Einfuhrabgaben für entzogene Nichtgemeinschaftsware bei Wiederausfuhr

Eine Einfuhr im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 4 UStG liegt auch dann vor, wenn eine Nichtgemeinschaftsware aus einem Zolllager entfernt und der zollamtlichen Überwachung entzogen, später aber wiederausgeführt wird.

Einfuhrabgaben für entzogene Nichtgemeinschaftsware bei Wiederausfuhr

Infolge der Entziehung der Waren aus der zollamtlichen Überwachung ist sowohl die Zollschuld entstanden als auch die Einfuhrumsatzsteuer.

Entstehung der Zollschuld

Die festgesetzte Zollschuld ist gemäß Art. 203 ZK entstanden, weil die Ware in der Zeit zwischen ihrer Entnahme aus dem Zolllager und der erst 4 bis 8 Tage später erfolgten Anmeldung zum Versandverfahren der zollamtlichen Überwachung entzogen worden war, denn in dieser Zeit befand sie sich nicht – jedenfalls nicht durchgängig – in einem zollrechtlichen Verfahren.

Nach Art. 203 Abs. 1 ZK entsteht eine Einfuhrzollschuld, wenn eine einfuhrabgabenpflichtige Ware der zollamtlichen Überwachung entzogen wird. Bei den streitgegenständlichen Zolllagerwaren handelte es sich um einfuhrabgabenpflichtige Nichtgemeinschaftswaren (Art. 4 Nr. 8 i. V. m. Nr. 7 ZK), die vom Zeitpunkt ihres Verbringens in das Zollgebiet der Gemeinschaft bis zum Wechsel ihres zollrechtlichen Status bzw. bis zu ihrer Wiederausfuhr, also auch während der Dauer des vom Hauptzollamt bewilligten Zolllagerverfahrens, der zollamtlichen Überwachung unterlagen (Art. 37 ZK).

Der Begriff des Entziehens umfasst jede Handlung oder pflichtwidrige Unterlassung, die dazu führt, dass die zuständige Zollbehörde auch nur zeitweise am Zugang zu einer unter zollamtlicher Überwachung stehenden Ware und an der Durchführung von Zollkontrollen gehindert wird. Entscheidend ist, dass die Zollstelle – wenn auch nur vorübergehend – objektiv nicht in der Lage ist, die zollamtliche Überwachung sicherzustellen[1]. Insbesondere stellt jede von der zuständigen Zollbehörde nicht genehmigte Entfernung einer Ware, die unter zollamtlicher Überwachung steht, vom zugelassenen Lagerort eine Entziehung i. S. von Art. 203 Abs. 1 ZK dar[2].

Dass die Ware sich während der Zeit zwischen Entnahme und Anmeldung zum Versandverfahren weiterhin auf dem Betriebsgelände der Klägerin, nämlich verladen auf LKW, befunden haben soll, ändert daran nichts. Denn auch dann wäre die Ware – die Richtigkeit des klägerischen Vortrags vorausgesetzt – nicht mehr im Bereich des bewilligten Zolllagers gewesen, das das Außengelände nicht mit umfasste.

Dabei ist es insoweit unerheblich, ob mit der Entnahme die Ware in dem Lagerwirtschaftssystem der Klägerin als entnommen gebucht worden war. Die Klägerin verweist auf die Dienstvorschrift Zollschuldrecht, Abs. 21 UA 1 (VSF Z 09 01), nach der die Möglichkeit der zollamtlichen Prüfung ausnahmsweise auch dann noch bestehen soll, wenn die Ware sich zwar nicht mehr an dem zugelassenen Ort befindet oder eine andere Zuwiderhandlung gegen Zollvorschriften begangen worden ist, die Zollstellen jedoch in der Lage sind, anhand vom Beteiligten vorzulegender ordnungsgemäßer und geeigneter Papiere (z.B. Lagerbuchhaltung) den Ort, an dem sich die unveränderte Ware befindet, zeitnah festzustellen, um dort gegebenenfalls zollamtliche Prüfungen vorzunehmen.

