Die innergemeinschaftliche Anschlusslieferung – und der namentlich nicht benannte Abnehmer

Die Vorschriften für die Nacherhebung von Zoll im Sinne von Art. 105 Abs. 4 i.V.m. Abs. 3 des Unionszollkodex sind sinngemäß auf die Einfuhrumsatzsteuer anzuwenden. Die Steuerbefreiung für eine innergemeinschaftliche Anschlusslieferung gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 3, § 4 Nr. 1 Buchst. b, § 6a UStG kann grundsätzlich nur dann in Anspruch genommen werden, wenn die Identität des Erwerbers im Erwerbsmitgliedstaat feststeht. Die Beweislast für das Vorliegen der Voraussetzungen einer innergemeinschaftlichen Anschlusslieferung trägt derjenige, der sich auf die Steuerbefreiung beruft. Eine als indirekte Vertreterin ohne Vertretungsmacht aufgetretene Person ist Schuldnerin der Einfuhrumsatzsteuer.

Die innergemeinschaftliche Anschlusslieferung – und der namentlich nicht benannte Abnehmer

In dem hier vom Bundesfinanzhof entschiedenen Fall meldete die Anmelderin als indirekte Vertreterin d.h. im eigenen Namen aber für Rechnung der B GmbH, Mitgliedsstaat A, 100 Dokumententaschen mit einem Zollwert von 817, 50 € bei einem Zollamt in der Bundesrepublik Deutschland (Deutschland) unter Verwendung des Verfahrenscodes (VC) 42 zur Überlassung zum zollrechtlich freien Verkehr mit anschließender innergemeinschaftlicher steuerbefreiender Lieferung an. Hierbei gab sie die Umsatzsteuer-Identifikationsnummer (USt-IdNr.) des Mitgliedstaats A der B GmbH und die von der drittländischen Verkäuferin C erstellte Handelsrechnung Nr. … vom 28.11.2016 sowie die Lieferbedingung DDP (delivered, duty paid) an. Das Hauptzollamt  setzte mit Einfuhrabgabenbescheid vom 12.12.2016 die Einfuhrabgaben auf 0 € fest. Der Bescheid war an die Anmelderin und „als Vertreter für (für Rechnung)“ die B GmbH gerichtet. Am 19.12.2016 teilte die Anmelderin dem Hauptzollamt mit, dass die Ware nach deren Überlassung umdisponiert worden sei und ein anderer gewerblicher im Mitgliedstaat A ansässiger namentlich nicht benannter Abnehmer diese erhalten habe. Daraufhin setzte das Hauptzollamt mit Einfuhrabgabenbescheid vom 31.01.2017 gegen die Anmelderin Einfuhrumsatzsteuer in Höhe von 183, 83 € fest, weil nach Auffassung des Hauptzollamtes die Voraussetzungen einer steuerfreien innergemeinschaftlichen Lieferung (igL) gemäß § 6a UStG nicht vorlägen.

Nach Einspruchseinlegung übersandte die Anmelderin einen von der D GmbH, Mitgliedstaat A, am 28.12.2016 quittierten Lieferschein des Logistikdienstleisters E GmbH des Mitgliedstaats A vom 27.12.2016 sowie ein Schreiben der B GmbH vom selben Tag, in dem diese mitteilte, dass sie eine Gelangensbescheinigung nicht ausstellen könne. Weiterhin übermittelte die Anmelderin eine ihr von der C am 09.12.2016 erteilte Vollmacht zur Fiskalvertretung. Die Anmelderin beantragte gemäß Art. 173 Abs. 3 des Unionszollkodex (UZK) die Änderung der Zollanmeldung dahingehend, dass sie im Namen der C abzugeben gewesen sei, was das Hauptzollamt ablehnte. Die Klage gegen die Ablehnung dieses Änderungsantrags blieb erfolglos. Mit Bescheid vom 28.09.2017 nahm das Hauptzollamt den auf 0 € lautenden Einfuhrabgabenbescheid vom 12.12.2016 gemäß Art. 27 UZK zurück, weil das angemeldete indirekte Vertretungsverhältnis zwischen der B GmbH und der Anmelderin nicht bestanden habe. Mit Einspruchsentscheidung vom 11.04.2018 wies das Hauptzollamt den Einspruch der Anmelderin gegen den Einfuhrabgabenbescheid vom 31.01.2017 über 183, 83 € zurück.

Das erstinstanzlich hiermit befasste Finanzgericht Hamburg urteilte, der Einfuhrabgabenbescheid sei rechtmäßig[1]. Die Ermächtigungsgrundlagen für die Nacherhebung der Einfuhrumsatzsteuer seien Art. 101 Abs. 1, Art. 105 Abs. 4 und 3 UZK in ihren gemäß § 21 Abs. 2 Halbsatz 1 UStG entsprechend anwendbaren Fassungen. Die genannten Zollvorschriften verdrängten die Art. 27 f. UZK analog und §§ 131 f. der Abgabenordnung (AO). Die Mehrwertsteuersystemrichtlinie (MwStSystRL) stehe der nachträglichen Geltendmachung der Einfuhrumsatzsteuer nicht entgegen. Mit dem VC 42 werde in mehrwertsteuerrechtlicher Hinsicht ein eigenständiges Verfahren codiert, das allein mehrwertsteuerrechtliche Voraussetzungen habe. Die Geltendmachung der Steuerbefreiung sei nach Art. 143 Abs. 2 MwStSystRL antragsgebunden. Es handele sich bei diesem Vorgang um einen einfuhrumsatzsteuerrechtlichen Antrag auf eine einfuhrumsatzsteuerrechtliche Entscheidung gemäß § 21 Abs. 2 UStG i.V.m. Art. 22 UZK analog. Der Einfuhrabgabenbescheid vom 12.12.2016 sei, soweit darin Einfuhrumsatzsteuer in Höhe von 0 € festgesetzt werde, eine einfuhrumsatzsteuerrechtliche Entscheidung gemäß Art. 22 und Art. 5 Nr. 39 UZK analog. Die Voraussetzungen der Nacherhebung lägen im Streitfall vor und das Hauptzollamt sei dafür zuständig. Die Einfuhrumsatzsteuerschuld sei in der festgesetzten Höhe entstanden. Eine Einfuhr im mehrwertsteuerrechtlichen Sinne liege jedenfalls dann vor, wenn eine Ware zum zollrechtlich freien Verkehr überlassen worden sei und die Einfuhrabgaben gezahlt worden seien. Entgegen der Auffassung der Anmelderin werde die Besteuerungshoheit nicht auf den Bestimmungsmitgliedstaat verlagert. Die Einfuhrumsatzsteuer sei im Zeitpunkt der Annahme der Zollanmeldung entstanden, auch wenn erst zu einem späteren Zeitpunkt festgestanden habe, dass die Voraussetzungen der Steuerbefreiung gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 3 UStG nicht erfüllt seien. Die Voraussetzungen einer igL im Sinne von § 4 Nr. 1 Buchst. b und § 6a UStG lägen nicht vor. Dafür müsse die Identität des Abnehmers feststehen, weil ansonsten die Ziele der Mehrwertsteuersystemrichtlinie -unter anderem die Bekämpfung von Steuerhinterziehung, Steuerumgehung und Missbräuchen- negiert würden. Im Streitfall sei jedoch die Identität des Abnehmers der Ware im Mitgliedstaat A ungeklärt. Die Lieferung könne auch nicht gemäß § 6a Abs. 4 UStG als steuerfreie igL angesehen werden, weil deren Voraussetzungen im Streitfall ebenfalls nicht erfüllt seien. Als Grenzspediteurin habe die Anmelderin zudem zu keinem Zeitpunkt Verfügungsmacht über die Ware gehabt und daher die Lieferung nicht bewirken können. Die Anmelderin sei als Vertreterin ohne Vertretungsmacht Steuerschuldnerin, sie schuldete aber auch als Vertreterin mit Vertretungsmacht die Einfuhrumsatzsteuer, weil die Voraussetzungen der igL nicht vorlägen.

