Gewerbesteuerkürzungen für Seehandelsschiffe

Die gewerbesteuerliche Kürzung für den Betrieb von Handelsschiffen im internationalen Verkehr gemäß § 9 Nr. 3 Satz 2 bis 5 GewStG 2002 (i.d.F. des JStG 2007) greift auch, wenn mit den Schiffen ausschließlich Güter transportiert werden.

Gewerbesteuerkürzungen für Seehandelsschiffe

Nach § 9 Nr. 3 GewStG 2002 wird die Summe des Gewinns und der Hinzurechnungen um den Teil des Gewerbeertrags eines inländischen Unternehmens gekürzt, der auf eine nicht im Inland belegene Betriebsstätte entfällt (Satz 1). Dabei gelten bei Unternehmen, die ausschließlich den Betrieb von eigenen oder gecharterten Handelsschiffen im internationalen Verkehr zum Gegenstand haben, 80 % des Gewerbeertrags als auf eine nicht im Inland belegene Betriebsstätte entfallend (Satz 2). Ist Gegenstand eines Betriebs nicht ausschließlich der Betrieb von Handelsschiffen im internationalen Verkehr, so gelten 80 % des Teils des Gewerbeertrags, der auf den Betrieb von Handelsschiffen im internationalen Verkehr entfällt, als auf eine nicht im Inland belegene Betriebsstätte entfallend, sofern dieser Teil gesondert ermittelt wird (Satz 3). Nach Satz 4 der Vorschrift werden Handelsschiffe im internationalen Verkehr betrieben, wenn eigene oder gecharterte Handelsschiffe im Wirtschaftsjahr überwiegend zur Beförderung von Personen und Gütern im Verkehr mit oder zwischen ausländischen Häfen, innerhalb eines ausländischen Hafens oder zwischen einem ausländischen Hafen und der freien See eingesetzt werden. Für die Anwendung der Sätze 2 bis 4 gilt § 5a Abs. 2 Satz 2 EStG entsprechend (Satz 5).

Mit § 9 Nr. 3 Satz 2 bis 5 GewStG 2002 soll die Belastung inländischer Schifffahrtsunternehmen mit Gewerbesteuer, soweit sie auf den Teil des inländischen Gewerbeertrags entfällt, der durch den Betrieb von Handelsschiffen -bei denen es sich regelmäßig nicht um Betriebsstätten i.S. von § 9 Nr. 3 Satz 1 GewStG 2002 handelt- im internationalen Verkehr erzielt wird, beseitigt werden. Der nicht der Gewerbesteuer unterliegende Anteil des Gewerbeertrags wird im Wege einer Pauschalregelung ermittelt. Im Ergebnis werden damit die ausländischen Gewerbeerträge einer fiktiven ausländischen Betriebsstätte zugeordnet[1].

Das Tatbestandsmerkmal „Beförderung von Personen und Gütern“ in § 9 Nr. 3 Satz 4 GewStG 2002 ist trotz der Verwendung der Konjunktion „und“ nicht dahin zu verstehen, dass nur diejenigen Beförderungsleistungen begünstigt sein sollen, bei denen kumulativ sowohl Personen als auch Güter befördert werden. Die Begünstigung soll vielmehr nach verständiger Gesetzesauslegung auch greifen, wenn nur Personen oder nur Güter befördert werden. Die Konjunktion „und“ in der Gesetzesfassung muss daher als „oder“ verstanden werden[2].

Die Kürzungsregeln des § 9 Nr. 3 Satz 2 bis 5 GewStG wurden durch das Jahressteuergesetz 1997 vom 20.12 1996[3] in das Gewerbesteuergesetz 1991 eingefügt. Die Legaldefinition in § 9 Nr. 3 Satz 4 GewStG 1991 n.F. ist an die Definition des Tatbestandsmerkmals des Betriebs von Handelsschiffen im internationalen Verkehr im seinerzeitigen § 34c Abs. 4 Satz 2 EStG 1990 angelehnt, in der ebenfalls von der Beförderung von „Personen und Gütern“ die Rede war. Weder im Hinblick auf § 34c EStG 1990 -bei welchem es sich um eine tarifliche Begünstigungsvorschrift für die inländische Seeschifffahrt gehandelt hat- noch in Bezug auf § 9 Nr. 3 Satz 2 bis 5 GewStG 1991 n.F./1999/2002 -mit welchem der Finanzausschuss des Deutschen Bundestags erklärtermaßen die „Beseitigung einer systemwidrige(n) Belastung inländischer Seeschifffahrtsunternehmen“ bezweckt hat[4]– wäre eine Begünstigung ausschließlich der kumulativen Beförderungsleistungen von Personen und Gütern mit den Gesetzeszwecken vereinbar. Da Schiffe regelmäßig speziell auf die Beförderung entweder von Gütern oder von Personen hin ausgerüstet werden und kombinierte Beförderungen in der Praxis eher selten vorkommen dürften, würde ein solch enges Normverständnis zu einem Ausschluss eines Großteils der Schifffahrtsbetriebe von den Begünstigungstatbeständen führen. Ein plausibler sachlicher Grund für eine solche Einschränkung ist nicht zu erkennen und wird auch vom Finanzamt nicht angeführt. Die vom Finanzamt vertretene Auffassung ist auch -soweit ersichtlich- bisher weder in verlautbarten Verwaltungsauffassungen noch in Rechtsprechung oder Literatur vertreten worden. Dagegen spricht schließlich auch der Umstand, dass in der durch das Seeschiffahrtsanpassungsgesetz vom 09.09.1998[5] eingeführten Bestimmung des § 5a EStG 1997 n.F., mit der die sog. Tonnagebesteuerung für die Seeschifffahrtsunternehmen an Stelle der früheren Tarifbegünstigung nach § 34c Abs. 4 EStG 1990/1997 getreten ist, nunmehr ausdrücklich die Beförderung von „Personen oder Gütern“ tatbestandsmäßig erfasst wird (§ 5a Abs. 2 Satz 1 EStG 1997 n.F./2002), ohne dass ein Anhalt dafür besteht, dass der Gesetzgeber damit den Kreis der begünstigten Schifffahrtsunternehmen im Vergleich zur Vorgängerregelung hat erweitern wollen.

Bundesfinanzhof, Urteil vom 10. August 2016 – I R 60/14

  1. vgl. BFH, Urteil vom 22.12 2015 – I R 40/15, BFHE 253, 174, BStBl II 2016, 537; Blümich/Gosch, § 9 GewStG Rz 223; Schnitter in Frotscher/Drüen, KStG/GewStG/UmwStG, § 9 GewStG Rz 166[]
  2. vgl. zu einem vergleichbaren Fall sprachlicher Ungenauigkeiten in einem Gesetzestext BFH, Urteil vom 18.03.2009 – I R 37/08, BFHE 225, 323, BStBl II 2011, 894[]
  3. BGBl I 1996, 2049, BStBl I 1996, 1523[]
  4. BT-Drs. 13/5952, S. 35[]
  5. BGBl I 1998, 2860, BStBl I 1998, 1158[]