Sofern sich die Ware, wie von der Klägerin vorgetragen, auf LKW auf ihrem Betriebsgelände, aber außerhalb des Zolllagers befunden hat, wäre dies nicht nur aus der in der Zolllagerbewilligung vorgeschriebenen Bestandsaufzeichnung nicht zu entnehmen gewesen – dort ist die Entnahme unstreitig verspätet gebucht worden – sondern hätte sich – wie die Klägerin in der mündlichen Verhandlung bestätigt hat – auch aus ihrer Lagerbuchhaltung nicht ergeben, wo nur die Entnahme selbst gebucht worden sein soll. Ob seinerzeit gegebenenfalls von einem im Zolllager anwesenden Mitarbeiter der Klägerin der Hinweis hätte gegeben werden können, dass sich die Ware auf einem LKW auf dem Betriebshof befinde und wo dieser abgestellt sei, ist jedenfalls deshalb unerheblich, weil es sich dabei nicht um ein den Anforderungen entsprechendes Nachweismittel gehandelt hätte.

Demnach kommt es nicht mehr darauf an und ist hier nur ergänzend zu erwähnen, dass die Klägerin ihre Behauptung, dass sich die Ware in der streitigen Zeit auf LKW auf dem Betriebsgelände befunden habe, auf die berechtigten Einwendungen des Beklagten von der Klägerin nicht näher dargelegt hat.

Auch aus Art. 512 ZK-DVO ergibt sich nichts Abweichendes. Soweit die Vorschrift die Möglichkeit eröffnet, die Ware unter Verzicht von Förmlichkeiten – hier externes Versandverfahren – vom Betrieb des Inhabers – hier des Zolllagers – zur Zollstelle für die Beendigung des Verfahrens – hier Zollamt-1 – zu befördern (Art. 512 Abs. 1 ZK-DVO[3]) und die Ware im Hinblick auf die (angemeldete) Wiederausfuhr von der Ausfuhrzollstelle zur Ausgangszollstelle zu befördern (Art. 512 Abs. 3 ZK-DVO[4]), ist diese Erleichterung beschränkt auf den für die Beförderung erforderlichen Zeitraum, der hier im Verhältnis von den jeweils im Stadtgebiet Hamburg liegenden Zolllager und Ausfuhrzollstelle mit 3 bis 18 Tagen deutlich überschritten worden ist.

Zudem erlaubt die Vorschrift in Art. 512 ZK-DVO zwar die Beförderung, nicht aber eine weitere Lagerung an einem Ort außerhalb des Zolllagers – wie etwa auf einem abgestellten LKW. Nach der wohl in diesem Zusammenhang Anwendung[5] findenden Vorschriften der Art. 515 f ZK-DVO wären zudem gegebenenfalls Aufzeichnungen zu führen, die u. a. Einzelheiten zur Beförderung enthalten, Art. 516 Satz 1 Buchst. f) ZK-DVO, und hier offenbar nicht vorliegen. Nur ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass in einem der vom angefochtenen Bescheid erfassten Fälle die Ware ohnehin ganz woanders, nämlich im Bezirk des Hauptzollamtes D gestellt wurde.

Im Übrigen ist zu dem Kernargument der Klägerin, dass bei unstreitiger Wiederausfuhr eine Einfuhrabgabe nicht zu erheben ist, anzumerken: Der BFH hat zwar eine entsprechende (von der Klägerin zitierte) Rechtsansicht in seinem Vorabentscheidungsersuchen durch Beschluss vom 17. Juli 2001[6] dargestellt, ist aber von dieser wieder abgerückt. In seinem Urteil, das sodann in dem dem Vorabentscheidungsersuchen zugrunde liegenden Fall erging, hat der Bundesfinanzhof vielmehr dem Gerichtshof der Europoäischen Union folgend entschieden; dort heißt es dann nämlich[7]:

„Das Bemühen des Senats, jedenfalls in Fällen nachgewiesener Wiederausfuhr von Nichtgemeinschaftswaren dem im vormaligen nationalen Zollschuldrecht maßgeblichen Wirtschaftszollgedanken, wonach allein der Eingang von Einfuhrwaren in die heimische Wirtschaft den inneren Grund für die Zollerhebung abgab, im gemeinschaftlichen Zollschuldrecht Geltung zu verschaffen, ist beim EuGH gescheitert. Anders als von Generalanwalt Tizzano in seinen Schlussanträgen vom 12. Juni 2003 vorgeschlagen, hat der EuGH im Streitfall, wie ausgeführt, sowohl an seiner anhand von Einfuhrfällen entwickelten strengen Auslegung des Begriffs der Entziehung aus der zollamtlichen Überwachung festgehalten, als auch den wirtschaftlichen Charakter der Einfuhrabgaben bei der Frage der Entstehung der Zollschuld für nicht maßgeblich erachtet. Er hat insoweit lediglich auf die Möglichkeit der Erstattung oder des Erlasses der gesetzlich geschuldeten Einfuhrabgaben bei Vorliegen eines besonderen Falles gemäß Art. 239 ZK verwiesen[8]. Damit steht fest, dass nach dem gemeinschaftlichen Zollschuldrecht die Zollschuld auch in Fällen wie dem vorliegenden, in denen zwar eine Entziehung aus der zollamtlichen Überwachung vorliegt, die Entziehungshandlung sich aber im Grunde lediglich als formaler Verstoß gegen zollrechtliche Pflichten darstellt, ohne die Möglichkeit einer Heilung entsteht.“