Die hiergegen gerichtete Revision der Anmelderin wies der Bundesfinanzhof nun als unbegründet zurück; das Hauptzollamt habe  zu Recht mit Einfuhrabgabenbescheid vom 31.01.2017 gegen die Anmelderin Einfuhrumsatzsteuer in Höhe von 183, 83 € festgesetzt:

Das Hauptzollamt hat den Einfuhrabgabenbescheid vom 31.01.2017 zu Recht auf Art. 105 Abs. 4 UZK gestützt. Ein gesonderter Widerruf der zunächst gewährten Steuerbefreiung nach § 5 Abs. 1 Nr. 3 UStG war -entgegen der Ansicht der Anmelderin- nicht erforderlich.

Die Rechtsgrundlage für die Nacherhebung von Einfuhrumsatzsteuer ist § 21 Abs. 2 UStG i.V.m. Art. 105 Abs. 4 i.V.m. Abs. 3 UZK in sinngemäßer Anwendung. Danach sind Einfuhrabgaben nachzuerheben, wenn der zu entrichtende Einfuhrabgabenbetrag nicht oder mit einem geringeren Betrag als dem zu entrichtenden Betrag festgesetzt und buchmäßig erfasst wurde.

Eine unmittelbare Anwendung dieser zollrechtlichen Vorschriften auf die Einfuhrumsatzsteuer ist nicht möglich, weil diese nicht zu den Einfuhrabgaben im Sinne von Art. 5 Nr.20 UZK gehört[2].

Die Absätze 4 und 3 des Art. 105 UZK sind jedoch sinngemäß auf die Einfuhrumsatzsteuer anzuwenden.

Gemäß § 21 Abs. 2 UStG gelten die Vorschriften für Zölle -bis auf hier nicht infrage kommende Ausnahmen- für die Einfuhrumsatzsteuer sinngemäß. Dies bedeutet nicht ohne weiteres die Anwendbarkeit der Zollvorschriften, sondern erfordert eine eigene Prüfung, ob und inwieweit eine Zollvorschrift im Einklang mit Sinn und Zweck der Einfuhrumsatzsteuer steht[3]. Somit ist im Einzelfall zu prüfen, ob eine sinngemäße Anwendung der genannten Vorschriften aus dem Zollschuldrecht zulässig ist.

Durch die sinngemäße Anwendung der Zollvorschriften soll insbesondere sichergestellt werden, dass die bei der Einfuhr zu erhebenden Abgaben von ein und derselben Behörde in einem Bescheid nach dem gleichen Verfahren aufgrund einheitlich getroffener Feststellungen einfach und zweckmäßig erhoben werden; dieser Zweck wird nur erreicht, wenn es regelmäßig zur Anwendung der Zollvorschriften auf die Einfuhrumsatzsteuer kommt[4].

Die Vorschriften zur Zollschuld (Art. 77, 79 UZK) sowie die Vorschriften über die Nacherhebung (Art. 105 Abs. 4 i.V.m. Abs. 3 UZK) kommen grundsätzlich für eine sinngemäße Anwendung auf die Einfuhrumsatzsteuer in Betracht[5]. Dafür spricht auch, dass bestimmte zollrechtliche Vorschriften in § 21 Abs. 2 UStG von der sinngemäßen Anwendung ausgenommen werden, was der Gesetzgeber hinsichtlich der Vorschriften zur Zollschuld und zur Nacherhebung nicht getan hat.

Im Streitfall geht es um eine Steuerentstehung im Zusammenhang mit einer mehrwertsteuerrechtlichen Einfuhr und einer zu Unrecht in Anspruch genommenen Steuerbefreiung für eine igL, weshalb die Situation -aufgrund der Tatsache, dass die Voraussetzungen einer igL nicht erfüllt sind- im Ergebnis mit der Überlassung einer Ware zum zoll- und steuerrechtlich freien Verkehr im Sinne von Art. 77 Abs. 1 Buchst. a UZK beziehungsweise § 21 Abs. 2 UStG i.V.m. Art. 77 Abs. 1 Buchst. a UZK vergleichbar ist. Besonderheiten des Umsatzsteuerrechts, die gegen eine sinngemäße Anwendung der Vorschriften über die Entstehung der Zollschuld sprechen könnten, wie zum Beispiel der Vorsteuerabzug, stehen im Streitfall deren sinngemäßer Anwendung nicht entgegen.

Die Mehrwertsteuersystemrichtlinie enthält keine Vorschriften zur Nacherhebung, sondern überlässt die Einzelheiten der Entrichtung der Mehrwertsteuer im Falle der Einfuhr gemäß Art. 211 MwStSystRL den Mitgliedstaaten. Die korrekte und gleichmäßige Festsetzung der Einfuhrumsatzsteuer beziehungsweise Einfuhrmehrwertsteuer liegt, auch zum Erreichen von Wettbewerbsneutralität, im Interesse des Richtliniengebers (vgl. Art. 1 Abs. 2 MwStSystRL; Erwägungsgründe 5 und 7 der MwStSystRL), sodass eine Nacherhebung bislang nicht festgesetzter Einfuhrumsatzsteuer dem Sinn und Zweck der Mehrwertsteuersystemrichtlinie entspricht.

