Bestechung von Amtsträgern anderer EU-Staaten – der portugiesische Honorarkonsul

Eine Bestrafung wegen Bestechlichkeit eines Amtsträgers eines anderen Mitgliedstaats der Europäischen Union (Art. 2 § 1 Abs. 1 Nr. 2 lit. a EUBestG i.V.m. § 332 Abs. 1, Abs. 3 StGB) setzt eine zweistufige Prüfung der Amtsträgerschaft voraus. Zunächst ist seine Stellung nach dem Recht des anderen Mitgliedstaats zu beurteilen und bejahendenfalls (kumulativ) nach deutschem Recht.

Bestechung von Amtsträgern anderer EU-Staaten – der portugiesische Honorarkonsul

§ 1 Abs. 1 Nr. 2 EUBestG stellt für die Bestechungsdelikte der §§ 332, 334 ff. StGB dem sonstigen Amtsträger nach diesen Vorschriften den Amtsträger eines anderen Mitgliedstaats der Europäischen Union gleich, „soweit seine Stellung einem Amtsträger im Sinne des § 11 Abs. 1 Nr. 2 des Strafgesetzbuches entspricht“. Ziel der Vorschriften des EUBestG[1] ist es, die Strafbarkeit staatlicher Funktionsträger nach § 332 StGB auch bei transnationalen Bestechungshandlungen im europäischen Rechtsraum im Sinne umfassender und effektiver Verbrechensbekämpfung zu gewährleisten.

Der Begriffsdefinition des Amtsträgers im Sinne des Art. 2 § 1 Abs. 1 Nr. 2 EUBestG liegt eine zweistufige Struktur zugrunde; sie setzt bei dem Funktionsträger eines Mitgliedstaats der Europäischen Union voraus, dass dieser Amtsträger sowohl nach dem Recht des betroffenen akkreditierenden Mitgliedstaats als auch in Ansehung deutschen Rechts (§ 11 Abs. 1 Nr. 2 StGB) ist. Nur bei Vorliegen der Amtsträgereigenschaft nach beiden Rechtsordnungen zugleich kann der Tatbestand des Art. 2 § 1 Abs. 1 Nr. 2 EUBestG erfüllt sein.

Bei der Prüfung der Amtsträgerschaft ist in der ersten Prüfungsstufe von dem Recht des jeweiligen EU-Mitgliedstaats auszugehen. Nur wer danach für die Zwecke des Strafrechts Amtsträger dieses Landes ist, kann gemäß Art. 2 § 1 Abs. 1 Nr. 2 EUBestG die deutschen Straftatbestände der §§ 332, 334 StGB verwirklichen.

Die Auslegung des Art. 2 § 1 Abs. 1 Nr. 2 EUBestG anhand allgemeiner methodischer Grundsätze lässt ein anderes Verständnis der Norm nicht zu und entspricht auch der im Schrifttum vorherrschenden Meinung[2].

Ausgangspunkt und Grenzen der Auslegung ergeben sich aus dem Wortlaut der Norm[3]. Dieser besagt in Art. 2 § 1 Abs. 1 Nr. 2 lit. a EUBestG, sonstiger Amtsträger sei (nur) ein „Amtsträger eines anderen Mitgliedstaats der Europäischen Union, soweit seine Stellung einem Amtsträger im Sinne des § 11 Abs. 1 Nr. 2 des Strafgesetzbuches entspricht“. Die grammatikalische Auslegung ist eindeutig; nur ein Amtsträger im Sinne des Rechts eines anderen EU-Mitgliedstaats fällt danach überhaupt in den Anwendungsbereich der Vorschrift. Bei der Amtsträgereigenschaft nach fremdem Recht handelt es sich deshalb um ein konstitutives Merkmal des gesetzlichen Straftatbestands. Der zweite Halbsatz der Vorschrift wäre anderenfalls inhaltsleer; sinntragend wird er hingegen als anwendungsbeschränkendes Korrektiv der Strafvorschrift durch Inblicknahme des deutschen Rechts.

