Leistungsort für Überwachungsleistungen im internationalen Warenverkehr

Die Tätigkeit einer internationalen Kontroll- und Überwachungsgesellschaft, deren „Bescheinigung über die Entladung und Einfuhr“ von Erzeugnissen in das Drittland Voraussetzung für eine im Inland zu gewährende Ausfuhrerstattung ist, steht in unmittelbarem Zusammenhang mit Gegenständen der Ausfuhr im Sinne des § 4 Nr. 3 Satz 1 Buchst. a Doppelbuchst. aa, 1. Alternative UStG und ist daher steuerbefreit.

Leistungsort für Überwachungsleistungen im internationalen Warenverkehr

Die Umsatzsteuerfreiheit dieser Kontroll- und Überwachungsleistungen besteht unabhängig davon, ob die Leistungen im In- oder im Ausland ausgeführt worden sind. Der Bundesfinanzhof brauchte daher nicht zu entscheiden, ob die Leistungen der Klägerin unter § 3a Abs. 2 Nr. 3 Buchst. c UStG oder § 3b Abs. 2 UStG fallen und im Inland nicht steuerbar sind. Selbst wenn die Klägerin entgegen ihrem Vorbringen im Inland steuerbare Leistungen gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG ausgeführt haben sollte, wären diese Leistungen gemäß § 4 Nr. 3 Satz 1 Buchst. a Doppelbuchst. aa, 1. Alternative UStG als „… andere sonstige Leistungen, wenn sich die Leistungen unmittelbar auf Gegenstände der Ausfuhr beziehen …“ steuerbefreit.

Nach der Entscheidung des XI. Senats des Bundesfinanzhofs[1] liegen –unter Beachtung des Art. 15 Nr. 13 der Sechsten Umsatzsteuerrichtlinie 77/388/EWG[2]— Leistungen im Sinne von § 4 Nr. 3 Satz 1 Buchst. a Doppelbuchst. aa UStG vor, wenn zwischen Leistung und Ausfuhrgegenständen ein unmittelbarer Zusammenhang besteht, ohne dass es sich um eine „handelsübliche Nebenleistung“ zu einer Güterbeförderung als Hauptleistung handeln muss[3]. Entgegen anderen Auffassungen in der Kommentarliteratur muss für diesen unmittelbaren Bezug die Leistung nicht unmittelbar der Beförderung der Ausfuhrgegenstände dienen[4].

Diese Voraussetzungen liegen im hier vom Bundesfinanzhof entschiedenen Streitfall vor. Die Tätigkeit der Klägerin stellt eine einheitliche Leistung dar und steht in einem engen wirtschaftlichen Zusammenhang mit der Ausfuhr der Erzeugnisse in die verschiedenen Drittländer.

Die Gesamtwürdigung, dass aus Sicht des Durchschnittsverbrauchers die Vor- und Nachbereitung der Aufträge im Inland mit den Kontrolluntersuchungen im Ausland ein „untrennbares Ganzes“ bilden, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union[5], der der Bundesfinanzhof folgt[6] ist jeder Umsatz in der Regel zwar als eigenständige, selbständige Leistung zu betrachten; allerdings darf eine wirtschaftlich einheitliche Dienstleistung im Interesse eines funktionierenden Mehrwertsteuersystems nicht künstlich aufgespalten werden. Deshalb sind die charakteristischen Merkmale des fraglichen Umsatzes zu ermitteln, um festzustellen, ob der Unternehmer dem Leistungsempfänger mehrere selbständige Leistungen oder eine einheitliche Leistung erbringt, wobei auf die Sicht des Durchschnittsverbrauchers abzustellen ist. Eine einheitliche Leistung liegt nach diesen Maßstäben insbesondere vor, wenn der Unternehmer für den Leistungsempfänger zwei oder mehr Handlungen vornimmt oder Elemente liefert, die so eng miteinander verbunden sind, dass sie objektiv eine einzige untrennbare wirtschaftliche Leistung bilden, deren Aufspaltung wirklichkeitsfremd wäre. Hiervon ausgehend ist das FG im Streitfall zu dem Ergebnis gelangt, dass es den Auftraggebern der Klägerin allein darum gegangen sei, die Bescheinigung zu erhalten, so dass alle dazu erforderlichen Tätigkeiten im Inland und die Kontrolluntersuchungen im Ausland objektiv eine einzige wirtschaftliche Leistung darstellen.

Es liegt auch der notwendige unmittelbare Zusammenhang zwischen den Leistungen der Klägerin und den Ausfuhrgegenständen vor. Die Prüftätigkeit der Klägerin bezieht sich unmittelbar auf Gegenstände der Ausfuhr und den Ort dieser Gegenstände nach Abschluss des Ausfuhrvorgangs.

Bundesfinanzhof, Urteil vom 10. November 2010 – V R 27/09

  1. BFH, Urteil vom 27.02.2008 XI R 55/07 – BFH/NV 2008, 1211[]
  2. Sechste Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG[]
  3. ebenso Wäger in Reiß/Kraeusel/Langer, UStG § 4 Nr. 3 Rz 24-26[]
  4. vgl. Abschn. 47 Abs. 1 Nr. 4 UStR 2000; Weymüller in Sölch/Ringleb, Umsatzsteuer, § 4 Nr. 3 Rz 41; wohl auch Schwarz in Plückebaum/Malitzky/Widmann, Umsatzsteuergesetz, Kommentar, § 4 Nr. 3 Rz 84; wie hier Waza in Offerhaus/Söhn/ Lange, § 4 Nr. 3 UStG Rz 89[]
  5. vgl. EuGH, Urteile vom 27.10.2005 – C-41/04, Levob, Slg. 2005, I-9433, BFH/NV Beilage 2006, 38 Rdnrn. 19 bis 22; vom 11.06.2009 – C-572/07 [Tellmer Property], Slg. 2009, I-4983 Rdnrn. 17 bis 20[]
  6. BFH, Urteile vom 25.06.2009 – V R 25/07, BFHE 226, 407, BStBl II 2010, 239; vom 20.08.2009 – V R 21/08, BFH/NV 2010, 473; BFH, Urteil vom 15.10.2009 – XI R 52/06, BFHE 227, 231, BStBl II 2010, 869[]