Das Finanzgericht Hamburg schließt sich für die für den Streitfall geltende Rechtslage dieser Ansicht des Gerichtshofs der Europäischen Union und dem ihm folgenden Bundesfinanzhofs an.

Entstehung der Einfuhrumsatzsteuer

Auch die Einfuhrumsatzsteuer ist zu Recht festgesetzt worden.

Nach § 1 Abs. 1 Nr. 4 UStG ist steuerbarer Umsatz der (Einfuhr-)Umsatzsteuer die Einfuhr von Gegenständen im Inland. Nach Auffassung des Finanzgericht Hamburg ergibt sich die Antwort auf die Frage, wann eine Einfuhr im Sinne des Umsatzsteuerrechts vorliegt, unmittelbar aus dem in § 21 UStG enthaltenen Verweis auf das Zollrecht und damit aus den angesprochenen Vorschriften der Art. 201 ff ZK. Ist eine Zollschuld entstanden – wie hier nach Art. 203 ZK – ist auch die EUSt-Schuld entstanden.

Das Finanzgericht Hamburg vermag nicht der Ansicht zu folgen, dass die Vorschrift des § 21 UStG für die Frage der Steuerbarkeit deswegen unangewendet zu bleiben habe, weil in ihr die Steuerbarkeit vorausgesetzt werde und deshalb das Vorliegen der Steuerbarkeit nicht mit der in dieser Vorschrift enthaltenen Verweisung auf das Zollrecht begründet werden könne. Soweit für die Prüfung, ob ein steuerbarer Umsatz vorliegt, auf den unmittelbaren Zugriff auf die Verweisung in § 21 UStG verzichtet würde, bedürfte der in § 1 Abs. 4 Nr. 1 UStG verwendete Begriff der Einfuhr einer Auslegung – denn eine Definition der „Einfuhr“ enthält das UStG nicht[9] – und diese hätte sich europarechtskonform an der im Streitzeitraum geltenden 6. EG-RL zu orientieren. In Art. 10 Abs. 3 UAbs. 2 der 6. EG-RL ist für den Bereich der Mehrwertsteuer jedoch ausdrücklich geregelt, dass die Mitgliedstaaten den Steuertatbestand und die Entstehung des Steueranspruchs für eingeführte Gegenstände, die Zöllen etc. unterliegen, mit dem Tatbestand und mit der Entstehung des Anspruchs dieser gemeinschaftlichen Abgaben verknüpfen können. Dass der deutsche Gesetzgeber diese Verknüpfung mit der Vorschrift des § 21 UStG geschaffen hat, ist nicht zweifelhaft und wäre bei der Auslegung des Begriffs der Einfuhr in § 1 Abs. 1 Nr. 4 UStG mit demselben Ergebnis zu berücksichtigen, als wenn § 21 UStG unmittelbar angewendet wird.

Die Überlegungen der Klägerin zum Bedeutungsgehalt der in § 1 Abs. 1 Nr. 4 UStG verwendeten Formulierung der „Einfuhr im Inland“ stellen dieses Auslegungsergebnis nicht in Frage. Denn mag auch der Grundsatz, dass die Einfuhrabgaben mit dem körperlichen Verbringen in das Steuergebiet entstehen, dahingehend modifiziert worden sein, dass unter näher bestimmten Bedingungen, nämlich den hierfür geregelten zollrechtlichen Verfahren, ein tatsächlich schon in das Steuergebiet verbrachter Gegenstand wie noch nicht in das Steuergebiet verbracht, sondern noch an der Grenze befindlich behandelt wird, so ist Voraussetzung für die Verschiebung des Zeitpunkts der Steuerbarkeit jedenfalls, dass sich die Gegenstände zumindest (noch) in der zollamtlichen Überwachung befinden[10]. Solange diese Überwachungsmöglichkeit besteht und die hierfür geschaffenen Verfahrensregeln eingehalten werden, entsteht keine Einfuhrumsatzsteuer. Sobald die Überwachungsmöglichkeit aber nicht mehr in der vorgegebenen Art und Weise besteht, ist die Ware nicht nur körperlich, sondern auch rechtlich im Steuergebiet angekommen, mithin eingeführt. Dies hat jedenfalls dann zu gelten, wenn der Gegenstand sich in diesem Zeitpunkt im Inland befindet.

