MWSt-Erstattung in Ungarn

Die Europäische Kommission hat Ungarn aufgefordert, seine Mehrwertsteuerbestimmungen zu ändern, wonach ungarische Steuerpflichtige keinen Anspruch auf Vergütung der Vorsteuer haben, solange die betreffende Vorleistung vom Steuerpflichtigen nicht bezahlt wurde. Die Aufforderung ergeht in Form einer mit Gründen versehenen Stellungnahme, der zweiten Stufe des Vertragsverletzungsverfahrens nach Artikel 226 EG-Vertrag.

MWSt-Erstattung in Ungarn

Nach dem ungarischen MwSt-Gesetz können Steuerpflichtige den MwSt-Überschuss (der sich daraus ergibt, dass der Betrag der abzugsfähigen Vorsteuer den Betrag der für einen Steuerzeitraum zu entrichtenden Mehrwertsteuer übersteigt) wahlweise auf den nachfolgenden Steuerzeitraum vortragen oder die sofortige Erstattung beantragen. Die Erstattung des überschüssigen Betrags kann jedoch nicht für eingekaufte Vorleistungen beantragt werden, für die der Steuerpflichtige noch keine Zahlung geleistet hat. Infolgedessen müssen Steuerpflichtige, deren Steuererklärungen durchweg „Überschüsse“ aufweisen, de facto die überschüssige Vorsteuer auf den nächsten Steuerzeitraum vortragen.

Nach Auffassung der Kommission verstößt diese Regelung gegen Artikel 183 der MWSt-Richtlinie[1] in der Auslegung durch den Europäischen Gerichtshof.

Wenn der Betrag der abgezogenen Vorsteuer den Betrag der für einen Steuerzeitraum geschuldeten Mehrwertsteuer übersteigt, können die Mitgliedstaaten gemäß Artikel 183 der MwSt-Richtlinie den Überschuss entweder nach den von ihnen festgelegten Einzelheiten erstatten oder auf den folgenden Zeitraum vortragen lassen.

Der EuGH hat in seiner Rechtsprechung festgestellt, dass dieser Artikel den Mitgliedstaaten bei der Festlegung der Bedingungen für die MwSt-Erstattung zwar einen gewissen Spielraum lässt, aber auch die allgemeinen Rechtsgrundsätze zu berücksichtigen sind. So ist insbesondere der Grundsatz der Steuerneutralität zu beachten, damit die vom Mitgliedstaat festgelegte Erstattungsmethode für den Steuerpflichtigen nicht mit finanziellen Risiken verbunden ist.

Nach Auffassung der Kommission wird dem Grundsatz der Steuerneutralität sowohl durch einen Abzugsmechanismus Rechnung getragen, bei dem auf jeden Umsatz nach Abzug des MwSt-Betrags, der unmittelbar auf die einzelnen Kostenkomponenten entfällt, Mehrwertsteuer erhoben wird, als auch durch einen Erstattungsmechanismus, bei dem der Mehrwertsteuerüberschuss dem Steuerpflichtigen sofort zu erstatten ist.

Nach den beanstandeten ungarischen Bestimmungen g ilt die Bedingung der Kaufpreiszahlung nur für die Vorsteuer. Die Mehrwertsteuer auf die Ausgangsumsätze des Steuerpflichtigen wird unabhängig von der Zahlung zum Zeitpunkt der Steuererklärung fällig, während ein etwaiger erstattungsfähiger Mehrwertsteuersaldo in den nachfolgenden Zeitraum vorzutragen ist, wenn nicht bereits die gesamte Vorsteuer an die leistenden Unternehmen gezahlt wurde. Auf diese Weise wird die Steuerneutralität beeinträchtigt.

Das ungarische System erhöht die Mehrwertsteuerbelastung der Steuerpflichtigen, wenn beispielsweise in Zeiten hoher Investitionen der Vorsteuerbetrag die abzugsfähige Mehrwertsteuer übersteigt. Da die Erstattung von der Bezahlung der Vorleistungen abhängt, können die Steuerpflichtigen gezwungen sein, erstattungsfähige Mehrwertsteuerbeträge auf nachfolgende Steuerzeiträume zu übertragen.

Die Kommission kommt daher zu dem Ergebnis, dass die ungarische Regelung gegen Artikel 183 der MwSt-Richtlinie verstößt, weil damit die Anwendung des im gemeinsamen Mehrwertsteuersystem festgelegten Neutralitätsgrundsatz es nicht gewährleistet wird.

  1. Richtlinie 2006/112/EG[]