beschluss vom 27.09.2005 – 3 W 170/05, DB 2005, 2293; Müller-Graff in Streinz, EUV/AEUV, 2. Aufl., Art. 54 AEUV Rz 3; Tiedje in von der Groeben/Schwarze/Hatje, Europäisches Unionsrecht, 7. Aufl., Art. 54 AEUV Rz 22; Helios/Schlotter, IStR 2006, 483, 485; Drüen/Liedtke, FR 2008, 1, 6; Martini, Internationale Steuer-Rundschau 2015, 97, 100 f.; derselbe in Winheller/Geibel/Jachmann-Michel, Gesamtes Gemeinnützigkeitsrecht, § 5 KStG Rz 117; für eine Beschränkung auf religiöse und weltanschauliche Gruppierungen Forsthoff in Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, Art. 54 AEUV Rz 6[]
  14. Helios in Schauhoff, Handbuch der Gemeinnützigkeit, 3. Aufl., § 22 Rz 27; derselbe, Betriebs-Berater -BB- 2002, 1893, 1895; Wachter, FR 2004, 1220, 1224; Kube, IStR 2005, 469, 472; Eicker, Zeitschrift für die Steuer- und Erbrechtspraxis 2005, 147, 152 f.; Jachmann/Meier-Behringer, BB 2006, 1823, 1826; von Proff, IStR 2007, 269, 270 f.; Tiedtke/Möllmann, Deutsche Steuer-Zeitung -DStZ- 2008, 69, 77; Unger, DStZ 2010, 154, 158; vgl. auch Omlor, Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht 2015, 665, 666; Reimer/Ribbrock, Recht der Internationalen Wirtschaft 2005, 611, 612; a.A. Heger, FR 2004, 1154, 1155 f.; für eine Beschränkung auf wirtschaftliche Geschäftsbetriebe Schiffer, Deutsches Steuerrecht 2005, 508, 509[]
  15. vgl. Forsthoff in Grabitz/Hilf/Nettesheim, a.a.O., Art. 54 AEUV Rz 6[]
  16. vgl. Jung in Schwarze, EU-Kommentar, 3. Aufl., Art. 54 AEUV Rz 7[]
  17. EuGH, Urteile Dzodzi vom 18.10.1990 C297/88 und 197/89, EU:C:1990:360, Rz 36 f.; Gmurzynska-Bscher vom 08.11.1990 C231/89, EU:C:1990:386, Rz 25; Leur-Bloem vom 17.07.1997 C28/95, EU:C:1997:369, Rz 32; vgl. auch EuGH, Urteil Hermès International vom 16.06.1998 C53/96, EU:C:1998:292, Rz 32[]
  18. EuGH, Urteile Cassa di Risparmio di Firenze vom 10.01.2006 C222/04, EU:C:2006:8, Rz 122 f.; MOTOE vom 01.07.2008 C49/07, EU:C:2008:376, Rz 27 f.[]
  19. vgl. Unger, DStZ 2010, 154, 157; Arnold, Zeitschrift für Gemeinschaftsprivatrecht 2007, 235, 237 f.; Eicker in Richter/Wachter, Handbuch des internationalen Stiftungsrechts, 2007, S. 415 f.; Zimmer/Raab in Non Profit Law Yearbook 2004, 105, 117 ff.[]
  20. vgl. EuGH, Urteile Da Costa vom 27.03.1963 2830/62, EU:C:1963:6; CILFIT vom 06.10.1982 C283/81, EU:C:1982:335[]
  21. EuGH, Urteile Centro di Musicologia Walter Stauffer vom 14.09.2006 C386/04, EU:C:2006:568, Rz 47; Persche vom 27.01.2009 C318/07, EU:C:2009:33, Rz 48; BFH, Urteile vom 20.12 2006 – I R 94/02, BFHE 216, 269, BStBl II 2010, 331; vom 17.09.2013 – I R 16/12, BFHE 243, 319, BStBl II 2014, 440; BFH, Urteil vom 21.01.2015 – X R 7/13, BFHE 248, 543, BStBl II 2015, 588[]
  22. BGBl I 2008, 2794, BStBl I 2009, 74[]
  23. vgl. BFH, Beschluss vom 30.04.1997 – I B 21/96, BFH/NV 1997, 732; BFH, Urteil vom 29.08.1984 – I R 203/81, BFHE 142, 51, BStBl II 1984, 844[]
  24. BFH, Urteil in BFHE 216, 269, BStBl II 2010, 331; vgl. auch BFH, Urteil vom 18.12 2002 – I R 15/02, BFHE 201, 395, BStBl II 2003, 384[]
  25. BGBl I 2002, 3866, BStBl I 2002, 1056[]
  26. vom 13.12 2006, BGBl I 2006, 2878, BStBl I 2007, 28[]
  27. BT-Drs.- 16/2712, S. 82; Unger in Beermann/Gosch, AO, § 62 Rz 5; Leisner-Egensperger in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 62 AO Rz 33; Seer in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 62 AO a.F.[]
  28. vgl. den zweiten Erwägungsgrund des Vorschlags für eine Verordnung des Rates über das Statut der Europäischen Stiftung vom 08.02.2012 COM(2012) 35 final — 2012/0022 (APP), abgedruckt in BR-Drs.- 74/12[]
  29. BFH, Urteil in BFHE 216, 269, BStBl II 2010, 331[]
  30. vgl. BFH, Urteil in BFHE 243, 319, BStBl II 2014, 440[]
  31. vgl. Finanzgericht Köln, Urteil vom 20.01.2016 9 K 3177/14, EFG 2016, 653[]