Die Vorschriften der §§ 130, 131 AO und der Art. 27, 28 UZK stehen der Nacherhebung nicht entgegen.

Die Steuerbefreiung gemäß § 143 Abs. 1 Buchst. d MwStSystRL setzt zwar voraus, dass der Importeur den zuständigen Behörden des Einfuhrmitgliedstaats gegenüber bestimmte Angaben macht. Dies geschieht in der Weise, dass der Schuldner der Einfuhrumsatzsteuer der Zollverwaltung durch die Wahl des VC 42 in der Zollanmeldung mitteilen muss, dass er die Inanspruchnahme der Steuerbefreiung nach § 5 Abs. 1 Nr. 3 UStG wünscht[6]. Diese Mitteilung beziehungsweise dieser Antrag führt allerdings nicht dazu, dass neben der eigentlichen Abgabenfestsetzung eine gesonderte Verbescheidung über die beantragte Steuerbefreiung zu erfolgen hat. Vielmehr wird die Steuerbefreiung durch die Festsetzung der Einfuhrumsatzsteuer auf 0 € im Einfuhrabgabenbescheid gewährt.

Davon ausgehend handelt es sich bei der Gewährung der Steuerbefreiung nicht um einen eigenständigen, neben dem Steuerbescheid stehenden Verwaltungsakt, der nach §§ 130, 131 AO oder nach Art. 27, 28 UZK zurückgenommen oder widerrufen werden müsste, um eine nachträgliche Änderung der Einfuhrumsatzsteuer zu ermöglichen.

Abgesehen davon gelten die §§ 130, 131 AO und die Art. 27, 28 UZK nicht im Bereich der Steuerfestsetzung und werden durch die spezielleren Vorschriften über Steuerbescheide beziehungsweise Einfuhrabgabenbescheide verdrängt[7].

Die Einfuhrumsatzsteuer ist gemäß § 13 Abs. 2, § 21 Abs. 2 UStG i.V.m. Art. 77 Abs. 1 Buchst. a, Abs. 2 UZK mit der Annahme der Zollanmeldung in Deutschland entstanden.

Nach § 1 Abs. 1 Nr. 4 UStG unterliegt die Einfuhr von Gegenständen im Inland oder in den in der Vorschrift aufgeführten österreichischen Gebieten der Einfuhrumsatzsteuer und stellt somit einen steuerbaren Umsatz dar.

Der Begriff der Einfuhr wird im Umsatzsteuergesetz selbst nicht definiert. Allerdings lässt sich der Begriff anhand von Art. 30 Abs. 1 MwStSystRL bestimmen, der die Einfuhr eines Gegenstands als die Verbringung eines Gegenstands, der sich nicht im freien Verkehr im Sinne des Art. 24 des Vertrags (jetzt Art. 29 AEUV) befindet, in die Gemeinschaft (Art. 5 Abs. 1 MwStSystRL) definiert. Nach Art. 60 MwStSystRL erfolgt die Einfuhr von Gegenständen in dem Mitgliedstaat, in dessen Gebiet sich der Gegenstand zu dem Zeitpunkt befindet, in dem er in die Gemeinschaft verbracht wird.

Der Steuertatbestand und der Steueranspruch treten zu dem Zeitpunkt ein, zu dem die Einfuhr des Gegenstands erfolgt (Art. 70 MwStSystRL). Der EuGH stellt im Zusammenhang mit Pflichtverletzungen bei der Einfuhr zusätzlich auf die Überführung des Gegenstands in den Wirtschaftskreislauf der Mitgliedstaaten ab[8].

Unterliegen Gegenstände vom Zeitpunkt ihrer Verbringung in die Gemeinschaft einem Verfahren oder einer sonstigen Regelung im Sinne der Art. 156, 276 und 277 MwStSystRL, der Regelung der vorübergehenden Verwendung bei vollständiger Befreiung von Einfuhrabgaben oder dem externen Versandverfahren, treten Steuertatbestand und Steueranspruch erst zu dem Zeitpunkt ein, zu dem die Gegenstände diesem Verfahren oder dieser sonstigen Regelung nicht mehr unterliegen. Unterliegen die eingeführten Gegenstände Zöllen, landwirtschaftlichen Abschöpfungen oder im Rahmen einer gemeinsamen Politik eingeführten Abgaben gleicher Wirkung, treten Steuertatbestand und Steueranspruch zu dem Zeitpunkt ein, zu dem Tatbestand und Anspruch für diese Abgaben entstehen (Art. 71 Abs. 1 MwStSystRL).

Davon ausgehend liegt im Streitfall eine Einfuhr der Dokumententaschen in Deutschland vor, weil sie hier als in das Gebiet der Gemeinschaft verbracht anzusehen sind.

Die Waren befanden sich rein physisch in Deutschland und wurden hier am 12.12.2016 zum zollrechtlich freien Verkehr überlassen. Damit unterlagen sie nicht mehr einem Verfahren im Sinne des Art. 71 MwStSystRL, weil sich die Waren weder in einem externen Unionsversandverfahren T1 (Art. 226 Abs. 1, Abs. 3 Buchst. a UZK) noch in der vorübergehenden Verwahrung (Art. 144 UZK, vgl. auch Art. 156 Abs. 1 Buchst. a MwStSystRL) befanden. Dementsprechend wurden die Waren wie Inlandswaren behandelt. Art. 71 Abs. 1 MwStSystRL verschiebt die Erfüllung des Steuertatbestands und die Entstehung des Steueranspruchs auf den Zeitpunkt, in dem etwaige zollrechtliche Vorverfahren beendet werden.

Der vorliegende Streitfall liegt insofern anders als der Sachverhalt, der dem EuGH-Urteil Federal Express Corporation Deutsche Niederlassung[9] zugrunde lag, weil dort die Waren unter Verletzung der Gestellungspflicht in das Zollgebiet der Union verbracht, ohne Überführung in ein externes gemeinschaftliches Versandverfahren und damit unter unerlaubter Entfernung vom Verwahrungsort in einen anderen Mitgliedstaat befördert sowie nach Beendigung des externen Versandverfahrens unerlaubt vom Verwahrungsort entfernt wurden. Somit war zu klären, ob aufgrund dieser Pflichtverletzungen ein Eingang in den Wirtschaftskreislauf in Deutschland bejaht werden konnte, obwohl die Waren tatsächlich nach Griechenland weiterbefördert wurden. Im vorliegenden Streitfall wurde jedoch das der Überlassung zum zollrechtlich freien Verkehr vorausgehende zollrechtliche Verfahren ordnungsgemäß beendet.

