Widerruf der Lieferung eines Gefechtsübungszentrums an Russland

Dem Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle steht sowohl bei der Erteilung einer Ausfuhrgenehmigung als auch bei deren Widerruf ein Vorrecht zu einer politischen Entscheidung darüber zu, ob die Ausfuhr von Wirtschaftsgütern den Schutzzweck der gesetzlichen Regelungen gefährdet und insbesondere eine erhebliche Störung der auswärtigen Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland zu erwarten ist. Ist die Einschätzung des Bundesamtes vor dem Hintergrund der gemeinsamen Regeln des Rates der Europäischen Union für die Kontrolle der Ausfuhr von Militärtechnologie und Militärgütern angesichts einer zu befürchtenden Gefährdung der auswärtigen Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland nicht rechtswidrig, bleibt der Widerruf entsprechender Ausfuhrgenehmigungen sofort vollziehbar.

Widerruf der Lieferung eines Gefechtsübungszentrums an Russland

So der Hessische Verwaltungsgerichtshof in dem hier vorliegenden Fall eines international tätigen Unternehmens der Wehrtechnik, das sich gegen den Widerruf entsprechender Ausfuhrgenehmigungen für die Lieferung von Komponenten für ein sog. Gefechtsübungszentrum an die Russische Föderation gewehrt hat. Die Antragstellerin und Beschwerdeführerin hatte sich im Jahr 2011 gegenüber der Russischen Föderation vertraglich zur Lieferung von Komponenten für ein sog. Gefechtsübungszentrums einschl. eines mobilen Operationszentrums verpflichtet. Neben entsprechender Hard- und Software sowie Netzwerkkomponenten umfasst der Auftrag u.a. auch die Lieferung von Video- und Ortungssystemen, Ferngläsern mit integrierten Lasersendern, Kameras zur Gefechtsüberwachung und Geräten zum Zünden von Pyrotechnik. Das Auftragsvolumen beträgt ca. 135 Mio. Euro. Zur Lieferung dieses Übungszentrums wurden vom Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle in der Zeit vom 4. Juli 2012 bis 29. November 2013 insgesamt fünf Ausfuhrgenehmigungen nach dem Außenwirtschaftsgesetz (AWG) erteilt.

Aufgrund der ernsthaften Spannungen zwischen der Europäischen Union und den USA auf der einen und der Russischen Föderation auf der anderen Seite wegen der Ereignisse in der Ukraine hat das Bundesamt diese Ausfuhrgenehmigungen im Juni bzw. im September 2014 widerrufen und die sofortige Vollziehung dieses Widerrufs angeordnet. Dagegen hat die Antragstellerin nach Durchführung eines Widerspruchsverfahrens am 16. Oktober 2014 Klage erhoben, die noch beim Verwaltungsgericht Frankfurt am Main anhängig und über die noch nicht entschieden ist. Gleichzeitig hat die Antragstellerin beantragt, die aufschiebende Wirkung dieser Klage wiederherzustellen mit dem Ziel, die Lieferung des Gefechtsübungszentrums nebst Zubehör im Hinblick auf den mit dem russischen Verteidigungsministerium für den 29. November 2014 vereinbarten Liefertermin trotz des erfolgten Widerrufs der Ausfuhrgenehmigungen zu ermöglichen. Dieser Antrag wurde vom Verwaltungsgericht Frankfurt am Main mit Beschluss vom 26. August 2014 abgelehnt. Dagegen ist von der Antragstellerin beim Hessischen Verwaltungsgerichtshof Beschwerde eingelegt worden.

In seiner Entscheidung hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof darauf hingeweisen, dass dem Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle sowohl bei der Erteilung einer Ausfuhrgenehmigung als auch bei deren Widerruf ein Vorrecht zu einer politischen Entscheidung darüber zustehe, ob die Ausfuhr von Wirtschaftsgütern den Schutzzweck der gesetzlichen Regelungen, hier insbesondere des Außenwirtschaftsgesetzes und der Außenwirtschaftsverordnung nicht oder nur unwesentlich gefährdet und insbesondere eine erhebliche Störung der auswärtigen Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland nicht zu gewärtigen ist. Diese sog. weite politische Einschätzungsprärogative sei nur in engen Grenzen gerichtlich überprüfbar. Im konkreten Einzelfall habe die Antragstellerin nicht dargelegt, dass die Einschätzung des Bundesamtes vor dem Hintergrund der gemeinsamen Regeln des Rates der Europäischen Union für die Kontrolle der Ausfuhr von Militärtechnologie und Militärgütern angesichts einer zu befürchtenden Gefährdung der auswärtigen Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland rechtswidrig sei.

Die Einschätzung des Bundesamtes, dass die Bedeutung des Schutzgutes einer am Frieden zwischen den Völkern ausgerichteten Außenpolitik der Bundesrepublik Deutschland die wirtschaftlichen Interessen der Antragstellerin überwiegt, sei rechtlich nicht zu beanstanden. Dies gelte auch unter erücksichtigung des Umstandes, dass der Ablauf der Befristung der Ausfuhrgenehmigungen zum 29. November 2014 unmittelbar bevorstehe, da die Möglichkeit einer Neuerteilung der Ausfuhrlizenzen nicht ausgeschlossen sei, falls sich die derzeitige Krise in der Ukraine beruhigen und zu einer allgemeinen Befriedung weiterentwickeln sollte.

Im Übrigen sei das Verwaltungsgericht auch unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes zu Recht davon ausgegangen, dass die von der Antragstellerin beantragte Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage gegen den Widerruf der Ausfuhrgenehmigungen eine umgehende Durchführung der Ausfuhr der Komponenten des Gefechtsübungszentrums zur Folge hätte und damit nicht wieder rückgängig zu machende Tatsachen schaffen würde.

Hessischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 20. Oktober 2014 – 6 B 1583/14