Systematisch folgt dasselbe aus der gesetzlichen Überschrift. Die „Gleichstellung von ausländischen mit inländischen Amtsträgern bei Bestechungshandlungen“ legt nahe, dass zwischen ihnen im Ansatz ein Unterschied besteht oder jedenfalls bestehen kann. Identische Begriffe sind gleich, sie müssen nicht gleichgestellt werden. Dies bekräftigt auch die Binnenstruktur der Vorschrift, die in Art. 2 § 1 Abs. 1 Nr. 1 lit. a EUBestG den Richter im Sinne des deutschen materiellen Strafrechts dem „Richter eines anderen Mitgliedstaats der Europäischen Union“ gleichstellt und dabei für die Bestimmung der Richtereigenschaft der Person des anderen Mitgliedstaats allein dessen Recht zum Maßstab nimmt. Vor dem Hintergrund, dass der Gesetzgeber die strafrechtliche Gleichstellung von Richtern und Amtsträgern in demselben Absatz der Vorschrift mit derselben Regelungstechnik vorgenommen hat, kann für den Amtsträger nichts anderes gelten; auch hier muss das Recht des betroffenen Mitgliedstaats maßstabsgebend sein.

Die Zweistufigkeit des Amtsträgerbegriffs nach Art. 2 § 1 Abs. 1 Nr. 2 EUBestG wird auch durch die historische Auslegung anhand der Gesetzesmaterialien und die allgemeinen Grundsätze europarechtsfreundlicher Rechtsanwendung[4] belegt.

Bereits das dem EUBestG zugrunde liegende Protokoll der Mitgliedstaaten der Europäischen Union zum Übereinkommen über den Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaften nach dem Rechtsakt des Rates der Europäischen Union vom 27.09.1996[5] (nachfolgend: Protokoll) geht von dieser Regelungstechnik aus. Nach den Definitionen des Art. 1 „wird der Ausdruck ‘nationaler Beamter‘ entsprechend der Definition für den Begriff ‘Beamter‘ oder ‘Amtsträger‘ im innerstaatlichen Recht des Mitgliedstaats ausgelegt, in dem der Betreffende diese Eigenschaft für die Zwecke der Anwendung des Strafrechts dieses Mitgliedstaats besitzt.“ Im Sinne der zweiten Prüfungsstufe erfolgt im folgenden Satz die Einschränkung der Strafbarkeit dergestalt, dass bei einem „Verfahren, das ein Mitgliedstaat wegen einer Straftat einleitet, an der ein Beamter eines anderen Mitgliedstaates beteiligt ist“, die Definition nur insoweit angewendet werden muss, „als diese mit seinem innerstaatlichen Recht im Einklang steht“[6].

Der erläuternde Bericht zu dem Protokoll; vom Rat angenommen am 19.12 1997[7] (nachfolgend: erläuternder Bericht), enthält in Ziff. II. Art. 1 Nr. 1.4 eine inhaltsgleiche, gleichermaßen zweistufige Begriffsbestimmung.

Die Begründung zum Vertragsgesetz[8] schließt hieran an. Danach verfolgt dieses den Zweck, „Beamte bzw. Amtsträger anderer Mitgliedstaaten der Europäischen Union in den Anwendungsbereich der §§ 332 und 334 StGB“ einzubeziehen[9]. Soweit dort weiter ausgeführt wird, die Auslegung des Amtsträgerbegriffes orientiere sich an der für deutsche Amtsträger geltenden Regelung[10], wird damit auf die Begriffsausfüllung nach dem Recht des Mitgliedstaats nicht etwa verzichtet, sondern entsprechend dem bereits Ausgeführten auf die Möglichkeit der Einschränkung des ausländischen durch den deutschen Rechtsbegriff Bezug genommen.