Darüber hinaus besteht insofern ein wesentlicher Unterschied des Streitfalls zu dem EuGH-Urteil Federal Express Corporation Deutsche Niederlassung[10] als die Einfuhrmehrwertsteuer nach dem Vortrag der Anmelderin dort in Griechenland entrichtet wurde, während im vorliegenden Streitfall eine Besteuerung im Mitgliedstaat A nicht erfolgt ist. Außerdem hatte die Anmelderin in dem vom EuGH entschiedenen Fall nachgewiesen, dass die Waren in Griechenland verbraucht wurden, während vorliegend offen ist, was mit den Waren nach ihrer Ankunft im Mitgliedstaat A weiter geschehen ist. Abgesehen von einem möglichen Verbleib und einer möglichen Verwendung im Mitgliedstaat A ist ebenso denkbar, dass die Dokumententaschen in einen weiteren Mitgliedstaat befördert oder aus der Gemeinschaft ausgeführt wurden.

Das von der Anmelderin angesprochene Vorabentscheidungsverfahren des Finanzgerichtes Hamburg vom 06.12.2022[11] hat für den hier entschiedenen Streitfall keine Bedeutung, weil es auf eine entsprechende Anwendung von Art. 215 Abs. 4 des Zollkodex vorliegend nicht ankommt.

Die Einfuhrumsatzsteuer wurde im Streitfall fälschlicherweise zunächst auf 0 € festgesetzt, indem eine Steuerbefreiung für eine innergemeinschaftliche Anschlusslieferung nach § 5 Abs. 1 Nr. 3, § 4 Nr. 1 Buchst. b, § 6a UStG gewährt wurde, deren Voraussetzungen tatsächlich nicht erfüllt waren.

Gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 3 UStG ist die Einfuhr der Gegenstände steuerfrei, die von einem Schuldner der Einfuhrumsatzsteuer im Anschluss an die Einfuhr unmittelbar zur Ausführung von innergemeinschaftlichen Lieferungen (§ 4 Nr. 1 Buchst. b, § 6a UStG) verwendet werden.

Eine igL (§ 4 Nr. 1 Buchst. b UStG) liegt nach § 6a Abs. 1 Satz 1 UStG vor, wenn bei einer Lieferung der Unternehmer oder der Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet hat (Nr. 1), der Abnehmer ein Unternehmer ist, der den Gegenstand der Lieferung für sein Unternehmen erworben hat (Nr. 2 Buchst. a), eine juristische Person ist, die nicht Unternehmer ist oder die den Gegenstand der Lieferung nicht für ihr Unternehmen erworben hat (Nr. 2 Buchst. b), oder bei der Lieferung eines neuen Fahrzeuges auch jeder andere Erwerber (Nr. 2 Buchst. c) und der Erwerb des Gegenstands der Lieferung beim Abnehmer in einem anderen Mitgliedstaat den Vorschriften der Umsatzbesteuerung unterliegt (Nr. 3). Diese Voraussetzungen müssen vom Unternehmer nachgewiesen werden (§ 6a Abs. 3 Satz 1 UStG).

Die innergemeinschaftliche Anschlusslieferung wird in der Zollanmeldung durch Angabe des VC 42 beantragt. Infolge des Codes 42 und der beantragten innergemeinschaftlichen Anschlusslieferung werden die Waren unter Befreiung von der Einfuhrumsatzsteuer in den zoll- und steuerrechtlich freien Verkehr übergeführt[12]. In diesem Zusammenhang ist klarzustellen, dass sich die Rechtsgrundlagen für die beantragte Steuerbefreiung, eine etwaige Steuerentstehung und Steuerschuldnerschaft ausschließlich aus den gesetzlichen Grundlagen ergeben, während es auf die informationstechnische Abbildung der Befreiung von der Einfuhrumsatzsteuer sowie auf Verfahrensanweisungen dazu nicht ankommt.

Die Beweislast für das Vorliegen der Voraussetzungen einer innergemeinschaftlichen Anschlusslieferung trägt derjenige, der sich auf die Steuerbefreiung beruft[13]. Demnach hat der Unternehmer (Steuerpflichtige) die Voraussetzungen der igL nachzuweisen[14].

Die Voraussetzungen für eine igL im Sinne von § 6a UStG sind im Streitfall nicht erfüllt.

Zunächst ist schon unklar, ob der Abnehmer der Waren tatsächlich ein Unternehmer im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 1 UStG ist. Nach den für den Bundesfinanzhof gemäß § 118 Abs. 2 FGO bindenden Feststellungen des Finanzgerichtes ist im Streitfall die Identität des Abnehmers der Ware im Mitgliedstaat A ungeklärt. Damit ist unklar und wurde von der Anmelderin somit nicht nachgewiesen, dass es sich bei dem Abnehmer um einen Unternehmer handelt. Die B GmbH, die zunächst als Abnehmerin angegeben worden war, hat die Waren jedenfalls unstreitig nicht erhalten, weil die C nach der Überlassung der Waren zum zollrechtlich freien Verkehr in Deutschland umdisponiert hat.

Darüber hinaus hatte die Anmelderin keine Verfügungsmacht über die Waren.

Die igL gemäß § 6a UStG setzt eine Lieferung im Sinne von § 3 Abs. 1 UStG voraus, die wiederum die Verschaffung der Verfügungsmacht verlangt. Nach den Feststellungen des Finanzgerichtes hatte die Anmelderin als Grenzspediteurin jedoch keine Verfügungsmacht über die Waren, weshalb sie die Lieferung nicht ausführen konnte.

Zu Recht weist das Finanzgericht auch darauf hin, dass die Lieferung der Waren in den Mitgliedstaat A nicht von einem Schuldner der Einfuhrumsatzsteuer ausgeführt worden ist, wie von § 5 Abs. 1 Nr. 3 UStG verlangt wird.

Schuldnerin der Einfuhrumsatzsteuer ist im Streitfall die Anmelderin gemäß § 13a Abs. 2, § 21 Abs. 2 UStG i.V.m. Art. 77 Abs. 3 Satz 1 UZK analog. Diese hat als indirekte Vertreterin (Art.19 Abs. 1 Unterabs. 2 Alternative 2 UZK) der B GmbH die Zollanmeldung abgegeben und ist somit Anmelderin (Art. 5 Nr. 15 UZK) geworden. Mangels Verfügungsmacht hat die Anmelderin -wie bereits festgestellt- die igL jedoch nicht ausführen können.