Dabei ist es für die Verwirklichung des Tatbestandsmerkmals der Einfuhr im Inland – anders als die Klägerin meint – nicht erforderlich, dass der Gegenstand bereits in den freien Verkehr gelangt ist – etwa durch förmliche Überführung[11] zur Gemeinschaftsware geworden ist oder durch eine tatsächlich erfolgte wirtschaftliche Nutzung. Jedenfalls reicht für eine Einfuhr die infolge des Wegfalls der Überwachung nicht mehr auszuschließende Möglichkeit aus, dass der Gegenstand in den freien Verkehr gelangt oder wie ein Gegenstand im freien Verkehr verwendet wird.

Dass für die Tatbestandsverwirklichung der EUSt etwas anderes als für die Zollschuld gilt – wie die Klägerin meint – vermag das Finanzgericht Hamburg im Rahmen der Prüfung der umsatzsteuerrechtlichen Bestimmungen jedenfalls für den Fall der Entziehung aus der zollamtlichen Überwachung nicht festzustellen. Die Ansicht der Klägerin lässt sich auch aus der Rechtsprechung des EuGH und des BFH, der Literatur und der Verwaltungspraxis nicht stützen.

Vorschriften, die den in § 21 UStG konkretisierten Grundsatz, dass für die EUSt die Vorschriften für Zölle gelten, im Sinne der Klägerin einschränken, gibt es nicht. Steuerbefreiungen bei der Einfuhr sind grundsätzlich abschließend in § 5 UStG geregelt und umfassen Fälle wie den vorliegenden nicht.

Entscheidungen des Gerichtshofs der Europäischen Union zum europäischen Umsatzsteuerrecht, aus denen sich etwas anderes ergibt, finden sich nicht. Insbesondere vermag das Finanzgericht Hamburg nicht zu erkennen, dass sich aus dem Urteil vom 29. April 2010[12] etwas anderes ergibt.

Der Bundesfinanzhof hat für die zum streitgegenständlichen Zeitpunkt geltende Rechtslage ausgeführt[13], dass ein Gegenstand aus dem Drittland auch dann in den Geltungsbereich des Umsatzsteuergesetzes i. S. des § 1 Abs. 1 Nr. 4 UStG eingeführt ist, wenn er zunächst über einen anderen Mitgliedstaat in das Zollgebiet der Gemeinschaft gelangt ist, dabei in das Zollverfahren der vorübergehenden Verwendung übergeführt worden ist und dieses Zollverfahren im Geltungsbereich des UStG endet. Wörtlich heißt es:

„…wurde das bewilligte Zollverfahren nicht unter den vorgesehenen Voraussetzungen beendet (…). Damit war… einfuhrumsatzsteuerrechtlich im Inland eingeführt[14] und unterlag der Einfuhrumsatzsteuer. Mit der Einfuhr des Gegenstandes aus dem Drittlandsgebiet treten der Steuertatbestand und der Steueranspruch ein. … Nach Art. 10 Abs. 3 Unterabs. 3 RL 77/388/EWG sind die zollrechtlichen Vorschriften über den Steuertatbestand und den Steueranspruch selbst auf eingeführte Gegenstände, die keinen gemeinschaftlichen Abgaben unterliegen, anzuwenden.“

Der Bundesfinanzhof führt in diesem Urteil weiter aus, dass diese enge Verknüpfung des Einfuhrumsatzsteuerrechts mit dem Zollrecht durch die 6. EG-RL zwingend und ohne Ausnahme angeordnet ist und durch § 21 Abs. 2 UStG in nationales Recht umgesetzt worden ist. Durch die sinngemäße Anwendung der Zollvorschriften soll insbesondere sichergestellt werden, dass die bei der Einfuhr zu erhebenden Abgaben von ein und derselben Behörde in einem Bescheid nach dem gleichen Verfahren aufgrund einheitlich getroffener Feststellungen einfach und zweckmäßig erhoben werden; dieser Zweck wird nur erreicht, wenn es regelmäßig zur Anwendung der Zollvorschriften auf die Einfuhrumsatzsteuer kommt.

