Die Nacherhebung des gesetzlich geschuldeten Zollbetrags ist auch dann zulässig, wenn die Zollbehörde diesen Betrag nicht innerhalb der Zwei-Tages-Frist des Art. 220 Abs. 1 Satz 1 ZK buchmäßig erfasst hat.

Von der Nacherhebung abzusehen ist nicht deshalb geboten, weil die Zollbehörde die buchmäßige Erfassung der geschuldeten Abgaben aufgrund eines Irrtums unterlassen hat, ohne in dem Beteiligten Vertrauen zu erwecken, dass er diese nicht schulde.
Nachträgliche Erfassung nach Ablauf der Zwei-Tages-Frist
In dem jetzt vom Bundesfinanzhof entschiedenen Streitfall ist der gesetzlich geschuldete Betrag bei der Einfuhrabfertigung zunächst nicht richtig erfasst worden. Der Rest des gesetzlich geschuldeten Zolls war daher nachträglich zu erfassen und sodann der Klägerin gemäß Art. 221 Abs. 1 ZK mitzuteilen, d.h. durch den angefochtenen Bescheid nachzuerheben. Dass dies ebenso wie die buchmäßige Nacherfassung selbst erst nach Ablauf der Frist von zwei Tagen geschehen ist, die Art. 220 Abs. 1 Satz 1 ZK der Zollbehörde für buchmäßige Nacherfassung setzt, macht die Mitteilung nicht rechtswidrig; Art. 220 Abs. 1 Satz 1 ZK betrifft nämlich insoweit nicht das Verhältnis zum Zollschuldner[1], den –hinsichtlich des Zeitablaufs– nur Art. 221 Abs. 3 ZK vor einer späten Nacherhebung schützt. Das ist in der Rechtsprechung hinreichend geklärt[2] und bedarf deshalb kaum näherer Ausführung. Die systematische Stellung vorgenannter Fristvorschrift mag zwar auf den ersten Blick nahelegen, in ihr eine Vorschrift zum Schutz der Belange des Zollschuldners (und nicht nur derjenigen der Gemeinschaft) zu sehen. Dieser Deutung steht indes schon entgegen, dass eine rasche buchmäßige Erfassung als solche (ohne entsprechende Mitteilung gemäß Art. 221 ZK) offensichtlich ungeeignet ist, Belange des Zollschuldners zu wahren, insbesondere ein etwaiges Vertrauen in die Endgültigkeit der Abgabenbelastung zu schützen. Überdies hat der EuGH in vorgenannter Entscheidung überzeugend darauf abgestellt, dass das Recht zur Nacherhebung mittels der Zwei-Tages-Frist zu beschränken die Nacherhebungsfrist des Art. 221 Abs. 3 ZK sinnlos erscheinen ließe. Diese Entscheidung ist zwar zur Verordnung (EWG) Nr. 1854/89[3] ergangen; sie ist aber auf den Zollkodex übertragbar, da nicht erkennbar ist, dass der Verordnungsgeber mit dem Erlass des Zollkodexes insoweit neues Recht schaffen wollte. Davon geht auch der EuGH aus[4]. Aus dem Beschluss des EuGH vom 9. Juli 2008[5] und aus dem Urteil vom 16. Juli 2009[6] ergibt sich nichts anderes.
Absehen von einer Nacherhebung
Die Voraussetzungen für ein Absehen von der Nacherhebung gemäß Art. 220 Abs. 2 Satz 1 Buchst. b Unterabs. 1 ZK liegen nicht vor. Danach wird ein Restbetrag nicht erfasst, wenn der gesetzlich geschuldete Abgabenbetrag aufgrund eines Irrtums der Zollbehörden nicht buchmäßig erfasst worden ist, sofern dieser Irrtum vernünftigerweise vom Zollschuldner nicht erkannt werden konnte und dieser gutgläubig gehandelt und alle geltenden Vorschriften über die Zollanmeldung eingehalten hat.