Ein anderes Unternehmen kommt nicht als Schuldner der Einfuhrumsatzsteuer in Betracht. Die B GmbH hatte der Anmelderin keine Vollmacht erteilt, weshalb die Anmelderin insofern als Vertreterin ohne Vertretungsmacht aufgetreten und gemäß Art.19 Abs. 1 Unterabs. 2 Alternative 2 UZK als im eigenen Namen handelnd anzusehen ist.

Die Vollmacht der C zur Fiskalvertretung hat die Anmelderin nicht zur Abgabe der Zollanmeldung und zur Beantragung der Steuerbefreiung für die igL ermächtigt. Denn gemäß § 22b UStG beinhaltet die Fiskalvertretung lediglich verschiedene steuerliche Melde, Erklärungs- und Aufzeichnungspflichten wie zum Beispiel die Abgabe einer Steuererklärung oder einer Zusammenfassenden Meldung[15].

Die Vorschrift des § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG ist auf den Streitfall nicht anwendbar, weil die Inanspruchnahme der Steuerbefreiung nicht auf unrichtigen Angaben des Abnehmers (weder von der B GmbH noch von einem unbekannten Abnehmer) beruht.

Im Übrigen gehört der Spediteur, der als vollmachtloser Vertreter mit der Zollanmeldung den Antrag auf Befreiung von der Einfuhrumsatzsteuer gestellt hat, nicht zum geschützten Personenkreis des § 6a Abs. 4 UStG. Die Bestimmung dient ihrem eindeutigen Wortlaut nach dem Schutz des liefernden Unternehmers, der bei innergemeinschaftlichen Lieferungen weitgehend auf die Angaben des Abnehmers angewiesen ist. Mit der Regelung soll das Risiko einer Täuschung durch den Abnehmer zwischen dem gutgläubigen Unternehmer und dem Staat angemessen verteilt werden[16].

Dass die Beförderung der Dokumententaschen von Deutschland in den Mitgliedstaat A unter den Umständen des Streitfalls als steuerfreie igL zu behandeln ist, ergibt sich auch nicht aus den unionsrechtlichen Vorgaben.

Die Regelungen zur innergemeinschaftlichen Anschlusslieferung beruhen auf Art. 143 Abs. 1 Buchst. d i.V.m. Art. 138 MwStSystRL, wonach eine zwingende Steuerbefreiung für die innergemeinschaftliche Anschlusslieferung zu gewähren ist, sofern die Lieferung der Gegenstände durch den gemäß Art.201 MwStSystRL als Steuerschuldner bestimmten oder anerkannten Importeur bewirkt wird und gemäß Art. 138 MwStSystRL befreit ist. Die Bestimmung des Steuerschuldners bei der Einfuhr wird gemäß Art.201 MwStSystRL den Mitgliedstaaten überlassen.

Der Sinn von Art. 143 Abs. 1 Buchst. d MwStSystRL besteht darin, dass aufgrund der Steuerbefreiung der Einfuhr der andernfalls gegebene Vorsteuerabzug hinsichtlich der ansonsten anfallenden Einfuhrumsatzsteuer entfallen kann[17].

143 Abs. 1 Buchst. d MwStSystRL beinhaltet zwei Befreiungen, nämlich erstens eine Befreiung von der Mehrwertsteuer, die gemäß Art.201 MwStSystRL normalerweise bei der Einfuhr geschuldet wird, und zweitens eine Befreiung aufgrund der im Anschluss an diese Einfuhr erfolgenden igL oder Verbringung. Sind die in Art. 143 Abs. 1 Buchst. d MwStSystRL normierten Voraussetzungen erfüllt, wird die Mehrwertsteuer auf aus einem Drittland in die Union versandte oder beförderte Gegenstände grundsätzlich zum ersten Mal nicht in dem Mitgliedstaat geschuldet, in den sie zuerst eingeführt wurden, sondern in dem Mitgliedstaat, in dem die Versendung oder Beförderung endet[18].

143 Abs. 2 MwStSystRL schreibt für die innergemeinschaftliche Anschlusslieferung vor, dass der Importeur den zuständigen Behörden seine im Einfuhrmitgliedstaat erteilte Mehrwertsteuer-Identifikationsnummer oder diejenige seines Vertreters sowie die in einem anderen Mitgliedstaat erteilte Mehrwertsteuer-Identifikationsnummer des Erwerbers, an den die Gegenstände gemäß Art. 138 Abs. 1 MwStSystRL geliefert werden, mitteilt. Außerdem hat er den Nachweis zu erbringen, dass die eingeführten Gegenstände dazu bestimmt sind, aus dem Einfuhrmitgliedstaat in einen anderen Mitgliedstaat befördert oder versandt zu werden.

Mit seinem Urteil Enteco Baltic vom 20.06.2018[19] hat der EuGH klargestellt, dass es sich bei dem Erfordernis der Angabe der Mehrwertsteuer-Identifikationsnummer des Erwerbers nach Art. 143 Abs. 2 Buchst. b MwStSystRL nicht um eine materielle Voraussetzung der Steuerbefreiung handelt und diese nicht allein deshalb abgelehnt werden darf, weil die Waren an einen anderen Erwerber als den, dessen Nummer zum Zeitpunkt der Einfuhr angegeben wurde, geliefert wurden, sofern dargetan wird, dass auf die Einfuhr tatsächlich eine igL folgt, die die in Art. 138 Abs. 1 MwStSystRL vorgesehenen materiellen Voraussetzungen für die Befreiung erfüllt, und dass der Importeur die zuständige Behörde immer ordnungsgemäß über die Änderungen der Identität der Erwerber informiert hat.

Anders verhält es sich jedoch unter anderem dann, wenn der Verstoß gegen eine formelle Anforderung den sicheren Nachweis verhindert, dass die materiellen Anforderungen erfüllt wurden[20]. Dem hat sich auch der Bundesfinanzhof angeschlossen und den Nachweis der materiellen Anforderungen der begehrten Steuerbefreiung für wesentlich erachtet[21].

Dass die Mitteilung der zutreffenden USt-IdNr. seit dem 01.01.2020 eine materielle Voraussetzung der Steuerbefreiung ist (Art. 138 Abs. 1 MwStSystRL n.F.[22], ist für den vorliegenden Streitfall nicht von Bedeutung, weil die streitgegenständliche Lieferung bereits im Dezember 2016 durchgeführt wurde.