Auch wenn – worauf die Klägerin hinweist – der diesem BFH-Urteil zugrunde liegende Fall sich von dem vorliegenden Fall insofern unterscheidet, als dort das Zollverfahren der vorübergehenden Verwendung eines Fahrzeugs durch seine zweckwidrige Verwendung beendet worden ist, während im vorliegenden Fall eine Entziehung aus der zollamtlichen Überwachung durch Entfernen der Ware aus dem Zolllager vorliegt, geht das erkennende Gericht davon aus, dass der BFH diesen Grundsätzen allgemeine Geltung beimisst, zumal der BFH sie in allgemeiner Form wie zitiert seiner Lösung des konkreten Streitfalls vorangestellt hat.

Soweit sich in der vorgefundenen Literatur überhaupt Formulierungen finden, die sich auf die Streitfrage beziehen lassen, ist ihnen keine Abweichung von der hier zu Grunde gelegten Auslegung zu entnehmen.

Bei Meyer[15] heißt es, EUSt-Schuld entstehe, wenn … Nichtgemeinschaftswaren der zollamtlichen Überwachung entzogen würden (Art. 203) oder eine der Pflichten nicht erfüllt werde, die sich bei abgabenpflichtigen Waren aus deren vorübergehenden Verwahrung oder aus der Inanspruchnahme des Zollverfahrens ergeben, in das sie übergeführt worden sind, oder eine der Voraussetzungen für die Überführung von Waren in das betreffende Verfahren oder für die Gewährleistung eines ermäßigten Abgabensatzes oder einer Abgabenfreiheit aufgrund der Verwendung zu besonderen Zwecken nicht erfüllt werde (Art. 204 ZK).

Bei Müller-Eiselt, Vonderbank[16] soll die Einfuhr selbst bereits mit der Warenbewegung über die Grenze erfüllt sein. Die Entstehung von EUSt ist sodann über § 13 Abs. 2 i. V. m. § 21 Abs. 2 UStG den jeweiligen Entstehungstatbeständen des geltenden Zollrechts zu entnehmen.

Wäger[17] führt aus, gemäß § 21 Abs. 2 UStG müsse die Anwendung der jeweiligen Zollvorschriften Sinn und Zweck der Erhebung der EUSt entsprechen. Daher seien z.B. auf Grund der eigenständigen Definition des Steuergebiets die Bestimmungen zum territorialen Anwendungsbereich des ZK für die EUST unerheblich. Ebenso bestünden für Steuersatz und Steuerbefreiungen selbständige Regelungen. „Das tatbestandliche Entstehen der EUSt und die Person des Steuerschuldners bestimmen sich demgegenüber nach Art. 201 ff. ZK“.

Weymüller[18] führt aus, dass eine EUSt-Schuld übereinstimmend mit Art. 203 Abs. 1 ZK dann entstehe, wenn eine EUSt-pflichtige Ware der zollamtlichen Überwachung entzogen werde.

Witte[19] definiert die EUSt etwa als die „Umsatzsteuer, die bei der Einfuhr von Nichtgemeinschaftswaren in den deutschen Teil des Zollgebiets regelmäßig dann erhoben wird, wenn eine Zollschuld entsteht. Das ist bei Überführung in den freien Verkehr oder bei Unregelmäßigkeiten der Fall, die zur Zollschuldentstehung führen“.

Die Klägerin kann sich zur Begründung ihrer Auffassung auch nicht auf das Bundesministerium der Finanzen berufen. In VSF Z 0901 Abs. 21 Unterabsatz 2 als Fundstelle heißt es:

„Eine Ware wird ferner nicht dadurch der zollamtlichen Überwachung entzogen, dass sie ohne Erfüllung der bei der Grenzzollstelle vorgesehenen Förmlichkeiten aus dem Zollgebiet verbracht worden ist; … Der Tatbestand des Art. 203 Abs. 1 ZK ist indessen erfüllt, wenn bereits vor dem Zeitpunkt des Verbringens über die Grenze eine zollamtliche Prüfung nicht mehr möglich war.“

Im vorliegenden Fall sind die Waren der zollamtlichen Überwachung bereits mit der Entfernung aus dem Lager der Klägerin entzogen gewesen und nicht erst mit ihrem Verbringen über die Grenze.

