Stipendien, die von einer in der Europäischen Union oder dem Europäischen Wirtschaftsraum ansässigen gemeinnützigen Einrichtung vergeben werden, können unter den Voraussetzungen des § 3 Nr. 44 EStG steuerfrei sein. Hierzu muss nachgewiesen sein, dass die Einrichtung die Gemeinnützigkeitsanforderungen der §§ 51 ff. AO erfüllt.

In dem vom Bundesfinanzhof entschiedenen Streitfall hatte die Klägerin, eine deutsche Ärztin, von einer französischen Stiftung, die in Deutschland weder beschränkt noch unbeschränkt steuerpflichtig war, jedoch auch nach deutschen Kriterien als gemeinnützig angesehen werden konnte, für ein Projekt im Bereich der Thromboseforschung ein Stipendium erhalten. Die von der Klägerin geltend gemachte Steuerfreiheit der Stipendiumszahlungen war von der Finanzverwaltung unter Bezugnahme auf den Wortlaut des § 3 Nr. 44 EStG und die fehlende deutsche Steuerpflicht der französischen Stiftung abgelehnt worden.
Der Bundesfinanzhof ließ dahinstehen, welcher Einkunftsart die Einnahmen zuzurechnen seien. In Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union könne § 3 Nr. 44 Satz 2 EStG aber nur so ausgelegt werden, dass auch Stipendien von einer in der Europäischen Union oder dem Europäischen Wirtschaftsraum ansässigen gemeinnützigen Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG ohne inländische Einkünfte steuerfrei seien, sofern nachgewiesen werden könne, dass die Gemeinnützigkeitsanforderungen der §§ 51 ff. AO erfüllt seien. Die grundsätzliche Verweigerung der Steuerfreiheit dieser Stipendien im Unterschied zu Stipendien gemeinnütziger inländischer Institutionen oder gemeinnütziger EU/EWR-ansässiger Institutionen mit inländischen Einkünften sei nicht zu rechtfertigen. Es reiche bei gemeinschaftsrechtskonformer Auslegung des § 3 Nr. 44 EStG aus, wenn eine Körperschaft, würde sie inländische Einkünfte erzielen, von der Körperschaftsteuer befreit wäre. Eine andere Auslegung, die die Steuerfreiheit eines Stipendiums bei dem Stipendiaten von dem – zufälligen – Vorhandensein inländischer Einkünfte des Stipendiumsgebers abhängig machen würde, verstieße gegen die Kapitalverkehrsfreiheit des Art. 63 AEUV. Die im Streitfall gewählte konkrete Abwicklung könne bereits als eine unmittelbare Stipendiumsgewährung angesehen werden; das Drittmittelkonto habe lediglich der Abwicklung der Auszahlung des der Klägerin zustehenden Stipendiums gedient.
Bundesfinanzhof, Urteil vom 15. September 2010 – X R 33/08