Die Steuerbefreiung für die innergemeinschaftliche Anschlusslieferung kann nur dann in Anspruch genommen werden, wenn den zuständigen Behörden die Identität des neuen Erwerbers bekannt ist. Dies ergibt sich aus dem EuGH, Urteil Enteco Baltic vom 20.06.2018[23] in dem der EuGH ein Fortbestehen der Steuerbefreiung davon abhängig gemacht hat, dass der Importeur die zuständige Behörde immer ordnungsgemäß über Änderungen der Identität der Erwerber informiert und er den zuständigen Behörden des Einfuhrmitgliedstaats sämtliche Informationen über die Identität des neuen Erwerbers mitgeteilt hat. Der Identität des Erwerbers misst der EuGH also, wie das Finanzgericht richtig erkannt hat, entscheidende Bedeutung bei. Dies ist insofern nachvollziehbar, als die Erhebung der Einfuhrumsatzsteuer bei der innergemeinschaftlichen Anschlusslieferung auf den Bestimmungsmitgliedstaat verlagert wird und somit feststehen muss, wer als Schuldner der Einfuhrumsatzsteuer in Betracht kommt[24]. Dies ist gemäß § 13a Abs. 1 Nr. 2 UStG der Erwerber. Ein Verzicht auf die Identität des Empfängers würde die Gefahr eines unversteuerten Letztverbrauchs der eingeführten Gegenstände mit sich bringen und daher den Zielen einer gleichmäßigen Besteuerung[25] und der Wettbewerbsneutralität zuwiderlaufen. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass für die Mitgliedstaaten die Möglichkeit besteht, Steuerpflichtige selbst zu ermitteln oder im Wege der gegenseitigen Amtshilfe in einem anderen Mitgliedstaat ermitteln zu lassen.

Auf die Identität des Erwerbers bei einer igL kann auch nicht deshalb verzichtet werden, weil der EuGH im Zusammenhang mit einer Ausfuhr von Waren nach Art. 146 Abs. 1 Buchst. a und b MwStSystRL entschieden hat, dass diese Steuerbefreiung nicht davon abhängig gemacht werden kann, dass der Empfänger identifiziert wird[26]. Denn im Fall einer tatsächlich durchgeführten Ausfuhr findet im Gebiet der Gemeinschaft keine Steuererhebung statt, während bei einer innergemeinschaftlichen Anschlusslieferung die Besteuerung lediglich in den Bestimmungsmitgliedstaat verlagert wird, sodass nach den unionsrechtlichen Vorgaben eine Erwerbsbesteuerung sicherzustellen ist. Demgegenüber besteht bei der Ausfuhr keine aus dem Befreiungstatbestand ableitbare Korrespondenz zwischen der Steuerfreiheit und der Ausfuhrlieferung mit der Folge der Besteuerung im Drittstaat. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs ist die Steuerbefreiung für die innergemeinschaftliche Lieferung nicht allgemein, sondern nur erwerbsbezogen und damit „ad personam“ zu gewähren, wenn der Erwerb des gelieferten Gegenstands beim Abnehmer in einem anderen Mitgliedstaat den Vorschriften der Umsatzbesteuerung unterliegt[27]. Im Übrigen hat der EuGH im vorgehend zitierten Urteil klargestellt, dass die Steuerbefreiung für die Ausfuhr dann abgelehnt werden kann, wenn aufgrund fehlender Identifizierung des tatsächlichen Empfängers nicht nachgewiesen werden kann, dass eine Ausfuhrlieferung vorliegt[28].

Ausgehend von diesen rechtlichen Grundlagen sind die unionsrechtlichen Voraussetzungen einer steuerbefreiten innergemeinschaftlichen Anschlusslieferung im Streitfall nicht erfüllt.

Nach den Feststellungen des Finanzgerichtes sind die Waren zwar in den Mitgliedstaat A gelangt, aber der Empfänger der Waren im Mitgliedstaat A ist unbekannt. Deshalb ist offen, ob es sich bei diesem um einen Steuerpflichtigen im Sinne von Art. 138 Abs. 1 i.V.m. Art. 9 Abs. 1 Unterabs. 1 MwStSystRL handelt und ob die Ware endgültig im Mitgliedstaat A verblieben ist. Die unterbliebene Angabe der Mehrwertsteuer-Identifikationsnummer führt daher im Streitfall dazu, dass nicht nachvollzogen werden kann, ob die Voraussetzungen einer steuerbefreiten igL vorliegen. Die Anmelderin ist ihrer Nachweispflicht insoweit nicht nachgekommen.

Es liegt auch nicht der Fall vor, dass dem Empfänger zwar die Möglichkeit verschafft wurde, wie ein Eigentümer über die Ware zu verfügen, aber die Lieferung nicht genau an die Adresse des Erwerbers befördert wurde[29]. Vielmehr ist der Empfänger im Streitfall gänzlich unbekannt, weshalb die Rechtsauffassung der Anmelderin im Ergebnis dazu führte, dass die Einfuhrumsatzsteuer in keinem Mitgliedstaat festgesetzt und erhoben würde und damit die Gefahr eines unversteuerten Letztverbrauchs bestünde.

Die Festsetzung der Einfuhrumsatzsteuer zu Lasten der Anmelderin beruht auch nicht allein auf einem Betrug des Erwerbers, was der Rechtsprechung des EuGH in seinem Urteil Bozicevic Jezovnik vom 25.10.2018[30] widersprechen würde. Vielmehr hatte die Anmelderin in der Zollanmeldung einen falschen Vertretenen angegeben, während sie eine Vollmacht der C nicht vorgelegt hat. Zudem war der Erwerber der Waren im Mitgliedstaat A unbekannt, was ebenfalls der Steuerfreiheit der igL entgegensteht. Die Anmelderin kann daher nicht mit einem gutgläubigen Lieferer, der alle Maßnahmen ergriffen hat, die vernünftigerweise von ihm verlangt werden können[31], gleichgestellt werden.

Die Anmelderin ist gemäß § 13a Abs. 2, § 21 Abs. 2 UStG, Art. 77 Abs. 3 UZK Schuldnerin der Einfuhrumsatzsteuer geworden, weil sie als indirekte Vertreterin der B GmbH und damit als Zollanmelderin aufgetreten ist. Zugleich hat sie in dieser Weise die steuerbefreite innergemeinschaftliche Anschlusslieferung beantragt.