Der Restbetrag ist im Streitfall indes nicht aufgrund eines Irrtums des Hauptzollamts, den die Klägerin nicht erkennen konnte, zunächst nicht erfasst worden, sondern aufgrund der vom Finanzgericht erlassenen einstweiligen Anordnung. Ob diese zuließ, den geschuldeten Betrag nach Maßgabe des Regelzollsatzes buchmäßig zu erfassen (und dem Hauptzollamt nur die Mitteilung dieses Betrags an die Klägerin gemäß Art. 221 ZK untersagte), und ob ggf. so verfahren worden ist –was die Klägerin in Abrede stellt und das HZA zugestanden hat–, bedarf keiner näheren Untersuchung. Denn auch wenn das Hauptzollamt den geschuldeten Betrag nicht buchmäßig erfasst hat, obwohl ihm dies nicht verboten gewesen sein mag, fehlt es jedenfalls daran, dass die Klägerin, weil ihr die unterbliebene buchmäßige Erfassung bekannt war, davon ausgehen konnte, dass das Hauptzollamt den Regelzoll nicht erheben werde. Anhand der Gründe der vom Finanzgericht erlassenen einstweiligen Anordnung, aber auch des Vortrags des Hauptzollamts in jenem Verfahren konnte die Klägerin vielmehr ohne weiteres erkennen, dass sie sich nicht, wie dies eine stillschweigende Voraussetzung für die Anwendung eben angeführter Vorschrift wäre, auf die Anwendbarkeit des Kontingentszollsatzes verlassen konnte, sondern die Rechtslage ungeklärt war, vor allem aber, dass das Hauptzollamt den Kontingentszollsatz gerade nicht für anwendbar hielt. Ein Irrtum des Hauptzollamts nur über das bei dieser Sachlage einzuschlagende verwaltungsinterne Verfahren –buchmäßige Erfassung des nach Ansicht des Hauptzollamts geschuldeten Betrags ohne entsprechende Mitteilung statt Aussetzung der Sachbearbeitung bis zur Entscheidung des Bundesfinanzhofs über die gegen den Beschluss des Finanzgerichts eingelegte Beschwerde– rechtfertigt die Anwendung des Art. 220 Abs. 2 Satz 1 Buchst. b Unterabs. 1 ZK nicht; denn diese Vorschrift hat ersichtlich den Sinn, dass der Zollbeteiligte vor einer Nacherhebung eines Abgabenbetrags geschützt werden soll, von dem er aufgrund des Verhaltens der Zollbehörde annehmen durfte, dass er ihn nicht schulde.
Vertrauensschutz
Auf den allgemeinen Grundsatz des Vertrauensschutzes kann sich die Klägerin ebenfalls nicht mit Erfolg berufen. Wenn sie, wie sie jetzt vorgibt, tatsächlich darauf vertraut haben sollte, die Gemeinschaft werde aufgrund des GATT 1994 alsbald ihre Bananenmarktordnung dahin ändern, dass Importeuren in ihrer Lage eine Einfuhr zum Kontingentszollsatz möglich wird, hätte sie sich spätestens durch die bis zu den streitigen Einfuhren ausgebliebene entsprechende Rechtsetzung der Gemeinschaft eines Besseren belehren lassen müssen und erkennen können, dass eine solche (nach der damals schon vorliegenden Rechtsprechung des EuGH wenig fundierte) Erwartung unberechtigt ist. Der Beschluss des Bundesfinanzhofs[7] und der ebenfalls im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes ergangene Beschluss des Finanzgerichts haben in der Klägerin ebenfalls schwerlich Vertrauen darauf erwecken können, in den Genuss des Kontingentszollsatzes kommen zu müssen, ganz abgesehen davon, dass sie mit den streitigen Einfuhren Vertrauen in den Beschluss des Senats nicht in der erforderlichen Weise betätigt hätte, welche sie nämlich lange vor diesem Beschluss vorgenommen hatte.
Bundesfinanzhof, Urteil vom 23. Februar 2010 – VII R 8/08
- vgl. Gellert in Dorsch, Zollrecht, ZK Art. 220 Rz 30[↩]
- vgl. schon EuGH, Urteil vom 26.11.1998 – C-370/96 (Covita), Slg. 1998, I-7711[↩]
- Verordnung (EWG) Nr. 1854/89 des Rates vom 14. Juni 1989 über die buchmäßige Erfassung und die Voraussetzungen für die Entrichtung der Eingangs- oder Ausfuhrabgaben bei Bestehen einer Zollschuld, ABlEG Nr. L 186/1[↩]
- vgl. EuGH, Urteil vom 23.02.2006 – C-201/04 (Molenbergnatie), Slg. 2006, I-2049, Rz 48[↩]
- EuGH, Beschluss vom 09.07.2008 – C-477/07, ZfZ 2009, 46[↩]
- EuGH, Urteil vom 16.07.2009 – C-124/08 und C-125/08, ZfZ 2009, 264[↩]
- in BFHE 179, 501[↩]