Auch eine einschränkende Auslegung der Verweisungsnorm ist nicht angezeigt. Die Klägerin meint, weil § 21 UStG nur die sinngemäße Anwendung der Zollvorschriften auf die EUSt anordne und es Sinn der EUSt sei, die aus dem Drittland ohne Belastung eingeführte Ware der mit Umsatzsteuer belasteten Inlandsware anzugleichen, seien auch nur die in den Wirtschaftskreislauf des Inlands gelangten Waren mit EUSt zu belegen. Soweit für Drittlandswaren nur einer der zollrechtlichen Abgabentatbestände mit Sanktionscharakter in Art. 203 f ZK verwirklicht werde, ohne dass die Ware in den Wirtschaftskreislauf gelange, sei EUSt-Recht nicht anzuwenden.

Sofern die Klägerin damit meint, die Ware müsse konkret zum Kauf angeboten oder in vergleichbarer Weise in den „Wirtschaftskreislauf“ gelangt sein, spricht gegen eine solche Auslegung zum einen der sich in den zitierten Rechtsmeinungen wiedergegebene Regelungszusammenhang. Eine solche Auslegung wäre zum anderen auch nicht praktikabel und würde zu sinnwidrigen Ergebnissen führen. Denn nach den allgemein geltenden Grundsätzen wäre damit der Finanzbehörde im Besteuerungsverfahren aufgebürdet, den Nachweis dafür zu führen, dass der Gegenstand in den Wirtschaftskreislauf gelangt ist. Dagegen spricht in den Fällen, in denen die die Zollschuld auslösende zollrechtliche Unregelmäßigkeit ein Entziehen der Ware aus der zollamtlichen Überwachung ist, zum einen, dass die Unregelmäßigkeit in der Sphäre des Pflichtigen geschehen ist und zum anderen, dass durch die Unregelmäßigkeit typischerweise der Zugriff der Finanzbehörde auf die Ware und damit naturgemäß auch die Nachweismöglichkeit für ihren Verbleib erschwert, wenn nicht gar verunmöglicht wird. Damit wäre die dem Zollverfahren entzogene und in den Wirtschaftskreislauf gebrachte Ware regelmäßig frei von EUSt, was dem Zweck der EUSt zuwiderlaufen würde.

Soweit jedoch darunter, dass die Ware in den Wirtschaftskreislauf gelangt, in einem weitergehenden Sinne bereits der potentielle Marktzugang verstanden werden soll, liegt ein solcher Marktzugang bereits mit der Entziehung aus der zollamtlichen Überwachung vor.

Finanzgericht Hamburg, Urteil vom 25. November 2010 – 4 K 283/09

  1. BFH, Urteil vom 07.12.2004 – VII R 21/04, ZfZ 2005, 204[]
  2. vgl. EuGH, Urteil vom 01.02.2001 – C-66/99, EuGHE 2001, I-873[]
  3. vgl. Witte/Wolffgang, Lehrbuch des europäischen Zollrechts, S. 163, unter DV VSF Z 1502 Abs. 31[]
  4. vgl. Witte/Wolffgang a. a. O. S. 164[]
  5. vgl. Krüger in Dorsch ZK 87 Rdnr. 8 f[]
  6. BFH, Beschluss vom 17.07.2001 – VII R 99/00, BFHE 195, 481, ZfZ 2001, 376[]
  7. BFH, Urteil vom 20.07.2004 – VII R 99/00, BFHE 206, 495, ZfZ 2005, 15[]
  8. Rdnr. 34 der Vorabentscheidung[]
  9. vgl. BFH, Urteil vom 23.05.2006 – VII R 49/05, BFHE 213, 446, ZfZ 2006, 345[]
  10. vgl. Weymüller in Dorsch, Zollrecht, B – Einfuhrumsatzsteuer, UStG § 1, Rdnr. 33[]
  11. Art. 79 ZK[]
  12. EuGH, Urteil vom 29.04.2010 – Rs C-230/08, ZfZ 2010, 211[]
  13. BFH, Urteil vom 23.05.2006 – VII R 49/05, BFHE 213, 446, ZfZ 2006, 345[]
  14. § 1 Abs. 1 Nr. 4 UStG[]
  15. in Vogel/Schwarz, UStG, § 21 Rdnr. 84[]
  16. EG-Zollrecht, 4300 Einfuhrumsatzsteuerrecht, Rdnr. 32 ff.[]
  17. in Dorsch, Zollrecht, ZK Art. 201 Rdnr. 17[]
  18. in Dorsch, Zollrecht, B – Einfuhrumsatzsteuer, UStG § 21, Rdnr. 78[]
  19. Zollkodex, Art. 4 Rdnr. 2 „Einfuhrumsatzsteuer“[]