Mit dem Verweis in § 21 Abs. 2 UStG auf das Zollrecht hat der deutsche Gesetzgeber von der Befugnis des Art.201 MwStSystRL Gebrauch gemacht, wonach bei der Einfuhr die Mehrwertsteuer von der Person oder den Personen geschuldet wird, die der Mitgliedstaat der Einfuhr als Steuerschuldner bestimmt oder anerkennt[32]. § 21 Abs. 2 UStG ist auch inhaltlich hinreichend bestimmt, weil durch die Inbezugnahme der Zollvorschriften und damit auch der zollschuldrechtlichen Vorschriften der Kreis der möglichen Steuerschuldner eindeutig festgelegt ist.

Es spricht auch nicht gegen die Steuerschuldnerschaft der Anmelderin, dass sie als vollmachtlose Vertreterin gehandelt hat, weil die Anmelderin nach Art.19 Abs. 1 Unterabs. 2 Alternative 2 UZK so gestellt wird, als hätte sie in eigenem Namen gehandelt. In diesem Zusammenhang ist auch darauf hinzuweisen, dass der EuGH in seinem Urteil U.I. (indirekter Zollvertreter)[33] entschieden hat, dass es den Mitgliedstaaten freisteht, zur Durchführung von Art.201 MwStSystRL vorzusehen, dass auch die Zollschuldner die Einfuhrmehrwertsteuer schulden und dass insbesondere der indirekte Zollvertreter mit der Person, die ihm eine Vertretungsvollmacht erteilt hat und die er vertritt, gesamtschuldnerisch für die Zahlung dieser Steuer haftet.

Da die Höhe der Steuer zwischen den Beteiligten bislang nicht im Streit stand und sich auch aus den vorliegenden Akten keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass der Steuerbetrag falsch berechnet worden ist, sieht der Bundesfinanzhof diesbezüglich von weiteren Ausführungen ab.

Das Hauptzollamt hat der Besteuerung nicht -wie die Anmelderin behauptet- die Erbringung der Verzollungsdienstleistung zugrunde gelegt, sondern die Lieferung der Dokumententaschen. Denn es hat als Bemessungsgrundlage für die Steuer deren Warenwert herangezogen.

Ein Anlass zur Einholung einer Vorabentscheidung des EuGH besteht nicht, weil der Bundesfinanzhof die hier zu beurteilenden Rechtsfragen im Zusammenhang mit der Einfuhr und der Steuerbefreiung der innergemeinschaftlichen Anschlusslieferung durch die oben genannten EuGH, Entscheidungen als geklärt ansieht[34].

Insbesondere hat der EuGH mit seinem Urteil U.I. (indirekter Zollvertreter)[35] entschieden, dass der indirekte Zollvertreter als Schuldner der Einfuhrumsatzsteuer in Anspruch genommen werden kann. Im Übrigen wird auf die oben angeführte EuGH-Rechtsprechung zur innergemeinschaftlichen Anschlusslieferung und zur Identität des Erwerbers verwiesen.

Im Übrigen ist die Anmelderin als Vertreterin ohne Vertretungsmacht im Sinne von Art.19 Abs. 1 Unterabs. 2 Alternative 2 UZK aufgetreten und gilt damit als in eigenem Namen und in eigener Verantwortung handelnd. Der Wortlaut und der Bedeutungsgehalt dieser Vorschrift sind eindeutig und geben keinen Anlass für eine Prüfung durch den EuGH.

Die hier einschlägigen Bestimmungen des nationalen Umsatzsteuerrechts sind einer Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union nicht zugänglich.