Schließlich geht auch die Denkschrift der Bundesregierung[11] zu dem benannten Übereinkommen von diesem Verständnis aus. Danach ergibt sich aus dem Protokoll und dem Erläuternden Bericht hierzu, „dass für die Amtsträgereigenschaft grundsätzlich die nationale strafrechtliche Definition des Staates maßgeblich ist, dem der Amtsträger angehört“. Es sei aber „in Fällen der Bestechlichkeit und Bestechung von Amtsträgern anderer Mitgliedstaaten der Europäischen Union eine Eingrenzung des Amtsträgerbegriffs nach dem Recht des strafverfolgenden Mitgliedstaates“ gestattet, von welcher (in Deutschland) bei der Umsetzung Gebrauch gemacht werde. Personengruppen, die nach ihrem Status oder ihrer Funktion nicht zur Kategorie der Amtsträger im Sinne von § 11 Abs. 1 Nr. 2 StGB gehören, aber Amtsträger nach dem Recht eines anderen Mitgliedstaats sind, seien dann in Deutschland in Fällen der Bestechung und Bestechlichkeit nicht als Amtsträger zu behandeln. Die Regelung in Art. 2 § 1 Abs. 1 Nr. 2 lit. a des Vertragsgesetzes trage diesem Umstand Rechnung[12].

Die Denkschrift der Bundesregierung setzt damit den im europäischen Rechtsraum geltenden Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung (Art. 82 EUV, Art. 67 AEUV) um. Das Rechtssystem des betroffenen Mitgliedstaates findet durch die Zugrundelegung seines materiellen Rechtsverständnisses Eingang in die deutsche Rechtssetzung, erfährt zum Schutz des innerstaatlichen Primärraums aber im Sinne eines sich wechselseitig ergänzenden Konzepts gegebenenfalls eine Beschränkung durch die deutsche Begriffsbestimmung.

Verfassungsrechtliche Grundsätze widerstreiten der vorbeschriebenen Auslegung nicht.

Die in Rechtsprechung[13] und Schrifttum[14] angedeuteten Bedenken, eine zweistufige Prüfung der Amtsträgerstellung könne zur Schaffung eines nicht mehr hinreichend bestimmten Blankettstraftatbestands führen, hält der Bundesgerichtshof für unbegründet.

Um eine Blankettnorm, die mit Blick auf Art. 103 Abs. 2 GG dem Erfordernis der Erkennbarkeit des Bestrafungsrisikos für den Bürger nicht hinreichend Rechnung trägt, handelt es sich bei Art. 2 § 1 Abs. 1 Nr. 2 EUBestG nicht. Tragweite und Anwendungsbereich der Vorschrift sind klar erkennbar; jedermann kann vorhersehen, welches Verhalten verboten und mit Strafe bedroht ist[15].

Die hinreichende Bestimmtheit der Norm folgt bereits daraus, dass sich ihre Reichweite schon alleine durch die deutschen Strafbarkeitsvoraussetzungen gemäß Art. 2 § 1 Abs. 1 Nr. 2 EUBestG, welche den Begriff des Amtsträgers im Sinne von § 11 Abs. 1 Nr. 2 StGB einschließen, für jedermann erkennbar absehen lässt. Die zusätzliche Geltung ausländischen Rechts kann daneben die Tatbestandsmäßigkeit allenfalls entfallen lassen, sich aber nicht strafbarkeitserweiternd auswirken. Ein Verstoß gegen das Bestimmtheitsgebot des Art. 103 Abs. 2 GG ist deshalb ausgeschlossen.

