Strafbarkeit von Iran-Exporten und Kontrolldefizite deutscher Zollbehörden

Der Bundesgerichtshof hat wegen des ungenehmigten Exports von für die militärische Verwendung geeigneten Gütern in den Iran ein Hauptverfahren wegen ungenehmigter Exporte in den Iran vor dem Landgericht München II eröffnet.

Strafbarkeit von Iran-Exporten und Kontrolldefizite deutscher Zollbehörden

Der Generalbundesanwalt hat gegen einen in Deutschland lebenden Kaufmann iranischer Herkunft wegen zahlreicher Verstöße gegen das Außenwirtschaftsgesetz Anklage zum Oberlandesgericht München erhoben. Dem Angeklagten wird vorgeworfen, in den Jahren 2002 bis 2006 unter Einschaltung von Tarnfirmen Güter im Wert von 575.000 € aus der Bundesrepublik Deutschland ohne die erforderliche behördliche Genehmigung in den Iran ausgeführt zu haben. Der Genehmigung hätte es wegen der militärischen Endverwendung der Gegenstände im Iran bedurft.

Das Oberlandesgericht München hat die Eröffnung des Hauptverfahrens abgelehnt[1]. Es hat zum einen die Auffassung vertreten, die einschlägigen Vorschriften des deutschen Außenwirtschaftsrechts seien mit europäischem Gemeinschaftsrecht nicht vereinbar und deswegen unanwendbar. Zum anderen hat es aus tatsächlichen Gründen einen hinreichenden Tatverdacht verneint. Es sei nicht wahrscheinlich, dass die exportierten Güter zu einer militärischen Verwendung bestimmt gewesen seien und der Angeklagte – so dies doch der Fall gewesen sei – hiervon auch Kenntnis gehabt habe. Außerdem hat das Oberlandesgericht München nicht zu erkennen vermocht, dass die Exporte jeweils geeignet gewesen wären, die auswärtigen Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland erheblich zu gefährden.

Auf die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde des Generalbundesanwalts hat der Bundesgerichtshof den Beschluss des Oberlandesgerichts München aufgehoben und das Hauptverfahren – insoweit abweichend vom Antrag des Generalbundesanwalts – vor dem Landgericht München II eröffnet.

Das Oberlandesgericht München hat, so der Bundesgerichtshof, auf der Grundlage des Ergebnisses der Ermittlungen den für die Eröffnung des Hauptverfahrens notwendigen hinreichenden Tatverdacht zu Unrecht verneint. Für diesen reicht es aus, dass eine spätere Verurteilung nach vorläufiger Beurteilung des Akteninhalts wahrscheinlich ist. Eine derartige Wahrscheinlichkeit ist hier nach Auffassung des Bundesgerichtshofs anzunehmen. Die Frage, ob die Exporte zur erheblichen Gefährdung der auswärtigen Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland geeignet waren, hat der Bundesgerichtshof bejaht. Trotz der relativen Ungefährlichkeit der ausgeführten Güter, die zur Tatzeit aus anderen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union genehmigungsfrei in den Iran hätten exportiert werden dürfen, folgt diese Eignung insbesondere daraus, dass das Verfahren erhebliche Kontrolldefizite bei den beteiligten deutschen Zollbehörden aufgedeckt hat, die sich von dem Angeklagten täuschen ließen. Die Verstöße des Angeklagten gegen das Außenwirtschaftsgesetz könnten deshalb auch deutschen staatlichen Stellen zum Vorwurf gemacht werden.

Die Rechtsauffassung des Oberlandesgerichts München zur Gemeinschaftsrechtswidrigkeit von § 34 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, § 34 Abs. 2 Nr. 3 AWG und § 5 c Abs. 2 AWV hat der Bundesgerichtshof nicht geteilt. Der BGH hat die Vereinbarkeit der Vorschriften mit dem Recht der Europäischen Union ebenso bejaht, wie ihre Verfassungsmäßigkeit. Einer Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union bedurfte es nach Auffassung des Bundesgerichtshofs jedenfalls im derzeitigen Verfahrensstadium ebenfalls (noch) nicht, weil sich an die Eröffnungsentscheidung des Bundesgerichtshofs die durchzuführende Hauptverhandlung anschließt, eine Verfahrensbeendigung also nicht eintritt.

Zuständig für die Durchführung der Hauptverhandlung ist nach dem Beschluss des Bundesgerichtshofs nicht das Oberlandesgericht, sondern das Landgericht München II; denn, so der Bundesgerichtshof, es liegen die hohen gesetzlichen Voraussetzungen nicht vor, unter denen bei Verstößen gegen das Kriegswaffenkontroll- und das Außenwirtschaftsgesetz ausnahmsweise die erstinstanzliche Zuständigkeit eines die Bundesgerichtsbarkeit ausübenden Oberlandesgerichts begründet ist.

Bundesgerichtshof, Beschluss vom 19. Januar 2010 – StB 27/09

  1. OLG München, Beschluss vom 19.03.2009 – 6 St 10/08[]