Bundesfinanzhof, Urteil vom 21. November 2023 – VII R 10/21

  1. FG Hamburg, 25.01.2021, Az: 4 K 47/18[]
  2. vgl. EuGH, Urteil U.I. (indirekter Zollvertreter) vom 12.05.2022 – C-714/20, EU:C:2022:374, Rz 48[]
  3. BFH, Urteil vom 26.04.1988 – VII R 124/85, BFHE 153, 463; vgl. auch Jatzke in Sölch/Ringleb, Umsatzsteuer, § 21 Rz 27; Möller in Wäger, UStG, 2. Aufl., § 21 Rz 83; Koch, eKomm Ab 01.01.2021, § 21 UStG Rz 11 [Stand: 15.01.2021]; Müller-Eiselt in Reiß/Kraeusel/Langer, UStG § 21 Rz 12[]
  4. BFH, Beschluss vom 27.10.2022 – VII R 1/20, Rz 38; BFH, Urteil vom 06.05.2008 – VII R 30/07, BFHE 221, 325, Zeitschrift für Zölle und Verbrauchsteuern -ZfZ- 2008, 301, mit Verweis auf BFH, Urteil vom 03.05.1990 – VII R 71/88, BFHE 161, 260; vgl. auch BFH, Urteile vom 25.10.2006 – VII R 64/05, BFH/NV 2007, 527; und vom 23.05.2006 – VII R 49/05, BFHE 213, 446, ZfZ 2006, 345; vgl. auch Koch, eKomm Ab 01.01.2021, § 21 UStG Rz 10 [Stand: 15.01.2021]; BeckOK UStG/Hamster, 38. Ed. [17.09.2023], UStG § 21 Rz 38; Jatzke in Sölch/Ringleb, Umsatzsteuer, § 21 Rz 15[]
  5. vgl. Koch, eKomm Ab 01.01.2021, § 21 UStG Rz 16 [Stand:15.01.2021]; Müller-Eiselt in Reiß/Kraeusel/Langer, UStG § 21 Rz 10; Bender in Offerhaus/Söhn/Lange, § 21 UStG Rz 511; Janzen in Lippross/Seibel, Basiskommentar Steuerrecht, Stand [139. Lfg. 08.2023] § 21 UStG Rz 7; Zimmermann in Hartmann/Metzenmacher, Umsatzsteuergesetz, § 21 UStG Rz 179; BeckOK UStG/Hamster, 38. Ed. [17.09.2021] UStG § 21 Rz 57 und 71; Jatzke in Sölch/Ringleb, Umsatzsteuer, § 21 Rz 62; einschränkend Harksen in Rau/Dürrwächter, Umsatzsteuergesetz, § 21 Rz 339 ff.; vgl. BFH, Beschluss vom 27.10.2022 – VII R 1/20, Rz 38; FG München, Urteil vom 20.10.2016 – 14 K 1770/13, ZfZ Beilage 2017, Nr. 7, 35, Rz 38 ff.; FG Hamburg, Urteil vom 04.06.2021 – 4 K 135/17, Zeitschrift für das Recht der Transportwirtschaft 2021, 444, Rz 25 und 28; FG Düsseldorf, Gerichtsbescheid vom 16.04.2021 – 4 K 473/19 Z, EU, Rz 17; Hessisches FG, Beschluss vom 26.06.2018 – 7 – V 2256/17, Außenwirtschaftsrechtliche Praxis 2018, 380, Rz 35[]
  6. Wäger in Reiß/Kraeusel/Langer, UStG, § 5 Rz 54; Hillek/Müller in Rau/Dürrwächter, Umsatzsteuergesetz, § 5 Rz 355; BeckOK UStG/Hamster, 38. Ed [17.09.2023], UStG § 5 Rz 27.1 spricht von einem Antrag auf Gewährung der Steuerbefreiung[]
  7. vgl. dazu Loose in Tipke/Kruse, § 130 AO Rz 3; Szymczak in eKomm [23.06.2020], § 130 AO, Rz 4; von Wedelstädt in Gosch, AO § 130 Rz 12; Klein/Rüsken, AO, 17. Aufl., § 155 Rz 1a; Witte/Alexander, Zollkodex der Union, 8. Aufl., Vor Art. 27 Rz 3; Roth in Dorsch, Zollrecht, Art. 27 Rz 5; vgl. auch Craig in Wolffgang/Jatzke, UZK, Art. 27 Rz 4 bezüglich der Verdrängung von § 130 AO durch Art. 27 UZK[]
  8. vgl. EuGH, Urteil Federal Express Corporation Deutsche Niederlassung vom 10.07.2019 – C-26/18, EU:C:2019:579, Rz 41[]
  9. EuGH, Urteil Federal Express Corporation Deutsche Niederlassung vom 10.07.2019 – C-26/18, EU:C:2019:579[]
  10. EuGH, Urteil Federal Express Corporation Deutsche Niederlassung vom 10.07.2019 – C 26/18, EU:C:2019:579[]
  11. FG Hamburg, Beschluss vom 06.12.2022 – 4 K 1/18; noch anhängig beim EuGH – C-791/22[]
  12. EuGH, Urteil Vetsch Int. Transporte vom 14.02.2019 – C-531/17, EU:C:2019:114, Rz 14[]
  13. EuGH, Urteil Enteco Baltic vom 20.06.2018 – C-108/17, EU:C:2018:473, Rz 67[]
  14. BFH, Urteile vom 17.02.2011 – V R 30/10, BFHE 233, 341, Rz 18; und vom 22.07.2015 – V R 23/14, BFHE 250, 559, BStBl II 2015, 914, Rz 40, m.w.N.; BFH, Beschluss vom 02.07.2021 – XI R 40/19, Rz 21[]
  15. vgl. Liegmann in Wäger, UStG, 2. Aufl., § 22b Rz 7; Heuermann in Sölch/Ringleb, Umsatzsteuer, § 22b Rz 6; Püschner, eKomm, § 22b UStG Rz 6 ff. [Stand: 29.01.2020][]
  16. FG München, Urteil vom 20.10.2016 – 14 K 1770/13, Rz 78 mit Verweis auf EuGH, Urteile Teleos u.a. vom 27.09.2007 – C-409/04, EU:C:2007:548, Umsatzsteuer-Rundschau -UR- 2007, 774 und Netto Supermarkt vom 21.02.2008 – C-271/06, EU:C:2008:105, UR 2008, 508[]
  17. EuGH, Urteil Vetsch Int. Transporte vom 14.02.2019 – C-531/17, EU:C:2019:114, Rz 40[]
  18. EuGH, Urteil Vetsch Int. Transporte vom 14.02.2019 – C-531/17, EU:C:2019:114, Rz 39 f.[]
  19. EuGH, Urteil Enteco Baltic vom 20.06.2018 – C-108/17, EU:C:2018:473, Rz 54 f. und 58[]
  20. EuGH, Urteil Enteco Baltic vom 20.06.2018 – C-108/17, EU:C:2018:473, Rz 59, 61[]
  21. vgl. BFH, Urteil vom 12.03.2020 – V R 20/19, BFHE 268, 452, BStBl II 2020, 608, Rz 17[]
  22. vgl. Richtlinie (EU) 2018/1910 des Rates vom 04.12.2018 zur Änderung der Richtlinie 2006/112/EG in Bezug auf die Harmonisierung und Vereinfachung bestimmter Regelungen des Mehrwertsteuersystems zur Besteuerung des Handels zwischen Mitgliedstaaten, ABl.EU 2018, Nr. L 311, 3; vgl. dazu Suabedissen in Sölch/Ringleb, Umsatzsteuer, § 6a UStG Rz 22[]
  23. EuGH, Urteil Enteco Baltic vom 20.06.2018 – C-108/17, EU:C:2018:473, Rz 58 und 61[]
  24. so auch BFH, Urteil vom 17.02.2011 – V R 30/10, BFHE 233, 341, BStBl II 2011, 769, Rz 15[]
  25. s. Erwägungsgrund 7 der MwStSystRL[]
  26. EuGH, Urteil Unitel vom 17.10.2019 – C-653/18, EU:C:2019:876, Rz 24 f., 32[]
  27. BFH, Urteil vom 12.03.2020 – V R 20/19, BFHE 268, 452, BStBl II 2020, 608, Rz 23[]
  28. EuGH, Urteil Unitel vom 17.10.2019 – C-653/18, EU:C:2019:876, Rz 31[]
  29. vgl. EuGH, Urteil Enteco Baltic vom 20.06.2018 – C-108/17, EU:C:2018:473, Rz 70[]
  30. EuGH, Urteil Bozicevic Jezovnik vom 25.10.2018 – C-528/17, EU:C:2018:868[]
  31. EuGH, Urteil Bozicevic Jezovnik vom 25.10.2018 – C-528/17, EU:C:2018:868, Rz 37, m.w.N.[]
  32. vgl. auch FG München, Urteil vom 20.10.2016 – 14 K 1770/13, ZfZ Beilage 2017, Nr. 7, 35, Rz 64[]
  33. EuGH, Urteil U.I. vom 12.05.2022 – C-714/20, EU:C:2022:374, Rz 57[]
  34. vgl. EuGH, Urteile CILFIT u.a. vom 06.10.1982 – C-283/81, EU:C:1982:335, Slg. 1982, 3415, Rz 16 und Consorzio Italian Management e Catania Multiservizi vom 06.10.2021 – C-561/19, EU:C:2021:799, Amtsblatt der Europäischen Union 2021, Nr. C 481, 11, ZfZ 2022, 12[]
  35. EuGH, Urteil U.I. vom 12.05.2022 – C-714/20, EU:C:2022:374[]