Auch ein Verstoß gegen Art.20 Abs. 2 Satz 1 GG ist nicht etwa deshalb zu besorgen, weil zur Prüfung der gesetzlichen Merkmale deutschen Rechts ausländische Vorschriften herangezogen werden müssen. Die Ausübung der Strafgewalt bedarf zwar der Legitimation durch das Staatsvolk, welche durch die Gesetze eines ausländischen Staates nicht bewirkt werden kann (Art.20 Abs. 3 GG). Ausländisches Recht kann aber zur Anwendung gelangen, wenn deutsche Rechtsnormen darauf verweisen und es damit für maßgeblich erklären. Für die betreffende ausländische Vorschrift gelten dann gleichermaßen die Anforderungen des Bestimmtheitsgrundsatzes im Sinne des Art. 103 Abs. 2 GG. Die den Amtsträger im Sinne des Strafrechts definierende portugiesische Regelung des Art. 386 Abs. 1 lit. c Código Penal Português (PPC) in der zur Tatzeit geltenden Fassung wird diesen Anforderungen ersichtlich gerecht.

Auch von bereits ergangener Rechtsprechung weicht der Bundesgerichtshof mit den vorgenannten Erwägungen nicht ab. In seiner Entscheidung vom 29.08.2008[16] hat der Bundesgerichthof nicht anderslautend entschieden. Tragend für diese Entscheidung war die Auslegung des Amtsträgerbegriffs nach dem IntBestG; soweit eine Strafbarkeit nach dem EUBestG daneben unter Ablehnung der Amtsträgereigenschaft nach § 11 Abs. 1 Nr. 2 lit. c StGB verneint wurde, enthält dies keine Aussage zu der Frage, ob daneben auch das Begriffsverständnis des EU-Mitgliedstaats maßgebend, die Prüfung also ein- oder zweistufig vorzunehmen ist.

Bundesgerichtshof, Beschluss vom 10. Juni 2015 – 1 StR 399/14

  1. Gesetz zu dem Protokoll vom 27.09.1996 zum Übereinkommen über den Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaften vom 10.09.1998, BGBl. II 2340, zuletzt geändert durch Gesetz vom 21.07.2004, BGBl. I 1763[]
  2. vgl. Graf in Graf/Jäger/Wittig, Wirtschafts- und Steuerstrafsachen, StGB § 332 Rn. 5; Greeve/Dörr in Volk: MAH Verteidigung in Wirtschafts- und Steuerstrafsachen, 2. Aufl., § 20 Rn. 122 f.; Korte, wistra 1999, 81, 84; ders. in: MK-StGB § 332 Rn. 5; Möhrenschlager in: Dölling, Handbuch der Korruptionsprävention, 8. Kap., Rn. 368; Rübenstahl, ZWH 2012, 179 ff.; Sowada in: LK-StGB Vor § 331 Rn. 25; Tinkl, wistra 2006, 126, 127; a.A. Dötterl, ZWH 2012, 54 ff.[]
  3. vgl. BVerfGE 75, 329, 341 f. mwN[]
  4. vgl. dazu etwa BGH, Urteil vom 03.12 2009 – 3 StR 277/09, BGHSt 54, 216 ff.[]
  5. BT-Drs. 13/10424, S. 8 ff.[]
  6. BT-Drs. 13/10424, S. 8[]
  7. vgl. ABl. EG 1998 C 11 S. 5[]
  8. BT-Drs. 13/10424, S. 6 f.[]
  9. vgl. BT-Drs. 13/10424, S. 6[]
  10. BT-Drs. 13/10424, aaO[]
  11. BT-Drs. 13/10424, S. 12 f.[]
  12. vgl. BT-Drs. 13/10424 S. 13[]
  13. BGH, Urteil vom 29.08.2008 – 2 StR 587/07, BGHSt 52, 323, 345 [nicht tragend][]
  14. vgl. Dötterl, ZWH 2012, 54, 57[]
  15. vgl. BVerfGE 41, 314, 319; 45, 346, 351; 47, 109, 120; 48, 48, 56; 64, 389, 393 f.[]
  16. BGH, Urteil vom 29.08.2008 – 2 StR 587/07, BGHSt 52, 323, 347[]